Verkörpert wird die rheinische Frohnatur von der Badenerin Anna Schudt, und die hatte mit Köster bislang allenfalls die Tatsache gemein, dass sie als gebürtige Konstanzerin quasi ebenfalls am Rhein aufgewachsen ist. Umso größer ist der Überraschungseffekt: Schudt hat sich die Rolle wie eine zweite Natur angeeignet. Das betrifft gar nicht mal so sehr die äußerliche Ähnlichkeit, auch wenn die Schauspielerin vor jedem Drehtag mehrere Stunden in der Maske zubringen musste. Viel verblüffender sind der Tonfall und die typische Sprachfärbung, zumal es in diesem Fall ja nicht genügte, sich ein fernsehtaugliches Calmund-Kölsch anzueignen. Schudt trifft Kösters unverwechselbare Sprechweise derart gut, dass man sich spätestens beim eingesprochenen Kommentar fragt, ob hier nicht doch das Original am Werk war.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Der Film hält sich zumindest bei der biografischen Ebene eng an das Buch, das Köster gemeinsam mit dem Kollegen Till Hoheneder verfasst hat. Die Anregung zur Verfilmung stammte zwar von ihrem Manager (im Film von Michael Schenk verkörpert), aber trotzdem musste Produzent Gunther Burghagen erst mal ihr Vertrauen gewinnen. Nachdem das geschafft war, hat sie das Projekt über mehrere Jahre hinweg in jeder Phase begleitet. Sie war zwar nicht direkt am Drehbuch (Gerd Lurz) beteiligt, aber ihr Einfluss war immerhin so groß, dass sie sich einen Credit für "kreative Beratung" verdient hat. "Ein Schnupfen hätte auch gereicht" beginnt wie ein klassisches Dokudrama mit Originalaufnahmen, die die phänomenale Fernsehkarriere der Komödiantin beleuchten. Das Leben auf der Überholspur endet jäh, als sie einen Schlaganfall erleidet. Natürlich macht sich das Drama den Kontrast zunutze: erst die TV-Auftritte und die Triumphe bei diversen Preisverleihungen, dann der Schock. Aber es ist kein Absturz aus heiterem Himmel. Köster wird zwar als Frohnatur eingeführt, die kurz vor Weihnachten 2007 mit den Kollegen Mike Krüger und Hugo Egon Balder herumblödelt und sich auf den Urlaub mit ihrem Sohn Donald (Moritz Bäckerling) freut, doch es gibt erste Warnzeichen: Ihr linker Arm macht nicht mehr richtig mit. Auf Ibiza findet sie das Ferienhaus verwüstet vor und muss erst mal Ordnung schaffen. Auch das ist dramaturgisch clever: Diese Frau ist keine verwöhnte Diva, sie packt mit an und ist ihrem Sohn eine liebevolle Mutter. Das hat nichts damit zu tun, dass RTL seinen Star in einem besonders guten Licht erscheinen lassen will, im Gegenteil: Im Krankenhaus kann von Frohnatur keine Rede mehr sein. Nun zeigt sich auch, warum für diese Rolle keine ausgewiesene Komödiantin nötig war: Die Patientin ist unleidlich, herrisch und voller Selbstmitleid. Als sie schließlich auch noch ihre hingebungsvoll bemühte Physiotherapeutin Jacky (Jasmin Schwiers) zutiefst kränkt, würden Sympathie- und Empathiewerte normalerweise den Nullpunkt erreichen, wäre da nicht hinter all der Verbitterung irgendwo die liebenswerte Gaby Köster aus dem Prolog verschüttet; und die gräbt der Film nun wieder aus.
"Ein Schnupfen hätte auch gereicht" (Regie: Christine Hartmann) ist eine Produktion von Zeitsprung Pictures, jenem Unternehmen, das dank großer und vielfach ausgezeichneter Werke wie "Das Wunder von Lengede", "Contergan" oder "Frau Böhm sagt nein" für herausragende Fernsehfilme steht. Das erklärt, warum das Drehbuch die Krankheitsgeschichte so ungeschönt erzählt; schon allein beim Geräusch der Knochensäge, als bei der Notoperation ein Teil der Schädeldecke entfernt wird, kann einem ganz anders werden. Zwischendurch kommt es zwar immer wieder mal zu witzigen Momenten, etwa wenn Köster Besuch von ihrer Freundin Hella von Sinnen bekommt und die beiden den Tina-Turner-Hit "GoldenEye" singen, aber ansonsten gibt es nicht viel zu lachen, weil der Film die Krankengeschichte dokumentiert: die Stippvisite im Zwischenreich, wo Gaby ihrem früh verstorbenen Vater (gespielt von ihrem Cousin Gerd Köster) begegnet; das Erwachen aus dem künstlichen Koma, als die Patientin zunächst bloß unartikulierte Laute von sich geben kann; das mühsame Unterfangen, die Kontrolle über ihren Körper wiederzuerlangen; die Frustration darüber, dass der linke Arm und das linke Bein zu nichts mehr zu gebrauchen sind; und schließlich die niederschmetternde Erkenntnis, dass die Karriere als Komödiantin, die landauf, landab die Hallen füllt, vorbei ist.
Gerade in diesen Szenen erreicht der Film eine weitere Qualitätsstufe: weil überhaupt nicht mehr wichtig ist, dass Anna Schudt eine der berühmtesten deutschen Komikerinnen spielt. Nun geht es nur noch um eine Frau, die sich nach einem Schicksschlag ins Leben zurückkämpft. Dazu passt auch das Ende: Erst schließt sich der Kreis zum Anfang, als es wieder eine Reihe von Ausschnitten mit der echten Gaby Köster gibt, diesmal bei ihrer Rückkehr ins Fernsehen, und Conchita Wursts Hymne "Rise Like A Phoenix" für viel Pathos sorgt. Anschließend informieren eingeblendete Sätze darüber, wie viele auch jüngere Menschen in Deutschland einen Schlaganfall erleiden (Köster war 46); die Macher möchten den Film als Dank an all jene verstanden wissen, die den Betroffenen beistehen. Das erklärt auch, warum die zweite Erzählebene mit der Physiotherapeutin so viel Platz bekommt, denn im Grunde ist dieser B-Strang unangemessen groß. Gerade Jackys Eheprobleme (als nichtsnutziger Ehemann: Oliver Wnuk) führen gelegentlich recht weit von der eigentlichen Geschichte weg; mit Kösters Buch haben sie ohnehin nichts zu tun. Offenbar wollten die Verantwortlichen eine zweite Identifikationsfigur, die näher am Publikum ist. Dass dieser Parallelstrang nicht zum unnötigen Ballast wird, liegt vor allem an Jasmin Schwiers. Sie hat in der RTL-Serie "Ritas Welt" einst Kösters Tochter gespielt und verkörpert die Therapeutin, die nach Feierabend kellnern muss und trotz Geldnot dem unmoralischen Angebot eines Paparazzos widersteht, als patente Alltagsheldin.
Und so ist "Ein Schnupfen hätte auch gereicht" nicht zuletzt ein Film, der all Jenen Mut macht, die ein ähnliches Schicksal wie Gaby Köster erlitten haben. Dafür sorgt nicht zuletzt der ebenfalls täuschend echt von Schudt gesprochene Kommentar, der die bitteren Ereignisse immer wieder mit grimmigem Sarkasmus konterkariert. In diesem Umfeld ist selbst die schlichte, aber trotzdem wahre Botschaft angebracht, die der Film im Prolog vermittelt: "Das Wichtigste im Leben ist doch, dass man das Lachen nie vergisst." Im Anschluss zeigt RTL eine "stern TV"-Dokumentation über Gaby Köster, "’Sonnig geht immer!’".