Donnerstag, 11. Juni 2015
Das Zentrum von Rom: Männer in korrekt sitzenden Anzügen und gut gebügelten Hemden, Frauen in leichten Sommerblusen kommen mir auf der Straße entgegen. Dazwischen Touristen mit Stadtplänen in den Händen und Fotoapparaten um den Hals, die an antiken Säulen und kleinen Piazzen vorbei schlendern.
Hier atmet jeder Stein Geschichte. Italien - schon für Johann Wolfgang von Goethe war Italien ein Sehnsuchtsort. Ein Sehnsuchtsort für viele Flüchtlinge ist Europa. Aber in der Innenstadt sind sie nicht erkennbar. Als seien sie nicht da.
Heute habe ich mit einer jungen Frau gesprochen, die für "Brot für die Welt" arbeitet. In Sizilien hat sie einen Ort besucht, an dem permanent neue Flüchtlingsboote anlanden. Der Bürgermeister des Dorfes erzählte ihr, dass am Morgen 400 Menschen vor der Tür gestanden haben. Die Aufnahmeeinrichtung hat aber nur Platz für etwas halb so viele von ihnen. Einige Stunden später kam dann noch eine neue Gruppe von Flüchtlingen an. Sie erzählte, wie beeindruckt sie war, mit welcher Gastfreundlichkeit die Einheimischen auf die Flüchtlinge zugehen. Sie zog daraus einen Schluss, der mir sehr sympathisch ist: Wir müssen uns berühren lassen von der Not und so reagieren, wie es unser erstes Gefühl uns vermittelt. Menschlichkeit braucht kein fertiges politisches Konzept.