Die Praxis der Landeskirche von Kurhessen-Waldeck beim Thema Taufzeuginnen und Taufzeugen

Taufzeuge  bespricht Taufurkunde mit Kind
© epd-bild/Hans Scherhaufer
Das Gebiet der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck ist eine der Regionen, in denen es neben Taufpatinnen und Taufpaten auch Taufzeuginnen und Taufzeugen gibt. Warum ist das so - und wie wird das Ganze gehandhabt?

Seit einigen Jahren belastet die Frage nach den Patinnen und Paten zunehmend die Taufsituation. Immer weniger Menschen sind Mitglied einer Kirche. Eltern suchen und finden einerseits keine Kirchenmitglieder in ihrem näheren familialen Kontext und insofern keine möglichen Pat:innen. Andererseits haben sie aber in ihrem Umfeld Verwandte, Freundinnen und Vertraute, denen sie gerne die dem Patenamt innewohnende Wertschätzung und Verantwortung übergeben möchten.

Hier stehen sich kirchliche und familiale Sicht auf das Patenamt gegenüber – manchmal wird deswegen sogar auf die Taufe verzichtet. Wo die Kirche das nicht provozieren will, handelt sie meist aus zwei verschiedenen Sichtweisen heraus:

  • Die eine denkt mit guten Gründen eher zulassend von dem her, dass Patenamt und Kirchenmitgliedschaft in eins gesehen werden. Dann wäre das Patenamt mindestens ein symbolischer Ausdruck der Zustimmung zur Kirche samt der Taufe. In dieser Sichtweise fällt die Vorstellung schwer, dass jemand als Pat:in die christliche Gemeinschaft der Getauften im Sinne der Kirche vorleben soll, der/die dieser Gemeinschaft nicht angehören will.
  • Die andere Seite denkt mit guten Gründen eher einladend auf das hin, dass Kirchenmitgliedschaft eine Folge des Patenamtes sein kann. Dann wäre das Patenamt mindestens ein symbolischer Ausdruck, der Taufe des Getauften in der Kirche an sich zuzustimmen und sich verantwortlich einer Begleitung des Täuflings zu widmen.

In beiden Sichtweisen steht das Vertrauen, dass Pat:innen ihrer Verantwortung im Sinne der Kirche und der Eltern bzw. des Täuflings nachkommen. In beiden Sichtweisen kann das Herz „aussprechen“, was sonst eher nicht gesehen wird: Ein/e Pat:in ist manchmal Kirchenmitglied und mit der Kirche zwar formal - aber inhaltlich kaum verbunden. Demgegenüber ist oder wird ein/e Pat:in, die kein Kirchenmitglied und mit der Kirche formal nicht verbunden ist, trotzdem manchmal inhaltlich mit der Botschaft Christi vertraut. Wer weiß, was wird?

Die Praxis in der EKKW

Beide Sichtweisen werden in der eher ländlichen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck (mit wenig größeren Städten und einigen Mittelzentren) alltagstauglich gelebt. In der einen Region, in der es noch gewisse „volkskirchliche“ Strukturen gibt, wird eher konsequent zulassend agiert. Die Entbindung von Patenamt und Kirchenmitgliedschaft wird aber eher mit Sorge betrachtet. In der anderen Region, in der „säkulare“ Strukturen eher maßgeblich sind und sich Pat:innen nur schwer finden lassen, wird schon seit Jahren eher konsequent einladend gedacht und die familiale Auswahl der Pat:innen mehr betont als die Kirchenmitgliedschaft. Hier wird eher eine Verbindung neu konstruiert.  In diese spannungsvolle Lage hinein versucht die Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck eine integrierende Regelung und Praxis:

  • Im Zusammenhang mit der neuen „Taufagende“ (das sind inhaltliche und sprachliche Vorlagen zum Ablauf eines Taufgottesdiensts) werden Pat:innen und Taufzeug:innen bewusst und differenziert bedacht, sprachlich einbezogen und zur Teilnahme ermutigt.
  • Damit werden die Unterschiede und Positionen zu Glaube-Taufe-Kirche der hinter diesem Amt und dieser Aufgabe stehenden Menschen integrierend zum Ausdruck gebracht.
  • Vielleicht gelingt die Vielfalt, weil es zugleich eine Einigkeit im Blick auf den Täufling geben könnte, die so lauten kann:

Es ist für einen lebenslangen Taufweg ein Segen, wenn von einem bzw. für einen Täufling (stellvertretend) ausgewählte Menschen ihn/sie auf ihrem Lebens- und Glaubensweg verlässlich begleiten.

Die kurhessische Idee und Praxis durchbricht das Muster von Regelung und Zulassung. Eine Nichtkirchlichkeit wird nicht als Manko, sondern als Impuls zu einer inhaltlichen Stärkung der Taufpraxis verstanden. Mit der Idee „Taufzeug:in“ besteht die Möglichkeit und der Anreiz, Konfessionslose, Menschen anderer Religionen in spezifischer Weise an der Taufe zu beteiligen. So wie die Trauzeug:innen im Traugottesdienst beteiligt werden, werden auch die Taufzeug:innen eingebunden:

  • ins Taufgespräch, um dort über deren Mitwirkung ins Gespräch zu kommen
  • bei der Fürbitte, um sich mit der Familie segnen lassen
  • und um besonders bei der Taufe ein Versprechen abzugeben, das aus der Perspektive der Taufzeug:innen entweder deutlich den Gottesbezug beinhaltet oder an dieser Stelle bewusst darauf verzichtet:

„Liebe Eltern, liebe Patinnen und Paten, liebe Taufzeuginnen und Taufzeugen, ihr wollt, dass N.N. / euer Kind getauft wird. Damit übernehmt ihr die Aufgabe, mit eurem Kind im christlichen Glauben zu leben und ihm durch Wort und Beispiel zu helfen, Gott und die Menschen [, sich selbst und die Schöpfung] zu lieben. Seid ihr dazu bereit? So antwortet: Ja [, mit Gottes Hilfe].“

oder:

„Wir freuen uns, dass N.N. geboren ist. Wir wollen ihm/ihr gute Freunde/Freundinnen sein, die da sind, wenn er/sie uns braucht. Wir hoffen unser Leben gelingt. Wir wollen liebevoll miteinander umgehen, hilfsbereit und mutig handeln, für den Frieden eintreten, die Rechte von Menschen und Natur achten. Wir alle sind angewiesen auf Schutz und Hilfe, auf gute Worte und auf Kräfte, die größer sind als wir selbst. Darum versprechen wir euch, N.N. und N.N. (Namen der Eltern), gute Wegbegleiter zu sein für euer Kind."

(aus: Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck (Hg.), Die Taufe. Agende III,1, Kassel 2022. www.ekkw.de/)

Autoren

Lars Hillebold

Axel Sauerwein

Lars Hillebold wurde als Kind 1972 in Kassel getauft, ist Pfarrer, Leiter des Referats Gottesdienst und Theologie sowie Vorsitzender der Liturgischen Kammer der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck und Buchautor, vor allem von Büchern zu Gottesdiensten, Predigt und Kasualien.