Gerade will Hartmut Merten den kleinen Kaspar taufen, da geht die Kirchentür auf. Unerwartet tritt der Vater des Täuflings ein. Der Pastor unterbricht die Taufe irritiert. Serienfans wissen: Der ungebetene Gast bringt Ärger mit sich. Die Folge 2.295 der Telenovela "Rote Rosen" endet aber erst einmal mit diesem dramatischen Höhepunkt. Im September läuft die in Lüneburg produzierte Fernsehserie zum 2.500. Mal in der ARD. In vier Folgen hat Merten mitgespielt, ein echter evangelischer Pastor in der Rolle eines Pastors.
Auch die Komparsen sollen authentisch wirken, dies sei ein Erfolgsrezept der "Roten Rosen", sagt Produktionssprecher Dieter Zurstraßen. "Der Zuschauer fühlt genau, ob ein Komparse seine Rolle nur oberflächlich spielt oder weiß, wie man sich zu bewegen und zu agieren hat." Das werde bei der Besetzung berücksichtigt. Wer schon einmal gekellnert hat, spielt den Kellner, Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr agieren als Feuerwehrleute, und bei zwei Beerdigungen und einer Taufe trat Merten als Pastor auf.
Die Serienmacher hätten gezielt in der Superintendentur des evangelischen Kirchenkreises Lüneburg nachgefragt, erinnert er sich. Weil Merten in der Kirchenregion auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, nahm er die kleine Rolle an. "In einer Zeit, in der Taufen und auch christliche Trauerfeiern nicht mehr selbstverständlich sind, konnte ich zeigen: Die Kirche begleitet Menschen von der Geburt bis zum Tod", sagt der 57-Jährige.
Zunächst trat er in zwei Folgen im Frühjahr 2008 bei zwei Beerdigungen mit den Familien ans Grab. Von seinem letzten Einsatz im Herbst 2016 hat er das Manuskript für seinen Part noch im Computer. In Folge 2.296 benetzt er die Stirn des kleinen Täuflings Kaspar dreimal mit Wasser. Und dabei war auch sein Fachwissen gefragt, berichtet er. Das Drehbuch sah die Worte "So segne ich euch" vor. "Theologisch falsch", sagt Merten, und änderte den Text in "Der Segen Gottes komme über euch." Denn der Segen werde nun einmal von Gott erbeten.
Das Team rund um die "Roten Rosen" habe er als sehr professionell wahrgenommen, berichtet der Pastor der Lüneburger Paulus-Gemeinde. Sein eigener Arbeitsalltag sehe aber anders aus, als in der Serie gezeigt. "Die Drehs waren mit der Realität kaum vergleichbar." Die Fernsehmacher interessierten sich vor allem für Symbolhandlungen wie die der Trauernden, die Erde ins Grab werfen. Im wahren Leben gehe es im Gottesdienst um mehr. "Die Gemeinde feiert mit Lesungen aus der Bibel, Gesang, Gebeten und richtet sich innerlich auf Gott hin aus."
Wechsel zwischen Schauspiel und Realität
Schauspiel-Erfahrung hatte Merten vor seinem ersten Auftritt nicht. Und obwohl er als Pastor auch in der Öffentlichkeit steht, überraschte ihn die große Resonanz danach, sagt er. "Von der Sprechstundenhilfe beim Arzt oder einer früheren Lüneburgerin, die jetzt in Bayern lebt - überall wurde ich angesprochen."
Seit August 2006 werden die "Roten Rosen" in Lüneburg aufgenommen und spielen auch in der Stadt. 40 bis 50 Komparsen beschäftigt die Produktion laut Seriensprecher Zurstraßen jede Woche. In allen fast 2.500 Folgen zusammen bringt es die wochentäglich laufende Serie bisher auf 20.000 bis 25.000 Komparsen-Einsätze. Für häufig vorkommende Szenerien wie im Hotel "Drei Könige" gibt es ein Stammpersonal.
Auch Hartmut Merten kann sich weitere Auftritte vorstellen. Eine Zeit lang spielte der Schauspieler Bo Hansen in der Telenovela den Pastor Sönke Mertens. "Der ist wieder verschwunden, und die letzte Anfrage ging wieder an mich, den Pastor Merten ohne s", sagt dieser. "Wenn ich es einrichten kann, bin ich gern wieder dabei." Auch umgekehrt gab es schon einen Rollenwechsel. "Rosen"-Star Brigitte Antonius, die als Johanna von Anfang an dabei ist, predigte im wirklichen Leben in der Lüneburger Nicolai-Kirche von der "Bürgerkanzel".