Erst das Vergnügen, dann die Arbeit: Wenige Tage nach der Eröffnung des Festjahres zu 500 Jahren Reformation trifft sich die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu ihrer Jahrestagung in Magdeburg. Vom 6. bis 9. November stehen kurz nach den ökumenisch geprägten Feiern am Reformationstag manch ernste Themen auf dem Programm - auch in Bezug auf das seit langem vorbereitete Jubiläum, das an den legendären Thesenanschlag Martin Luthers an die Schlosskirche zu Wittenberg erinnert, der sich im nächsten Jahr zum 500. Mal jährt.
So wird sich das Kirchenparlament einmal mehr mit dem Verhältnis zwischen Christen und Juden zu befassen haben. Vor einem Jahr hatten die 120 Synodalen einstimmig eine deutliche Distanzierung von Luthers judenfeindlichen Schriften beschlossen und "Trauer und Scham" bekundet ob eines "weitreichenden Versagens der Evangelischen Kirche gegenüber dem jüdischen Volk".
Knackpunkt: die bleibende Erwählung Israels
Gleichwohl heißt es in der Erklärung, dass der "Lernprozess der Kirchen bezüglich ihres schuldhaften Versagens gegenüber dem Judentum" bis heute nicht abgeschlossen sei. Und so war für die Synodenpräses Irmgard Schwaetzer klar, dass zum Reformationsjubiläum eine Erklärung zur Judenmission folgen soll, über die seit Jahrzehnten in der EKD gestritten wird.
Im April fand dazu hinter verschlossenen Türen ein Studientag der Synodalen statt. Der nun zur Synodentagung vorliegende Erklärungsentwurf enthalte "eine sehr klare Absage" an eine Judenmission, die mit dem Ziel des Übertritts zum Christentum betrieben wird, sagte Schwaetzer dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Als Christen ist es nicht unsere Aufgabe, Juden zum Heil zu führen, das tut Gott selbst", ist für die Vorsitzende des evangelischen Kirchenparlaments klar.
Neben dem geschichtlichen Argument, dass sich eine Mission unter Juden nach dem Holocaust grundsätzlich verbietet, geht es um theologische Fragen. Ein Knackpunkt ist die bleibende Erwählung Israels: die Überzeugung, dass die Juden das von Gott erwählte Volk bleiben, obwohl sie den Glauben an Jesus als Messias nicht angenommen haben.
Zwar spricht sich in der EKD eine Mehrheit gegen die Mission von Juden aus, evangelikale Gruppen unter anderem in Württemberg indes vertreten abweichende Meinungen, so dass eine einheitliche Position beim Blick auf die 20 Landeskirchen in Deutschland bislang nicht erkennbar war. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erwartet nun von der Synode ein "unmissverständliches Signal der Abkehr" von der Judenmission.
Studie über Populismus in den Gemeinden
Neben der Klärung dieses theologischen Streitthemas hat sich die Synode einen Schwerpunkt vorgenommen, der breiten Raum für Positionierungen zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Fragen lässt: "Europa in Solidarität". Die widersprüchliche EU-Flüchtlingspolitik und der wachsende Rechtspopulismus waren in den zurückliegenden Monaten für den EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm und andere leitende Geistliche immer wieder Anlass für mahnende Worte.
Aus Sicht der ehemaligen FDP-Bundesministerin Schwaetzer sind diese Wortmeldungen konsequent, denn den Kirchen könne der Zustand der Demokratie nicht egal sein: "Die Rechtsstaatlichkeit in Europa ist auch eine Garantie dafür, dass wir unseren Verkündungsauftrag erfüllen können in einer pluralen und stärker säkularen Gesellschaft."
Doch die evangelische Kirche will den Blick auch in die eigenen Reihen richten. Wie Schwaetzer am Mittwoch in Berlin ankündigte, werden der Synode die Ergebnisse einer qualitativen Studie vorgestellt, die die Anfälligkeit evangelischer Kirchengemeinden für populistische Tendenzen unter die Lupe genommen hat. "Die Widerstandsfähigkeit ist dort am größten, wo lebendiger persönlicher Glaube und gelebte Mitmenschlichkeit prägend sind", sagte Schwaetzer. Gemeinden, in denen Tabus nicht offen angesprochen werden, seien dagegen gefährdet.