Göttliche Autoren und idealer Kuchen

Göttliche Autoren und idealer Kuchen

Die Bibel ist Gottes Wort. Darin sind sich wohl so ziemlich alle Christen einig. Doch was das bedeutet – da kommen sie dann zu verschiedenen Ergebnissen. Hat Gott den Autoren der Bibel wörtlich diktiert, was sie schreiben sollten? Hat er ihnen eher nur den groben Inhalt vermittelt, den sie dann in eigene Worte fassten?

Gerade in der Zeit der Aufklärung wurde die Inspiration der biblischen Texte immer stärker in Zweifel gezogen. Der berühmte Theologe Friedrich Schleiermacher prägte dann den Begriff der „Personalinspiration“. Typisch Rückzugschristen: Wenn ich eine Position nicht mehr halten kann, dann relativiere ich sie eben, statt sie ganz aufzugeben. Nun ist halt nicht mehr das Wort der Bibel inspiriert, auch nicht der Inhalt des Geschriebenen – nur noch der Autor selbst ist voll von Gottes Geist.

 

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Genialer Gedanke, könnte man sagen: Denn diese Überlegung ist nahezu unanfechtbar. Schließlich können wir die Autoren nicht mehr fragen. Ob sie wirklich von Gottes Geist erfüllt waren, kann niemand mehr nachprüfen – sie sind nicht so greifbar wie die Texte, die sie hinterlassen haben. Nur ein kleiner Teil ihrer Gedankenwelt ist uns überliefert – eben das, was sie aufgeschrieben haben. Ob Gottes Geist wirklich in ihnen wirkte, das kann keine Wissenschaft der Welt mehr beweisen oder widerlegen. Klasse Situation.

 

Außerdem kann man ja auf diese Weise noch viel besser erklären, warum manche Texte der Bibel zu widersprüchlichen Aussagen kommen. Logisch: Nicht alle Gedanken des Schreibers sind inspiriert. Er schreibt in eine bestimmte Zeit hinein, und manches, was ihm vielleicht wirklich wichtig, sinnvoll, geradezu „göttlich“ vorkam, ist für uns heute, zwei- bis dreitausend Jahre später, völlig unverständlich.

Im letzten Abschnitt der Serie hatten wir die „Realinspirierten“ mit Bäckern verglichen, die versuchen, das Rezept einen Kuchens zu ergründen. Die Personalinspiration gleicht dann vielleicht noch am ehesten einer Gruppe von Bäckern, die eine Vorstellung davon haben, wie der „ideale Kuchen“ aussehen und schmecken sollte. Ihre „Inspiration“ besteht darin, dass sie einfach die besten Bäcker der Welt sind. Sie haben eine Menge Ahnung vom Bäckerhandwerk und verfeinern ihr Rezept immer weiter. Aber es gibt keinen wirklichen Kuchen, den sie dafür als Vorbild haben. Der ideale Kuchen, auf den sie hinarbeiten, das ist gewissermaßen Gott. Der eine verwendet dafür Backpulver, der andere Natron. Der eine streut Puderzucker drüber, der andere macht eine Glasur – welches ist richtig? Welches ist näher dran am „idealen Kuchen“?

Ist das nicht ein bisschen dünn, um die Bibel so zu begründen? Die Bibel als „Gottes Wort“, weil ihre Autoren in irgend einer Weise „be-geistert“ waren? Ja, finde ich auch. Wenn die ganze Bibel ausschließlich aus dem besteht, was gottesfürchtige Menschen sich vor Jahrtausenden zusammengesponnen haben, ist mir das zu wenig. Und treten nicht gerade auch die Schreiber gegenüber der Schrift in der Bibel ganz deutlich zurück? Von vielen wissen wir nicht einmal die Namen. Da muss es doch mehr geben als diese Personalinspiration – doch wie sieht es aus?

Natürlich hat sich der Gedanke der Personalinspiration weiterentwickelt seit der Zeit Friedrich Schleiermachers, seit Romantik und Aufklärung. Selbst unter „geisterfüllt“ oder „inspiriert“ verstehen wir heute etwas ganz anderes als die Romantiker. Für uns ist Gott stärker ein Gegenüber, nicht ein „vergöttlichter Menschengeist“, der in uns wirksam wird.

Und dann kommt ja noch der große Bruch, der durch die Aufklärung vorbereitet wurde, aber trotzdem erst viel später kam: Die historisch-kritische Methode. Eigentlich würde sie am ehesten in diesen Abschnitt „Personalinspiration“ passen, doch dieses komplexe Thema sollten wir lieber in einem eigenen Abschnitt beleuchten. Mehr dazu also nächste Woche. 

Zum nächsten Teil: Hysterisch-Kritische Nusskuchen