Freikirchen: Die Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker)

Freikirchen: Die Religiöse Gesellschaft der Freunde, Quäker
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Freikirchen: Die Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker)
Inneres Licht, Stille Andacht und radikale Friedensethik: Die Quäker sind eine Religionsgemeinschaft mit christlichem Ursprung, in der es um Gotteserfahrung und Glauben im Alltag geht. Ein Hintergrund im Rahmen unserer Serie "Was glaubt ihr? evangelisch.de besucht Freikirchen".

Der junge Engländer George Fox (1624-91), ein christlicher Schuhmacherlehrling, verließ sein Elternhaus mit 19 Jahren auf der Suche nach Spiritualität. Die Christen seiner Zeit, so fand er, lebten nicht entsprechend der Lehre der Kirche. In seinem Suchen nach echtem Glauben hatte Fox 1647 eine Audition, er hörte eine Stimme sagen: "Es gibt einen, und zwar Jesus Christus, der zu deiner Gemütsverfassung sprechen kann." Von nun an versuchte Fox, anderen seine Auffassung von ursprünglichem Christentum mitzuteilen, das er wiederentdeckt zu haben glaubte. Dabei ging es ihm um die Beziehung zwischen Mensch und Gott. Der erste Quäker-Theologe Robert Barclay (1648-80) schreibt in seinem Buch "An Apology for the True Christian Divinity" von der "immediate revelation", der unmittelbaren Offenbarung Gottes im Herzen eines Menschen. Sie sei wie eine innere Erleuchtung ("inward illumination") durch den Heiligen Geist (Johannes 1,9).

"Es ist in erster Linie eine Religionsgemeinschaft"

Der Name der Religionsgemeinschaft lautet offiziell "Religious Society of Friends (Quakers)", auf deutsch "Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker)". Der Name kommt vom englischen "to quake", zittern, weil zu Fox' Zeiten gesagt wurde, sie zitterten in ihrem religiösen Eifer. Obwohl es anfangs ein Spottname war, übernahmen ihn die Quäker parallel zu ihrem Begriff "Freund" oder "Freundin", den sie aus dem Johannesevangelium entnahmen (Johannes 15,14). Wer Mitglied werden will, stellt einen schriftlichen Antrag und wird zu einem Gespräch eingeladen; Doppelmitgliedschaften sind möglich; wer an Quäker-Treffen teilnehmen, aber nicht beitreten will, ist als "Freund/Freundin der Freunde" willkommen.

Bei den Quäkern gibt es keine Bekenntnisschriften und keine Dogmen, keine Pfarrer und keine Sakramente im Sinne von äußerlichen Zeremonien. Im Mittelpunkt des spirituellen Lebens steht die Stille Andacht, die sonntags gefeiert wird und meistens eine Stunde dauert. Ganz ohne Bibelwort, Gesang oder Liturgie sitzen die Freundinnen und Freunde schweigend im Kreis, warten und öffnen sich gemeinsam der göttlichen Offenbarung. "Es gibt keine festen Regeln, was in einer Andacht passieren soll. Das soll jeder selbst erleben und für sich erfahren", sagt der Berliner Historiker und Quäker Claus Bernet. Wer in der Andacht einen Gedanken laut mitteilen will, darf das tun, ohne dass die Äußerung kommentiert oder diskutiert wird.

Die Bibel ist für Quäker wichtig, doch "die Freunde weigern sich, die Bibel zum endgültigen Kriterium für die richtige Lebensgestaltung und die wahre Lehre zu machen", heißt es in der Broschüre "Quäker heute in Deutschland und Österreich". Die Offenbarung Gottes beschränkt sich für Quäker eben nicht auf die Vergangenheit, sondern ist in der Gegenwart erfahrbar. Sie sehen sich als eine Gemeinschaft von Suchenden, nicht als Verteidiger festgeschriebener Wahrheiten. Dementsprechend gibt es bei den Freunden eine große Bandbreite von Überzeugungen von liberal bis konservativ, von pietistisch bis humanistisch. Auf die Frage, ob Quäker Christen sind, geben die Freunde unterschiedliche Antworten. Claus Bernet sagt: "Es ist in erster Linie eine Religionsgemeinschaft, wobei auch Menschen mit einem anderen religiösen Hintergrund sofort in der Lage sind, an einer Quäkerandacht teilzunehmen." Die Missionierung Andersgläubiger liegt den Quäkern fern.

Freundinnen und Freunde fühlen sich mit ihrem Handeln direkt vor Gott verantwortlich. Im Mittelpunkt der Quäker-Ethik stehen die Zeugnisse der Einfachheit, der Wahrhaftigkeit, der Gleichwertigkeit und des Friedens, wobei "Zeugnis" bedeutet, nach der inneren Überzeugung zu leben. Quäker sein sei "das Erleben von Alltag in einer religiösen Deutung – aber sehr individuell", fasst Claus Bernet zusammen. Quäker lehnen Krieg, Kriegsdienst und Aufrüstung entschieden ab. Ihre radikale Friedensethik führte im 20. Jahrhundert zur Gründung von Quäkerbüros bei der Europäischen Union in Brüssel und bei den Vereinten Nationen in Genf und New York, um dort pazifistische Positionen einzubringen. Auch Hilfsarbeit gehört zum Selbstverständnis der Quäker: Für ihre Schulspeisungen nach beiden Weltkriegen in Deutschland bekamen die amerikanischen und britischen Hilfsdienste der Quäker 1947 den Friedensnobelpreis. Die deutschen Freunde gründeten 1963 den Verein Quäker-Hilfe.

In Deutschland gab es Quäkergruppen schon im 17. Jahrhundert, doch sie fielen religiöser Verfolgung zum Opfer. Erst um 1790 wurde eine Gruppe in Bad Pyrmont geduldet, wo das bis heute einzige Quäkerhaus steht. 1925 schlossen sich die deutschen Gruppen zur "Deutschen Jahresversammlung" zusammen, 1938 kamen die österreichischen dazu. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 260 Freundinnen und Freunde, die größte Gruppe in Berlin hat etwa 25 Mitglieder. Finanziert wird die Arbeit durch freiwillige Beiträge. In der "Ordnung des Zusammenlebens" sind vor allem die organisatorischen Angelegenheiten der deutschen Quäker zusammengefasst.

Die Religiöse Gesellschaft der Freunde gehört mit Beobachterstatus zur Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), auf regionaler Ebene zum Teil mit Gaststatus. Den globalen Zusammenschluss bildet seit 1937 das Beratende Weltkomitee der Freunde (Friend's World Committee for Consultation (FWCC). Weltweit gibt es laut dem FWCC rund 380.000 Quäker (Stand 2012), gut die Hälfte davon in Afrika und mehr als ein Drittel in Amerika.