Meine Eltern haben meine Patentante gewählt, um ihr einen Gefallen zu tun. Sie war auch in jüngeren Jahren schon eine alte Jungfer, die sich durch linkisch-vornehmes Verhalten auszeichnete. Ich sollte sie hin und wieder mit einem Blumenstrauß besuchen. Dann saßen wir steif auf Stühlen und sie suchte nach Fragen, die mich zum Erzählen bringen könnten. Ab meinem siebten Lebensjahr schenkte sie mir zu jedem Geburtstag ein Messer und eine Gabel. Echt silbern. Vor meinem zwölften Geburtstag nahm ich all meinen Mut zusammen und sagte ihr, dass ich mit diesem Besteck leider gar nichts anfangen könne. Damit war nicht nur dieses rituelle Geschenk abgebrochen. Es ist heute übrigens mein liebstes Alltagsbesteck – und es macht überhaupt nichts, dass es inzwischen sogar aus weniger als zehn Teilen besteht.
Aus dieser eigenen Erfahrung leite ich ab: Taufpaten sollten nichts erwarten von ihren Patenkindern. Wenn es gut passt, verstärken sie die Intentionen der Eltern im Sinne einer liebevollen Ergänzung. Das heißt, sie schaffen mit den Kindern Erlebnisse, die die Eltern nicht sowieso jeden zweiten Sonntag ermöglichen. Sie legen etwas, was das Patenkind interessieren könnte, auf die andere Seite der Familien-Wippe.
Sich selbst schenken - und einen Engel aus Seife
Wenn zum Beispiel Eltern auf möglichst naturnahes Spielzeug achten, kann es sinnvoll sein, als Pate eine bunte Plastik-Quietscheente zu schenken. Und natürlich umgekehrt. So ein Geschenk hat dann nichts Respektloses, wenn man sich mit den Eltern verständigt - auf die Ausnahme im Sinne der Ergänzung. Dies gilt besonders im Angesicht von Kinderzimmern, die von Spielsachen überlaufen. Was tun, wenn man das Gefühl hat: Mein Patenkind hat doch schon alles? Dann ruhig einfach mal nichts schenken, 'nur' sich selbst für ein paar Stunden. Und vielleicht einen Engel aus Seife.
Liebe Paten, schafft euch Erlebnisse mit euren Patenkindern. Markiert euch den Tauftag fest in eurem Kalender – es kann gut sein, dass in der Familie niemand daran denkt, nur ihr. Schon das ist dann etwas Besonderes. Versucht, euch am oder um den Tauftag herum etwas Zeit freizuschaufeln. Schenkt euren Patenkindern mit dieser Zeit auch eure volle Aufmerksamkeit.
Vielleicht ein Patenschatzbuch machen?
Und wenn ihr etwas Materielles schenken wollt: schenkt ihnen "was Echtes". Echtes Werkzeug, eine Pflanze im Blumentopf oder eine echte Pflanzschaufel zum Buddeln zum Beispiel. Und dann geht ihr mit ihnen in den Wald und stecht mit ihnen die Schaufel in den Waldboden und betrachtet mit ihnen, was da krabbelt und sich schlängelt. Lauscht mit ihnen auf den Wind in den Bäumen. Unterstützt sie beim Erforschen von Gottes Schöpfung. Fragt mit ihnen, was der Regenwurm frisst und wo denn Vögel eigentlich schlafen. Wenn ihr es wisst, deckt ihre Fragen nicht gleich mit eurem Wissen zu. Findet mit ihnen Fragen nach dem Woher und Wohin – die auch für euch offen sind. Manchmal finden sie dazu sehr erstaunliche Antworten. Die notiert – wenn ihr könnt – zu Hause in einem "goldenen Buch". Zwei Fotos und vielleicht eine gefundene Feder von dem Ausflug dazu – vielleicht auch eine Postkarte... Und so füllt sich euer Buch, bis ihr es zur Konfirmation oder auch erst zum 18. Tauftag als euer "Patenschatzbuch" überreichen könnt. Dafür braucht es nichts Vorgefertigtes.
Gute Geschenke sind auch Material, mit dem etwas entstehen kann: Pappe, Papprollen, Schere und Kleber zum Beispiel. Und jetzt besteht die Kunst darin, es den Kindern nicht einfach zu überlassen nach dem Motto: "Mach was damit" - sondern sich darauf einzulassen, etwas gemeinsam zu bauen: ein Haus, eine Kirche, eine Landschaft. Nein, das wird sicher nichts Perfektes. Die Miniatur der Playmobilwelt ist nicht zu toppen. Aber es wird - krumm und schief und verklebt - euer eigenes gemeinsames Werk! Und sei es nur für diese Stunde, in der es entsteht...
Kultur entdecken
Die Ablenkungsgefahr ist übrigens kleiner, wenn dies in euren Räumen geschieht. Das ist für die Kinder etwa ab Schulalter interessant. Wer gerne backt: Auf diese Weise, das heißt im gemeinsamen Tun, können nicht nur in der Adventszeit auch wunderbare, einmalige Lebkuchenhäuser entstehen. Dafür gibt es Vorlagen und wunderbare Rezepte – aber mit Süßigkeiten bekleben können es die Kinder dann nach eigenem Gusto.
Sodann macht euer Patenkind mit unserer vielfältigen Kultur vertraut. Es gibt nicht nur Weihnachtsmärchen für Kinder im Theater. Es gibt – vor allem in den Großstädten – wunderbare Kindertheater, die das ganze Jahr über interessante Stücke zeigen. Und wenn die nächste Stadt mit Kindertheater oder einem guten Kino 100 Kilometer entfernt liegt, nehmt euch einen Sonntag Zeit, fahrt vielleicht sogar mit öffentlichen Verkehrsmitteln dorthin. Bei der Planung achtet zunächst auf kleinere Rahmen: ein Puppentheater, ein kleines Kinder-Musical. Oder auch ein Maltag für Kinder im Museum. In der Richtung gibt es sehr gute Angebote von MuseumspädagogInnen. Die findet man im Internet. Kakao und Kuchen, Limo und Pommes runden die Unternehmung ab.
Es geht bei der Patenschaft im Wesentlichen um Beziehung
Aber keine Angst, es muss nicht immer so etwas Besonderes sein. Ein Nachmittag, ja schon zwei gemeinsame Stunden auf einem schönen Spielplatz sind auch schon wunderbar. Vorausgesetzt, Ihr lasst euch darauf ein, euch nicht an den Rand zu setzen, sondern mitzuspielen. Und es kommt gut, wenn ihr dann – nach Absprache mit den Eltern – eine geliebte Süßigkeit oder auch Erdnüsschen aus der Jackentasche ziehen könnt.
Es geht bei der Patenschaft im Wesentlichen um Beziehung. Um Begegnung mit Interesse an ihrer Entwicklung und Neugierde, welche Art Beziehung zwischen euch entstehen kann. Anfänglich natürlich in Gegenwart der Eltern oder einem Elternteil, späterhin aber auch mit dem Patenkind allein.
Guter Kontakt zu den Eltern ist wichtig
Es ist gut, sich Zeit zu nehmen, wenn euer Patenkind etwas vorzeigt: Ein Vorspiel im Kindergarten, in der Schule oder im Weihnachtsgottesdienst. Dafür muss man den Eltern möglichst von Anfang an das eigene Interesse signalisieren, damit man auch dazu eingeladen wird. Überhaupt ist ein guter Kontakt mit den Eltern wichtig. Dazu gehört, sich einfach hin und wieder mal bei ihnen zu melden, sich mitzufreuen über Entwicklungsschritte. Und in Momenten der Krise, die es ja in jeder Familie gibt, ein Ohr zu leihen und lösungsorientiert mitzudenken.
Wenn euer Patenkind über 10 Jahre alt ist, lasst euch auf das Abenteuer eines ganzen gemeinsamen Wochenendes ein. Eine Übernachtung in der Jugendherberge kann auch eine gut herausfordernde Erfahrung für die Paten sein, ein Ausflug in ein Fußballstadion oder ins Völkerkundemuseum. Man achte auf das ODER: also bitte nicht zu viel Programm vornehmen, damit Zeit bleibt zum Trödeln, zum Nichtstun und für das Spaghetti-Eis in der Eisdiele. Sehr besonders: ein Wochenende Zelten auf einem schönen Zeltplatz in der Nähe von einem Badesee oder in Strandnähe. Schwimmen und Burgen bauen. Oder Steine zu kleinen Türmen aufschichten und gemeinsam nachsinnen, woher die Steine wohl kommen. Dabei gerne auch fantasieren. Darauf achten: es geht nicht darum, Wissen abzufragen. Und es geht auch nicht darum, Wissen zu vermitteln. Es kann so schön sein, Fragen zu finden, denen man gemeinsam nachspüren kann. Sehr gut eignen sich dafür auch Besuche in Museen, die sich in kindgerechter Weise mit den Phänomenen der Welt auseinandersetzen. So ein Paten-Wochenende kann auch ein willkommenes Geschenk sein für die Eltern: einmal kinderfrei - wunderbar!
Und wie ist das dann mit Gott?
Und liebe Paten, bei all dem für ein paar Stunden das Handy auf stumm stellen und in der Tasche stecken lassen. Nicht, weil man nicht auch mal gemeinsam surfen könnte – das kann auch Spaß machen, besonders wenn man etwas Bestimmtes herausbekommen möchte. Oder man möchte einen Moment fotografisch festhalten. Aber die Hauptsache ist: sich für eine kleine Weile möglichst ungeteilt mit ganzer Person zu widmen. Und: Keine Angst vor Langeweile! Aber natürlich kann es sinnvoll sein, einen Fußball dabei zu haben oder ein Fadenspiel oder eben Material, mit dem man etwas bauen kann. Einen Drachen zum Beispiel. Oder einen Papierflieger, der gut fliegen kann. Oder man lässt sich gemütlich miteinander nieder und liest etwas vor.
Und wie ist das dann mit Gott – oder: Was hat es auf sich mit der "christlichen Begleitung", zu der man sich als Taufpate bereit erklärt hat? Auch da bedarf es keiner besonderen Anstrengung, denn Gott ist immer schon dazwischen. Er begleitet euch beim Staunen über Wunder der Schöpfung, bei der Frage, warum ein Fußballstar betet vor dem Anpfiff, bei Fragen, woher wir kommen und ob Opa Martin eigentlich jetzt im Himmel wohnt oder wo sonst... Sinnvoll ist es hierbei, die religiösen Vorstellungen der Kinder zu achten und nicht zu blockieren. Niemand muss "für die Kinder" falsch Zeugnis ablegen, also sich zu etwas bekennen, woran er oder sie nicht glaubt. Aber man sollte diese Fragen möglichst offen halten. Niemand hat Gott gesehen, aber viele haben schon wahrgenommen, dass sie einen Schutzengel an ihrer Seite haben. Und Engel können sehr verschieden aussehen... Und sie können göttliche Botschaften übermitteln. In aller Regel stärkt es Kinder, wenn sie glauben dürfen und wenn ihr Glaube im Gespräch Nahrung erhält.
Zeit und Aufmerksamkeit füreinander!
Natürlich kann, wer mag, seinem Patenkind eine schöne Kinderbibel schenken. Oder eines der wunderbaren Bilderbücher, die sich mit christlichen Lebensthemen befassen. Auch hierbei ist es sinnvoll, auf Ergänzung zu achten, damit das Patenkind anderes kennenlernen kann, als es sowieso schon kennt. Besonders wird ein solches Geschenk aber dann, wenn man sich die Zeit nimmt zum gemeinsamen Betrachten und Vorlesen. So bleibt es dabei: Das wesentliche Geschenk für Patenkinder am und um den Tauftag herum und überhaupt ist: Zeit und Aufmerksamkeit füreinander!
Autoren
Angelika Hüffell
Angelika Hüffell ist Religions- und Theaterpädagogin aus Hamburg.