Zu Hause sterben: Wunsch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander

Zu Hause sterben: Wunsch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander
Es ist nicht überraschend, dass die Mehrheit der Deutschen am liebsten zu Hause sein würde, wenn es ans Sterben geht. Erstaunlich ist aber doch, dass das Gesundheitswesen dies nicht ermöglicht. Drei Viertel sterben in Heimen und Klinken.
19.10.2016
epd
Von Bettina Markmeyer (epd)

Berlin (epd). Zu Hause und nicht einsam zu sterben - es kann wohl kaum etwas Menschlicheres geben, als sich das zu wünschen. Wunsch und Wirklichkeit klaffen aber in Deutschland weit auseinander. Dem aktuellen DAK-Pflegereport zufolge, der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde, sterben drei Viertel der Menschen in Krankenhäusern und Heimen, obwohl sich die Mehrheit wünscht, zu Hause zu bleiben. Laut Pflegereport ist im Krankenhaus jeder Fünfte, im Heim sogar jeder dritte alte Mensch beim Sterben allein.

Die Familie, die sie dort begleitet, bereut das später häufig. Laut DAK-Report sagen gut ein Drittel der Angehörigen, ihr Verstorbener hätte nicht im Krankenhaus sein sollen, knapp ein Drittel, er hätte nicht im Pflegeheim sterben sollen. Als häufigsten Grund geben sie an, der Verstorbene habe sich dort nicht wohlgefühlt. Knapp die Hälfte hat gesehen, dass ihr Angehöriger zu oft allein war.

Hospize werden gut bewertet

Es wäre besser gewesen, den Sterbenden zu Hause zu versorgen, meinen die meisten, die sich einen anderen Ort gewünscht hätten. Nur die Hospize kommen gut weg. 90 Prozent der Angehörigen sind auch hinterher mit der Begleitung ihres Verstorbenen zufrieden.

Das Sterben in der Klinik kostet die Krankenkassen rund zehnmal so viel wie ein Patient, der zu Hause stirbt. Darauf machte der Vorstandsvorsitzende der DAK, Herbert Rebscher, aufmerksam. Es sei also auch aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll, die Krankenhausaufenthalte am Lebensende zu minimieren, sagte er. Viele seien vermeidbar, wenn es den Hausärzten gelinge, eine gute Versorgung mit Krankenpflege und möglicherweise auch Palliativversorgung - also der schmerzlindernden Begleitung - zu organisieren.

Das Krankenhaus sei die letzte Lösung, wenn die Angehörigen überfordert sind oder Hausärzte fehlen, bilanzierte der Leiter der Studie und Chef des Instituts AGP Sozialforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg, Thomas Klie. Er bemängelte, dass zu wenig getan werde, um Pflegebedürftige weiter zu Hause zu versorgen. Es müssten die Anreize erhöht werden, Krankenhausaufenthalte zu vermeiden.

Der Report zeigt auch, dass pflegende Angehörige gute Erfahrungen mit der Begleitung Sterbender machen und sich viel zutrauen, wenn sie unterstützt werden. Jeder Zweite wünscht sich neben fachlicher Unterstützung ehrenamtliche Helfer an seiner Seite. Gute Erfahrungen kehren die Verhältnisse um: Während sich nur ein Drittel der Bevölkerung insgesamt zutraut, einen Sterbenden bis zu dessen Tod zu pflegen, sind es unter den pflegenden Angehörigen zwei Drittel.

Keine angemessene Sterbebegleitung

Für den DAK-Pflegereport über die Erwartungen der Deutschen an ein würdevolles Ende des Lebens führte das Allensbach-Institut eine repräsentative Befragung durch. Außerdem wurden Einzelinterviews mit pflegenden Angehörigen und Versichertendaten ausgewertet. Die DAK ist mit 5,9 Millionen Versicherten eine der großen Krankenkassen in Deutschland.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht in dem Report einen weiteren Beleg dafür, dass Pflegebedürftige in Heimen keine angemessene Sterbebegleitung erhalten. Das neue Palliativgesetz gebe darauf keine Antwort, kritisierte Vorstand Eugen Brysch. Dem Report zufolge gaben nur zwei Prozent der Befragten an, in einem Pflegeheim sterben zu wollen und vier Prozent im Krankenhaus. 19 Prozent wissen nicht, wo sie sein wollen, wenn sie sterben müssen. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass eine wachsende Zahl alter Menschen allein lebt.