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Jüdisches Leben nach dem 7. Oktober
"Wir leben und arbeiten seit einem Jahr im absoluten Ausnahmezustand"
Wie hat sich das jüdische Leben in Deutschland seit dem 7. Oktober 2023 verändert?
Marina Chernivsky: Für viele Menschen in der jüdischen Community war es ein Jahr der Trauer. Der 7. Oktober ist inzwischen ein Datum mit großer zeitgeschichtlicher Bedeutung für die jüdische Gemeinschaft weltweit. Viele Jüdinnen und Juden in Deutschland haben familiären Bezug nach Israel und stehen mit Menschen vor Ort in engem Austausch. In Israel finden fast jeden Tag Begräbnisse statt und es gibt dauernd weitere Anschläge. In der Diaspora ist nun klar geworden, wie fragil jüdisches Leben ist. Das Gefühl der Verwundbarkeit und der Bedarf an Schutz sind keine Erinnerungen, die der Vergangenheit angehören, sondern Teil der Gegenwart. Antisemitische Gewalt gab es auch schon vor dem 7. Oktober, aber durch die Ereignisse um den 7. Oktober verdichteten sich die Quantität und Qualität der Übergriffe: auf Straßen, im Klassenzimmer und in den Hörsälen, bei der Arbeit, im Bus und in Taxis. 2023 wurde seit Beginn der zivilgesellschaftlichen Dokumentation antisemitischer Vorfälle allein in den ersten Monaten nach dem Massaker der Höchststand verzeichnet.
Wie geht die jüdische Community in Deutschland mit dem um, was in Israel passiert?