Kinder entscheiden lassen?

Ein Mädchen sitzt auf dem Boden und liest in der Bibel.
Foto: Getty Images/Steve Debenport
Die Hintergründe der Taufe
Ursula Ott ist Chefredakteurin des Magazins chrismon. In ihrer Kolumne "Erledigt - Frau Otts endgültige Ablage" greift sie regelmäßig Themen auf, die ihrer Ansicht nach eigentlich nicht mehr diskutiert werden müssen. So hat sie sich auch der Frage angenommen, ob man Kinder taufen lassen sollte, oder ob man sie nicht lieber später selbst entscheiden lassen sollte. Ihre Ansicht ist eindeutig. Für Frau Ott ist das Thema "erledigt". Viel Vergnügen beim Lesen!

Ein Vater sagte mir neulich auf die Frage, ob seine Kinder getauft sind, das müssten die später selber entscheiden. Er meinte also: Nein. Aber das "Nein" sagte er nicht, er druckste mehr so rum.

Ich werde bei chrismon nicht für die Mitgliederwerbung bezahlt, ehrlich. Aber ich finde diesen Satz seltsam. Ich habe mal überlegt, was wir Eltern für unsere Kinder schon alles entschieden haben – aus dem schlichten Grund, dass wir schon ein bisschen länger auf diesem Planeten sind. Manches entscheiden einfach die Großen. Wir haben ihnen mäßig originelle Vornamen ge­geben, sie gegen Tetanus und Polio impfen ­lassen, sie in einen katholischen Kindergarten gebracht, später in eine linksalternative Bau­wagensiedlung und ein Gymnasium mit Musikzweig und Antirassismus-AG. Wir haben ihnen die Haare kurz geschnitten, wir wohnen mitten in der Großstadt, nicht auf dem gesunden Land. Alles Entscheidungen, wo sie wenig bis gar nicht mitreden konnten, wie bei der Taufe. All das hat sie zweifellos geprägt.

Keiner ist ein besonders engagierter Protestant ge­worden. Einer arbeitet derzeit in einer Schule in Afrika, wo es – ohne mütterliches Zutun – bei der Bewerbung zumindest hilfreich war, dass er getauft ist, sur­prise, die meisten Hilfsprojekte haben kirchliche Träger. Der andere verkündete in der Pubertät, dass er die Existenz Gottes für einen großen Mythos hält und die Kirche für ihn als Tierschützer und Vegetarier ohnehin viel zu lasch sei. Das trug ihm an der Schule gegen Rassismus eine Eins in Religion ein, was Spott in der Familie auslöste, aber auch sehr protestantisch war. Der Zweifel gehört zum Glauben – aber wie soll man an ­etwas zweifeln, das man gar nicht kennt?

Deshalb bin ich relativ sicher, dass sie mir später mal die langweiligen Vornamen vorwerfen werden oder die peinliche Frisur auf den Kinderfotos. Über die Taufe werden sie sich nicht beschweren, und aus der Kirche können sie austreten. Aber sie wissen dann, woraus.

Autoren

Ursula Ott

Foto: chrismon

Ursula Ott ist Chefredakteurin von chrismon, davor war sie Kolumnistin bei der Brigitte, der Woche und der Emma. Sie lebt in einer Patchworkfamilie und hat ein Dutzend Bücher geschrieben, meist über Liebe, Familie und Kinder.