Waffen liefern ist die schlechteste Option

Illustration: evangelisch.de/Simone Sass
Waffen liefern ist die schlechteste Option
Das Bundeskabinett sitzt heute zusammen, um zu entscheiden, welche Waffen Deutschland in den Irak liefern soll. Dabei sind Waffenlieferungen die denkbar schlechteste Option, den Konflikt in Irak zu beenden oder das Leid der Menschen auf der Flucht zu mindern.

Die USA hatten 2003 keinen Plan, wie sie den eroberten Irak wieder aufbauen wollten. Die militärische Planung war perfekt, die zivile existierte nicht. Der Eroberungszug der IS durch das Zweistromland ist ein Ergebnis dieser fehlenden Pläne. Jetzt ziehen die IS-Milizionäre mordend und plündernd bis an die Türkei.

Wer sie dauerhaft stoppen will, kann sich nicht darauf beschränken, ein paar Container Waffen an der türkisch-irakischen Grenze abzustellen und sich zu Hause die Hände in Unschuld zu waschen.

Entweder man mischt sich in den Konflikt ein oder man konzentriert sich auf die Minderung des Leids der Betroffenen. Andernfalls riskiert die Weltgemeinschaft im Irak einen weiteren schwelenden Bürgerkrieg, wie in Afghanistan, wie in Syrien, wie zwischen Nord- und Süd-Sudan, der durch Waffenlieferungen und gelegentliche Luftangriffe aus dem Westen endlos weiter angeheizt wird.

Für ein Eingreifen muss ein UN-Mandat her

Wenn der Westen, die Golfstaaten oder die UN die vertriebenen Kurden, Jesiden und anderen Iraker ernsthaft vor der IS schützen wollen, müssen sie militärisch eingreifen und gleichzeitig mit der türkischen Regierung, der irakischen Regierung, den Kurden, Schiiten und Sunniten einen Plan zum Wiederaufbau der irakischen Gesellschaft und Wirtschaft schmieden. Das kann ein paar Jahrzehnte dauern und ein paar Dutzend Milliarden Euro kosten. Außerdem würden vermutlich Soldaten aus den westlichen Ländern sterben, vielleicht auch aus Deutschland. Aber es wäre ein Weg, die Schutzverantwortung gegenüber den Opfern der IS wahrzunehmen.

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Immerhin zeichnet sich die Terror-Miliz dadurch aus, dass sie der internationalen Gemeinschaft ein klares Feindbild bietet. Anders als gegen Bashar al-Assad, der in Syrien Regierungschef eines souveränen Staates war, stünde dem direkten Einsatz von Nato- oder UN-Soldaten gegen die IS nichts im Weg, wenn die irakische Regierung um Hilfe bittet.

Das ist die Linie, die Bundespräsident Joachim Gauck meinte, als er forderte, Deutschland müsse mehr Verantwortung im Ausland übernehmen und den "äußersten Fall", nämlich den Einsatz der Bundeswehr, nicht kategorisch ablehnen.

Auch die Landesbischöfe Heinrich Bedford-Strohm und Markus Dröge ebenso wie der ehemalige Militärbischof Martin Dutzmann haben sich für einen Militäreinsatz mit UN-Mandat zum Schutz der Bevölkerung im Irak ausgesprochen. Ebenso der Friedensbeauftragte der EKD, Renke Brahms, der Waffenlieferungen ablehnt, aber einen UN-Einsatz und ein Engagement der Nachbarstaaten des Iraks einfordert.

Das wäre konsequent: Die IS militärisch besiegen und gleichzeitig - anders als die USA 2003 - einen Plan für den erfolgreichen, terrorismusfreien Wiederaufbau mit den Partnern in der Region umsetzen. Ob das klappt, daran darf man aber zu Recht zweifeln. Denn bis auf das Beispiel Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg hat diese Variante bisher nirgendwo funktioniert. Nicht in Korea, nicht in Vietnam, nicht in Afghanistan 1979/80 oder 2001 und nicht in Irak 1990 oder 2003.

Oder wir halten uns daran, keine offensiven Auslandseinsätze der Bundeswehr mit undefinierten Zielen, nicht absehbarem Ende und unberechenbaren Kosten zu unterstützen. Europa, Amerika und die Golfstaaten könnten stattdessen UN-Blauhelme zum Schutz von Hilfsmissionen an der türkischen Grenze stationieren, die Unterstützer der IS mit Sanktionen belegen, ein paar Milliarden Euro für das UNHCR und andere Hilfsorganisationen zur Verfügung stellen und den Kriegsflüchtlingen eine neue Heimat in den Golfstaaten und der EU anbieten. Der Irak würde dann sich selbst überlassen, so wie Syrien dieser Tage auch.

Keinen Stellvertreterkrieg anfeuern

In beiden Fällen braucht es eine gemeinsame Anstrengung der internationalen Staatengemeinschaft und eine ehrliche Verpflichtung auf die Aufgabe, welche es denn auch immer sei.

Den Konflikt aber mit Waffenlieferungen anzuheizen und die Kurden einen Stellvertreterkrieg gegen die Al-Kaida-unterstützte IS-Miliz führen zu lassen, widerspricht sowohl allen Lehren aus der Geschichte als auch den Grundsätzen der deutschen Politik.

Noch im März bestätigte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen, die „Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" aus dem Jahr 2000 gälten noch immer. Darin heißt es:

"5. Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht genehmigt in Länder,
- die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht,
- in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden."

Das war der Grund, warum die Bundesregierung strikt keine Waffen nach Syrien liefern wollte. Was die Situation im Irak nun grundsätzlich anders macht, ist schwer erkennbar. Denn dass der Konflikt durch Waffenlieferungen "aufrechterhalten oder verschärft" wird, ist erheblich wahrscheinlicher, als dass er dadurch beendet wird.