27.5., Arte, 20.15 Uhr: "Venedig und das Ghetto"
Venedig: Die prächtigste Kulisse der Welt, millionenfach besucht, millionenfach fotografiert, steckt dennoch voller Geheimnisse. Touristen gehen oft achtlos daran vorüber, wie an jenen rätselhaften Zeichen, denen Klaus T. Steindl in seinem Dokumentarfilm folgt. Er beginnt am 29. März 1516. Damals fasste die Republik Venedig einen Beschluss mit weitreichenden Folgen: Sie wies den Juden ein Gebiet zu, in dem sie von nun an abgetrennt von der übrigen Bevölkerung leben mussten. Es war ein ödes Areal am Stadtrand, "Ghetto" genannt. Von hier aus verbreitete sich der Begriff auf der ganzen Welt als Synonym für Ausgrenzung und Verfolgung. In Venedig kam es anders: Das Ghetto ist heute ein Ort der Begegnung und ein beliebtes, bunt gemischtes Wohnviertel mit hoher Lebensqualität. Wie kein anderer Ort spiegelt dieses Viertel die wechselhaften Beziehungen zwischen den Juden, Venedig und der Welt wider. Die ersten Juden, die im Ghetto ankamen, fanden verfallene Häuser, Schmutz und Unrat vor. Es war ein aufgelassenes Gewerbegebiet, rundum von Wasser umgeben und nur durch Tore zu betreten, die in der Nacht verschlossen und streng bewacht wurden. Dennoch strömten immer mehr Menschen herbei - auf der Flucht vor Kriegen und der Verfolgung auf dem Festland. Die Tore des Ghettos verhießen ihnen nicht nur Ausgrenzung, sondern auch Schutz. Venedig gewährte diesen Schutz, forderte dafür aber auch massive Gegenleistungen: Juden mussten nicht nur hohe Steuern zahlen, sondern auch Geld an die venezianische Bevölkerung verleihen. Mit jeder Einwanderungswelle kamen mehr Juden ins Ghetto - aus anderen Kulturkreisen, mit fremden Sprachen, Sitten und Gebräuchen. Es gab Zeiten der Repression, der Armut, der Verfolgung, aber auch Zeiten der kulturellen und wirtschaftlichen Blüte - alles auf engstem Raum. Erst Napoleon ließ die Tore des Ghettos öffnen. Von da an waren die Juden den übrigen Venezianern gleichgestellt, zumindest theoretisch. Von der dunklen Zeit der Naziherrschaft zeugen "Stolpersteine", ein Gedenkzentrum und ein Mahnmal am zentralen Campo des Ghettos. Heute leben die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in ganz Venedig verstreut, aber das Ghetto und seine fünf Synagogen bilden noch immer den Mittelpunkt ihrer religiösen Identität.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
28.5., ARD, 17.30 Uhr: "Gott und die Welt: Kirchentag XXL" / ZDF, 0.20 Uhr: "Was siehst Du?"
Auf dem 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag lasteten besondere Erwartungen: Im Jahr 2017 feiern die Protestanten ihre Reformation und wollen möglichst Viele zum Mitmachen animieren. Deshalb wurde in großen Dimensionen geplant. Parallel zum Kirchentag in Berlin gab es an sechs Orten in Mitteldeutschland regionale Treffen. Der Festgottesdienst des Kirchentages wurde in die Lutherstadt Wittenberg verlegt. Das verlangte eine logistische Meisterleistung: Hunderttausende haben sich aus verschiedenen Himmelsrichtungen mit Bussen und Bahnen auf die kleine Stadt an der Elbe zubewegt. Die Autobahnbrücke bei Wittenberg wurde gesperrt, die Bahn setzte ICEs im Pendelverkehr ein. Junge Leute oder Junggebliebene konnten bereits die Nacht unter freiem Himmel verbringen und mit den Brüdern aus Taizé den Sonnenaufgang feiern. Ein "Gott und die Welt"-Team war vor Ort und hat sich unter die Teilnehmer gemischt, die nach dem Gottesdienst das Wochenende auf den Elbwiesen ausklingen ließen. Der Film dokumentiert die Höhepunkte und zieht zusammen mit Margot Käßmann und weiteren Gästen Bilanz: Sind die großartigen Erwartungen aufgegangen? Hat sich der Kraftakt gelohnt? Was für ein Bild ist von Berlin und Wittenberg in die Welt gegangen? Auch das ZDF wirft einen Blick zurück, allerdings erst um 0.20 Uhr. Der Film "Was siehst Du?" stellt Menschen vor, die die Welt aus christlicher Sicht sehen und sie aus dieser Kraft heraus anpacken.
29.5., ARD, 23.45 Uhr: "Geschichte im Ersten: Wie starb Benno Ohnesorg?"
Ein Mann liegt am Boden, eine junge Frau kniet neben ihm und hält den Kopf des Sterbenden. Das Bild wird zum Symbol. Es wird Hunderttausende auf die Straße treiben. Der 2. Juni 1967 wurde zum Katalysator des studentischen Aufbegehrens, der Tag verändert das Land. An ihm begann "1968". An diesem Tag besuchte der Schah von Persien West-Berlin und Studenten gingen auf die Straße, um dagegen zu demonstrieren. Ein Schuss fiel. Der 26-jährige Ohnesorg starb. Geschossen hatte der Polizist Karl-Heinz Kurras. Wie kam es zu dem Schuss? Was geschah wirklich am 2. Juni 1967? Die Dokumentation rekonstruiert minutiös die Abläufe. Klaus Gietinger, Margot Overath und Uwe Soukup gehen allen Spuren in Ost und West nach. Das Trio wertet bislang unbekannte Akten, Fotos sowie verschollen geglaubte Filmschnipsel aus und interviewt zahlreiche Augenzeugen, von denen die meisten noch nie vor der Kamera standen. Ein investigativer Geschichtsthriller entstand. Im Juni 2017 jährt sich der Tod von Benno Ohnesorg zum fünfzigsten Mal.
29.5., 3sat, 23.50 Uhr: "37 Grad: Schulden, Pleite, Insolvenz"
Über Schulden spricht man nicht. Dabei galten 2016 mehr als zwei Millionen deutsche Haushalte als überschuldet. Hinter der Statistik stecken Schicksale: Menschen, die in eine tiefe Krise geraten sind, aus der sie oft aus eigener Kraft nicht herauskommen. Anne Kauth hat zwei leidenschaftliche Schuldnerberater bei ihrer täglichen Arbeit im Kampf gegen die Schulden begleitet. Wer es schafft, seine Scham zu überwinden und sich Hilfe zu holen, hat schon mal einen Anfang gemacht. Rund 1400 Schuldnerberatungsstellen gibt es in Deutschland. Hier arbeiten Menschen wie Ralf Berg oder Marlies Schmidt. Ihr beruflicher Alltag besteht darin, Menschen, die verschuldet sind und keine finanziellen Mittel haben, wieder eine Perspektive zu geben. Ihre Klienten sind Alleinerziehende, pflegende Angehörige, Arbeitslose, Rentner mit zu kleinem monatlichen Auskommen; die ganze Palette der sozialen Problemfälle. Raus aus den Schulden, das ist das Ziel. Der richtige Weg kann dabei individuell sehr verschieden sein: ob in Form einer Privatinsolvenz, eines außergerichtlichen Vergleichs oder durch konsequentes Sparen. Der Beruf des Schuldnerberaters erfordert weit mehr als kaufmännische Rechenkenntnisse, oft stecken hinter den Schulden andere weitreichende Probleme. Zu den Fällen, die Anne Kauth in ihrem Film vorstellt, gehört zum Beispiel Cindy K., eine 23-jährige alleinerziehende Mutter von drei Kindern, die bereits in einer Insolvenz steckt. Doch jetzt sind neue Schulden entstanden. Wie lassen sich die abstottern, wenn die Familie am Existenzminimum lebt? Und dann ist da noch Frau G., die ihren Mann vorübergehend im Heim unterbringen musste, weil sie selbst einen schweren medizinischen Eingriff hatte. Die Kosten fürs Heim stürzten das Rentnerpaar in die Schulden. Marlies Schmidt muss den dementen Herrn G. wohl in die Insolvenz schicken. Auch Ralf Berg besucht seine schwierigen Fälle zu Hause. Wie Renate M.: Die Rentnerin ist mit rund 60 000 Euro völlig überschuldet. Nach dem Tod ihres Mannes brach das Finanzierungskonzept für die Kredite zusammen. Die 70-Jährige muss in die Insolvenz, dazu ist ihre Wohnung, in der sie 15 Jahre mit ihrem Mann gelebt hatte, für sie allein zu groß und zu teuer. Nun muss sie umziehen und ist mit der Situation komplett überfordert.
29.5., WDR Fernsehen, 22.10 Uhr: "Wir sind eure Lehrer"
Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Lehrer mal "Faule Säcke" genannt. Und auch sonst heißt es oft: zwölf Wochen Ferien, um spätestens 14 Uhr Feierabend, schön verbeamtet mit Privatversicherung. Lehrer müsste man sein. Aber ist das so? In der "Hier und heute"- Reportage erzählt Donya Farahani mit Empathie und genauem Blick vom Lehreralltag, und zwar so, wie er tatsächlich ist. Aus ihrer eigenen Kindheit sind ihr nur wenige Lehrer in Erinnerung geblieben: der eine extrem "lockere" Lehrer, bei dem die Kinder immer Filme anschauen durften; oder die überengagierte Deutschlehrerin, die die Schüler mit ihren Interpretationen genervt hat. Reporterin Farahani will wissen, wie der Alltag von Lehrerinnen und Lehrern aussieht: wie viel sie leisten müssen, wie stark sie sich engagieren und wie dick ihr Fell sein muss, weil immer höhere Anforderungen an die Schule gestellt werden. Um das herauszufinden, hat sie eine Woche in einer Gesamtschule in Duisburg-Marxloh mit gearbeitet: den Unterricht vorbereitet, die Pausenaufsicht übernommen, bei den Aufgaben geholfen und unter Anleitung eine Unterrichtsstunde gehalten; ausgerechnet in ihrem ehemaligen Hass-Fach Deutsch.) Sie stellte fest: Das kostet echt Kraft.
30.5., ZDF, 22.15 Uhr: "37 Grad: Urlaub im Slum"
Kürzlich, im ARD-Drama "Gift" war in einer Nebenrolle eine Frau zu sehen, die als Ärztin in einem Slum in Mumbai arbeitet. Das Drama war von Daniel Harrich, der dem Fernsehfilm nun eine Reportage folgen lässt. "Urlaub im Slum" stellt eine Frau vor, die als Kinderärztin in einer großen Bonner Klinik beschäftigt ist. Trotz ihrer fordernden Tätigkeit hat sie sich entschieden, sich in Kalkutta als freiwillige Ärztin zu engagieren. Das bedeutet, fast den gesamten Jahresurlaub unter schwierigen Bedingungen in den Armenvierteln Indiens zu verbringen. Im April 2017 reist sie von Bonn nach Kalkutta. Der Arbeitsplatz ist eine Tuberkuloseklinik für Frauen und Kinder in einem Armenviertel. Es ist ein Kampf um das Leben der Patienten, oft gegen megaresistente Keime. Der deutschen Ärztin offenbaren sich besorgniserregende neue Entwicklungen in Bezug auf die Heilungsaussichten für ihre Patienten: Eine neue Form von Resistenzen - sogenannte Megaresistenzen in Menschen - machen die traditionellen Behandlungen wirkungslos. Dr. Rans und ihre Kollegen kennen die Probleme der Krankenhauskeime in Europa und Nordamerika, man hat sich inzwischen in deutschen Krankenhäusern so gut es geht auf die Herausforderungen eingestellt. Doch was sie in Indien erleben, ist eine völlig neue Dimension. Die Folge: eine rapide Ausbreitung epidemischer Krankheitsbilder wie beispielsweise Tuberkulose. Patienten sterben an einfachen Erkrankungen, an Virus- und Wundinfektionen oder an einer Erkältung. Rans bemüht sich, nach Antworten zu suchen: wie man sich schützt, wie man gegen die Keime vorgehen kann. Nach sechs Wochen kehrt die Ärztin wieder nach Deutschland zurück, in eine Gesellschaft weit weg vom Elend und Leid, das sie in Kalkutta erlebt hat. Was bedeutet die Erfahrung für sie? "37 Grad" zeigt das Engagement einer Frau, die in Zeiten von Ängsten und Engstirnigkeit über die Grenzen des eigenen Landes schaut, um Menschen zu helfen. Dabei macht sie Erfahrungen, die sie verändern werden.
30.5., 3sat, 20.15 Uhr: "Ellas Entscheidung"
Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen: "Ellas Entscheidung" behandelt die Frage, ob man Embryos mit Gen-Defekt im Zuge einer Präimplantationsdiagnostik (PID) aussortieren darf. Der Film ist ein einfühlsames, gut gespieltes und mutiges Drama über eine komplexe moralische Frage, auf die es keine einfachen Antworten gibt. Geschickt lässt Autorin Kristin Derfler die unterschiedlichen Positionen zu PID von zwei Schwestern verkörpern. Beide sind Trägerinnen einer tödlichen Erbkrankheit. Die ältere, Johanna (Anna Schudt), hat eine gesunde 15jährige Tochter, Antonia, aber ihr Sohn Lennart leidet unter Muskelschwund, sitzt im Rollstuhl und wird immer schwächer. Johannas jüngere Schwester Ella (Petra Schmidt-Schaller), eine Lehrerin, ist ebenfalls verheiratet, auch sie möchte Kinder. Um ihnen Lennarts Schicksal zu ersparen, entschließen sie und ihr Mann Marcus (Christian Erdmann) sich dazu, Eizellen künstlich befruchten und anschließend untersuchen zu lassen. Ist der Embryo gesund, wird er in die Gebärmutter eingepflanzt. Letztlich, und das ist die große Stärke des Films, geht es jedoch nicht um ein Thema, sondern um Menschen, die ausnahmslos vorzüglich verkörpert werden.
31.5., ARD, 22.45 Uhr: "Dokumentarfilm im Ersten: Dieses bunte Deutschland"
Es wird viel über Flüchtlinge geredet, aber selber zu Wort kommen sie selten. Diese Langzeitdokumentation hat vier von ihnen ein Jahr lang mit der Kamera begleitet. Die Fremden werden weniger fremd, und am Ende wird deutlich, es geht schlicht um Menschen mit all ihren Macken und Liebenswürdigkeiten, Wünschen und Träumen. Da ist die Hausfrau aus Tschetschenien, die im brandenburgischen Groß Schönebeck von einer sicheren Zukunft träumt und durch ihre Arbeit im Dorfkindergarten nur ganz langsam das Vertrauen der Einheimischen gewinnt. Eine junge Studentin aus Syrien hat die Flucht auf die Schwäbische Alb verschlagen, in das Städtchen Leutkirch. Hier verfolgt sie mit schwäbisch-syrischer Zielstrebigkeit ihren großen Traum: ein Ingenieurstudium in Deutschland. Im sächsischen Pirna muss sich ein 17-jähriger Afghane behaupten, der Vater ist tot, die Mutter auf der Flucht verschollen. Zwischen Hass und Hilfsbereitschaft und mit Unterstützung seiner deutschen Ersatzmutter hofft er auf einen Ausbildungsplatz als Tischler. Und in Berlin kämpft ein Geschäftsmann aus Syrien darum, dass seine beiden kleinen Kinder aus dem Kriegsland zu ihm nachreisen dürfen; die Trennung von ihnen schmerzt, sein Glaube gibt dem Muslim Halt und Anschluss an einer Gemeinschaft. Dank des Internets gelingt es dem Syrer, neue Kontakte zu Deutschen zu knüpfen. Momentaufnahmen von vier Schicksalen, vier von einer Million. Ohne den Anspruch, repräsentativ zu sein. Ihre Geschichten werden mit einem ebenso präzisen wie nüchternen Blick erzählt. Interessiert und wohlwollend, aber ohne falsche Romantisierung.
Neben den vier geflüchteten Menschen geht es in dem Film auch um ihre deutschen Unterstützer: um die Pfarrersfrau in Brandenburg, die der Tschetschenin durch den deutschen Behördendschungel hilft; die neuen Freunde in Leutkirch, die der syrischen Studentin zur Seite stehen; die sächsische Ersatzmutter, die es nicht immer einfach mit "ihrem" jugendlichen Afghanen hat; und die Umzugsbekanntschaften des syrischen Vaters in Berlin. Wie begegnen sie den Fremden? Welche Missverständnisse gibt es? Wo kommen sie mit ihrer Hilfe an ihre Grenzen? Warum engagieren sie sich überhaupt für die Flüchtlinge? Im eklatanten Gegensatz zu diesen eher Mut machenden Geschichten steht die offene Fremdenfeindlichkeit, die sich auf der Strasse und völlig enthemmt in den sozialen Netzwerken entlädt. Im Film werden Hasskommentare aus Facebook, Twitter & Co den dokumentarischen Porträts gegenüber gestellt. Die Zitate lassen erahnen, wie sehr der Hass im Netz tobt und wie unversöhnlich beide Seiten sind: hier die Geflüchteten und ihre Unterstützer, dort die meist anonymen Hetzer an den Computertastaturen. "Dieses bunte Deutschland" liefert keine fertigen Antworten auf komplexe Fragen, sondern gibt einen sensiblen Einblick in das Leben von vier sehr unterschiedlichen Menschen, die nur eines gemeinsam haben, dass sie ihre Heimat verlassen mussten und nun einen mutigen Neubeginn wagen.
31.5., 3sat, 23.55 Uhr: "Mein fremder neuer Bruder"
Lennart ist 18 Jahre alt. Ein selbstbewusster Teenager, der sich gerade auf sein Abitur vorbereitet. Er ist meinungsstark, trägt Dreadlocks, hört Reggae- und Punk-Musik. Gemeinsam mit seiner Mutter Katrin und seinem Stiefvater Robert lebt er in einem großen Haus in Bremerhaven. Seit einem Jahr ist die Flüchtlingskrise in seiner Familie und bei seinen Freunden ein wichtiges Gesprächsthema. Lennart konfrontiert seine Eltern: "Wir diskutieren immer über die unmenschlichen Zustände der Flüchtlinge, haben so ein großes Haus, warum lassen wir dann nicht einen Flüchtling bei uns wohnen?" Die Familie entscheidet sich schließlich, den 15-jährigen Flüchtling Barzan aufzunehmen. Der syrische Junge ist schüchtern, kann anfangs weder Deutsch noch Englisch. Dennoch kommen sich Barzan, Lennart und seine Eltern schnell näher, werden vertrauter. Trotzdem bleibt der syrische Junge in Gedanken in seiner Heimat. Er vermisst seine Eltern, spricht immer wieder über seine Brüder und Freunde dort. Lennart erkennt, wie schwierig es ist, einen geflüchteten syrischen Jungen ohne seine Eltern in Deutschland zu integrieren. Dabei will Lennart es schaffen, für Barzan ein guter Bruder zu sein. Schließlich kehrt Lennarts Schwester von ihrem Auslandsjahr in die Familie zurück - eine schwierige Situation für den etwa gleichaltrigen Barzan. Nikolas Migut hat Lennart und Barzan ein halbes Jahr begleitet, der Film verfolgt die Entwicklung konsequent aus Lennarts Teenagerperspektive. Entstanden ist eine unaufgeregte und sehr persönliche Reportage über den schmalen Grat zwischen Gelingen und Scheitern bei der Integration eines Flüchtlingsjungen ohne Eltern. Lennart stellt dabei unangepasst ehrliche Fragen, beobachtet und kommentiert konsequent aus seiner Perspektive.
31.5., BR Fernsehen, 19.00 Uhr: "Stationen"
"Alle Menschen wollen glücklich sein" konstatierte der Philosoph Aristoteles bereits im 4. Jahrhundert vor Christus. Und auch im 21. Jahrhundert scheint sich eine ganze Industrie darauf spezialisiert zu haben, Menschen glücklich zu machen - von Glücksseminaren über Glückstrainings bis zu Glückskeksen. Im World Happiness Report liegt Deutschland immerhin auf Platz 16. Doch was bedeutet Glück überhaupt? Die große Liebe, der Traumjob, Reichtum und Schönheit - oder genügt zum Glücklich-Sein schon eine Blume auf der Wiese oder ein gutes Glas Wein? Das Team von "Stationen" macht sich auf die Suche nach dem Glück und fragt, warum so viele Menschen Stress auf sich nehmen, um das (vermeintliche) Glück zu finden. Der Titel der Reihe ist Programm: ob Stationen einer persönlichen Entwicklung oder Stationen des Kirchenjahrs, die Feste der Religionen oder Stationen des Lebens. Es wird gefragt, wie Menschen denken und glauben, Religion (mit) zu erleben und in einer komplexen Welt Orientierung zu finden ist das Ziel der Sendung.
31.5., SWR Fernsehen, 20.15 Uhr: "betrifft: Flüchtlinge - wie gelingt Integration?
Amare, Kazim und Raymond sind Flüchtlinge. Doch sie haben großes Glück gehabt. Die drei jungen Männer aus Somalia, Afghanistan und Nigeria sind auf dem besten Weg, sich in Schwäbisch Gmünd zu integrieren. Schule, Ausbildung, Arbeit, Vereine und soziales Engagement: Wie Integration funktioniert und gelingen kann, zeigen die drei auf unterschiedlichen Wegen. "betrifft" begleitet sie seit drei Jahren. Schwäbisch Gmünd im Ostalbkreis hat sich mit der erfolgreichen Integration von Flüchtlingen bundesweit einen Namen gemacht. Der sogenannte "Gmünder Weg" verspricht schnelle Integration in allen gesellschaftlichen Bereichen. Dahinter steckt Stadtoberhaupt Richard Arnold. Der Oberbürgermeister kämpft seit Jahren dafür, dass alle Flüchtlinge, die in seine Stadt kommen, Deutsch lernen, eine Ausbildung machen, Arbeit und gesellschaftlichen Anschluss finden. Amare, Kazim und Raymond haben den "Gmünder Integrationsweg" beispielhaft gemeistert. Sie verdienen ihr eigenes Geld, haben Freunde, sind in Vereinen und sogar politisch aktiv. Raymund aus Nigeria hat einen Hauptschulabschluss gemacht, ist im Jugendgemeinderat, bei der Feuerwehr und macht eine Ausbildung als Altenpflegehelfer. Reicht eine gelungene Integration, um in Deutschland Fuß zu fassen und bleiben zu können?
31.5., SWR Fernsehen, 21.00 Uhr: "Abschiebung - was passiert tatsächlich?"
Allen Erfolgsmeldungen der Politik über gestiegene Abschiebezahlen zum Trotz werden die meisten abgelehnten Asylbewerber nicht abgeschoben. Sie bleiben geduldet in Deutschland: ohne Arbeitserlaubnis und ohne Perspektive. Wie der Pakistaner Fahad Shareef, der sein Geld jahrelang als Küchenhilfe in einem Traditionslokal im Remstal verdiente. Wie seine Zukunft aussieht, ist ungewiss. Ähnlich ergeht es dem Kameruner Nao Kendo. Er wurde bereits einmal in sein Erstaufnahmeland Spanien abgeschoben, kam über die grüne Grenze nach Stuttgart zurück. Was werden die Behörden unternehmen? Auch Ibrahim Haddad, ein in Deutschland verurteilter ehemaliger Syrienkämpfer, wird nicht abgeschoben, obwohl sein Asylantrag abgelehnt wurde. Der Straftäter wurde gerade aus der Haft entlassen. Bei einer Abschiebung in den Libanon droht Gefahr für sein Leben, daher kann er erst einmal für unbestimmte Zeit in Stuttgart bleiben. Die Dokumentation zeigt die Wirklichkeit der Abschiebepraxis. Sie erzählt von Menschen, die in Deutschland zwar integriert, aber nicht anerkannt sind. Sie müssten abgeschoben werden, sind aber seit Jahren geduldet und wurden so zu Mitbürgern, die sie nach dem Gesetz nicht sein dürften. Sie berichtet auch über Straftäter, deren Abschiebungsbeschluss nicht vollzogen wird und die als potentielle Gefährder in Deutschland bleiben. "Abschiebung - was passiert tatsächlich?" - ein Kontrast zu den Verlautbarungen der Politik.
1.6., WDR Fernsehen, 22.40 Uhr: "Menschen hautnah: Als meine Mutter verschwand"
Autorin Britta Schoening erzählt in diesem Fall eine ungewöhnlich persönliche Geschichte: Als sie eineinhalb Jahre alt war, ging ihre Mutter auf den Weg während eines Urlaubs am Meer in den Wald und kam nie wieder. Die Mutter verschwand für immer. Jahrelang erzählte sie, ihre Mutter sei an Krebs gestorben. In Wahrheit aber war es Suizid. Ein Selbstmord - und Britta fragt nach dem Warum. Warum tötet sich eine junge Mutter und lässt ihre beiden kleinen Töchter und ihren Ehemann zurück? Und warum hat so lange niemand darüber gesprochen? Brittas Oma hatte ihr und ihrer Schwester einen Koffer voller Erinnerungen an die Mutter hinterlassen. Fast ein Jahrzehnt lang haben die jungen Frauen den Koffer nicht angerührt. Warum wurde der Koffer voller Erinnerungen solange nicht geöffnet? Das Familiengeheimnis nicht angetastet? Wer war diese Mutter eigentlich? Britta entscheidet schließlich, den Koffer aufzumachen. Die Reise in die Vergangenheit beginnt. Erst jetzt fängt sie an zu verstehen, wie sehr ihre Mutter damals litt und warum sie ihre Familie für immer verlassen hat. Nach fast drei Jahrzehnten lernt Britta ihre Mutter endlich kennen und stellt sich der Vergangenheit.
2.6., Arte, 20.15 Uhr: "Coconut Hero"
Manchmal kann eine gute Nachricht auch ziemlich schlecht sein; zum Beispiel, wenn man sich das Leben nehmen wollte und das gleißend helle Licht, das man kurz drauf erblickt, nicht etwa der Himmel ist, sondern die Beleuchtung im Krankenhaus. Vor diesem Hintergrund ist die anschließende schlechte Nachricht richtig gut: Mike (Alex Ozerov), der lebensmüde junge Held des Jugenddramas "Coconut Hero", hat die Folgen seines fehlgeschlagenen Selbstmordversuchs zwar gut überstanden, aber bei der Untersuchung des Schädels ist ein walnussgroßer Tumor entdeckt worden. Die notwendige Operation lehnt der Junge im Angesicht des unausweichlichen Todes gutgelaunt ab. Damit ist die morbid-makabre Geschichte von "Coconut Hero" im Wesentlichen erzählt, selbst wenn die geschilderten Ereignisse im Grunde nur den Prolog bilden. Trotzdem sind die restlichen achtzig Minuten keineswegs langweilig. Es folgen verschiedene locker miteinander verwobene Ereignisse, die abwechselnd skurril und tragikomisch sind; bis sich Mike, vom Jugendamt zu einer Therapie gezwungen, in die Tanztherapeutin Miranda (Bea Santos) verliebt. Die junge Frau und das überraschende Auftauchen seines deutschstämmigen Vaters (Sebastian Schipper) sorgen dafür, dass die vermeintlich letzten Tage von Mikes Dasein womöglich erfüllter sind als die Jahre zuvor. Der Vater hat die Familie vor Jahren verlassen und kehrt nun zurück, weil Mike eine Todesanzeige in eigener Sache aufgegeben hatte. Begebenheiten dieser Art sorgen für eine angenehme Stimmung melancholischer Heiterkeit; und dann schockiert das Drehbuch mit einem völlig unerwarteten Schicksalsschlag, der die gute Laune, die die subtile Tragikomödie bis dahin verbreitete, unbarmherzig zunichte macht. Zur Versöhnung gibt es ein zu Herzen gehendes Schlussbild, in dem der Himmel buchstäblich hallo sagt. Zuvor hatte Miranda Mike in einer zärtlich-traurigen Nachtszene am Himmel eine Sternformation gezeigt, die das Wort "Hello" bildet, aber Mike hatte nur "Hell" (Hölle) gesehen. "Coconut Hero" sieht aus wie ein fernab von Hollywood gedrehter unabhängig finanzierter amerikanischer Film, aber mit Ausnahme von Kameramann Brendan Steacy kommen alle wichtigen Stabmitglieder aus Deutschland: Regie führte Florian Cossen, das Drehbuch schrieb Elena von Saucken.