Kirchen fordern entschlossenen Einsatz gegen IS-Terror

Flüchtlinge im Nordirak
Foto: dpa/Christian Aid Program CAPNI
Flüchtlinge im Nordirak
Kirchen fordern entschlossenen Einsatz gegen IS-Terror
Während die USA mit ersten Luftangriffen auf IS-Stellungen im Irak beginnen, sind Hunderttausende Menschen auf der Flucht vor den Terroristen. Hilfsorganisationen befürchten das Schlimmste.

Angesichts der Gewalt im Nordirak fordern Hilfswerke und Kirchenvertreter einen entschlossenen Einsatz der internationalen Gemeinschaft. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die katholische Deutsche Bischofskonferenz forderten die Bundesregierung am Freitag auf, sich für den Schutz der von der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) bedrohten Bevölkerungsgruppen einzusetzen. Das Auswärtige Amt richtete einen Krisenstab ein. Papst Franziskus schickt einen Sondergesandten zu den verfolgten Christen im Irak.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, ermutigte die Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel, sich mit "allen Mitteln der Diplomatie" für den Schutz der Zivilbevölkerung im Nordirak einzusetzen.

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Von der brutalen Gewalt der IS-Milizen sind über eine halbe Million Menschen im Nordirak auf der Flucht, darunter bis zu 100.000 Christen. Die radikal-sunnitische Terrorgruppe verfolgt vor allem Christen, Schiiten und Jesiden, aber auch moderate Sunniten. Die katholische Organisation "Kirche in Not" warnte vor einem Völkermord, sollte der Vormarsch der IS nicht gestoppt werden. Zigtausende Jesiden harren derzeit von der Außenwelt abgeschlossen im Sindschar-Gebirge aus. Sie benötigen dringend Lebensmittel und Wasser.

Am Freitagnachmittag begannen die USA mit ersten Luftangriffen auf Stellungen der IS. Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm hatte sich zuvor "sehr erleichtert" über die angekündigte Intervention der USA im Nordirak gezeigt. Aus seiner Sicht sei die "Notwendigkeit polizeiähnlichen Eingreifens zum Schutz unmittelbar von massenhafter Tötung bedrohter Menschen gegeben", schrieb der Theologe auf seiner Facebook-Seite.

Papst benennt Sondergesandten

Papst Franziskus entsandte den Präfekt der vatikanischen Evangelisierungskongegration, Kardinal Fernando Filoni, in den Irak. Die Ernennung des persönlichen Gesandten sei ein Zeichen der Anteilnahme des Kirchenoberhaupts am Leiden der Bevölkerung, teilte der Vatikan mit. Filoni vertrat den Heiligen Stuhl zwischen 2001 und 2006 als Apostolischer Nuntius im Irak. Als einziger ausländischer Diplomat blieb er während des damaligen Irak-Kriegs in Bagdad.

Die Deutsche Bischofskonferenz forderte die Bundesregierung auf, Druck auf Länder auszuüben, die IS mit Waffen und Geld unterstützen. Der Diözesanrat der syrisch-orthodoxen Kirche in Deutschland überwies 15.000 Euro Soforthilfe in den Irak.

Hunderttausende auf der Flucht

Hilfsorganisationen warnten vor einem weiteren Vormarsch von IS-Kämpfern nach Kurdistan. Das Leid der Zivilbevölkerung im Nordirak habe mittlerweile katastrophale Ausmaße angenommen, betonte Rita Szekely, die die Projekte der Diakonie Katastrophenhilfe im Irak koordiniert. "800.000 Iraker sind vertrieben worden - in einer Region, in der ohnehin schon 230.000 Syrer Zuflucht gefunden haben", sagte sie. Ihnen drohe nun die erneute Vertreibung. Caritas International kündigte an, im Nordirak trotz erschwerter Bedingungen präsent bleiben zu wollen.

###mehr-links###Unterdessen sprachen sich Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und die Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach (beide CDU) dafür aus, mehr irakischen Christen in Deutschland Asyl zu gewähren. Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, forderte, deutlich mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Dabei dürfe aber nicht zwischen Christen und Nichtchristen unterschieden werden, betonte sie.

Laut Bundesinnenministerium haben Organisationen wie das UN-Flüchtlingshilfswerk noch keinen Bedarf für Gruppenaufnahmen verfolgter Minderheiten angemeldet. Bei Christen, Jesiden und Mandäern aus dem Irak gehe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von Schutzbedarf aus.

Die Bundesregierung stellte 2,9 Millionen Euro für die Bewältigung des Flüchtlingsdramas zur Verfügung. Weitere Hilfen seien möglich, hieß es. Die Ermordung, systematische Vertreibung oder Zwangskonversion von Christen, Jesiden und anderen religiösen Minderheiten durch die Terroristen bedeute eine "neue Dimension des Schreckens", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Das jüngste Vorgehen von IS zeige, wie hochgefährlich dieses Gruppe für Frieden und Stabilität in der gesamten Region seien. Zu den US-Luftschlägen nahm er zunächst nicht Stellung.

USA bombardieren IS-Extremisten

Gut zweieinhalb Jahre nach dem erklärten Ende des Irak-Kriegs haben die USA mit Luftangriffen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat im Norden des Landes begonnen. Flugzeuge hätten Artilleriegeschütze von IS-Extremisten angegriffen, teilte Pentagonsprecher John Kirby am Freitag mit. Die Geschütze seien verwendet worden, um kurdische Kräfte nahe der Stadt Erbil anzugreifen. Auch US-Soldaten hätten sich in der Nähe befunden. Zugleich verstärkten kurdische und irakische Einheiten ihre Angriffe auf die Dschihadisten. Ob Luftangriffe aber der richtige Weg sind, um die Terrormiliz zu stoppen, ist nicht unumstritten.

"Die Luftangriffe der USA sind in der jetzigen Situation nicht der richtige Weg. Dabei drohen auch unschuldige Zivilisten zu sterben", sagte die Bundestagsabgeordnete der Fraktion die Linke, Ulla Jelpke. "Es ist zu befürchten, dass sich die IS-Terroristen in bewohnten Gebieten unter die Bevölkerung mischen werden. Deshalb sollten erst einmal alle anderen Mittel ausgeschöpft werden", sagte Maria Haarmann, die Nahost-Referentin des katholischen Hilfswerks Misereor.

Hilfsgüter über Nordirak abgeworfen

Die Entscheidung zum Angriff sei nach der Ermächtigung des Oberbefehlshabers der US-Streitkräfte, Präsident Barack Obama, gefallen. Dieser hatte die Luftschläge am späten Donnerstagabend zum Schutz amerikanischer Militärs und bedrohter Minderheiten im Nordirak genehmigt. Bei seiner Ansprache im Weißen Haus hatte er zugleich einen Hilfseinsatz für die tausenden Flüchtlinge im Nordirak angekündigt.

"Wie der Präsident klargemacht hat, wird das Militär der Vereinigten Staaten weiterhin direkte Maßnahmen gegen IS ergreifen, wenn sie unser Personal und unsere Einrichtungen bedrohen", teilte das Pentagon mit. Das Militär habe "grünes Licht", um bei einer Bedrohung der Flüchtlinge weitere Angriffe zu starten, berichtete CNN.

Stunden zuvor hatten drei US-Frachtflugzeuge und zwei Kampfjets 8.000 Fertigmahlzeiten und 20.000 Liter Wasser über dem Sindschar-Gebirge im Nordirak abgeworfen. Damit sollte den tausenden Jesiden und Christen, die sich aus Angst vor Verfolgung und Gewalt vor den sunnitischen Extremisten verstecken, geholfen werden. Auch Großbritannien schickte Flugzeuge, um Lebensmittel abzuwerfen.

Spendenkonten:

Caritas International: IBAN: DE88 6602 0500 0202 0202 02, BIC: BFSWDE33KRL, Stichwort: "Nothilfe Irak", Online-Spende: http://u.epd.de/6kc

Diakonie Katastrophenhilfe: IBAN: DE26210602370000502502, BIC: GENODEF1EDG, Stichwort: "Irak", Online-Spende: http://u.epd.de/563