Die Ökumene in Deutschland ist wetterfest

Die Ökumene in Deutschland ist wetterfest
"Sonne der Gerechtigkeit" im Nieselregen: Mit einem fröhlichen Festgottesdienst auf der Münchner Theresienwiese ist am Sonntag der 2. Ökumenische Kirchentag (ÖKT) zu Ende gegangen.
16.05.2010
Von Bernd Buchner

Grau war der Himmel über der Theresienwiese, so grau wie die riesigen Kirchentagstransparente auf der Bühne – doch selbst der hartnäckige Nieselregen konnte die 100.000 Besucher des ÖKT-Schlussgottesdienstes nicht davon abhalten, zum Abschluss des europaweit größten Christentreffens ein fröhliches Fest zu feiern. "Wir durften hier in München abwechslungsreiche und anregende Tage ökumenischer Verbundenheit erleben", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch.

Bei der Schlussfeier legten Zollitsch sowie der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider, die methodistische Bischöfin Rosemarie Wenner sowie der griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos das Tagesevangelium aus, den Lobpreis Mariens aus dem Lukasevangelium. Diesem Text war auch das Motto des live in der ARD übertragenen Gottesdienstes entnommen: "Meine Seele preist die Größe des Herrn". Musikalische und pantomimische Elemente sorgten für den Rahmen – trotz widriger äußerer Bedingungen eine ausnehmend stimmungsvolle Angelegenheit und ein würdiger Abschluss des Kirchentags.

130.000 Dauerteilnehmer

"Ein großes ökumenisches Ereignis geht zu Ende", sagte der katholische ÖKT-Präsident Alois Glück. Seit Mittwoch hatten sich mehr als 130.000 Dauergäste in der bayerischen Landeshauptstadt versammelt, um über aktuelle politische, gesellschaftliche und kirchliche Fragen zu diskutieren – nicht zuletzt auch über die Probleme im Miteinander der Konfessionen. Die um sich greifende Finanzkrise war ebenso einer der Schwerpunkte wie die Debatte über sexuellen Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen. Bundespräsident Horst Köhler und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kamen nach München. Zu den "Stars" des Treffens zählte auch die zurückgetretene Bischöfin Margot Käßmann.

Zum Abschluss rief Käßmanns Nachfolger an der EKD-Spitze, Präses Schneider, die Gläubigen zu einem wesentlich entschiedeneren Eintreten für eine gerechte Welt auf. Er kritisierte eine gewisse Lauheit der bürgerlichen Gesellschaft, die von friedlicher Veränderung träume, statt auf eine "Umkehrung aller Verhältnisse" hinzuwirken. Auch der evangelische ÖKT-Präsident Eckhard Nagel prangerte die "unrealistischen Wachstumsversprechen" an und forderte unter großem Beifall der Gottesdienstbesucher: "Wir brauchen ein Wachstum an Mitmenschlichkeit, an Rücksichtnahme und Achtsamkeit."

Vertrauenskrise durch Missbrauch

Nagel rief die Christen zudem zu einer missionarischen Perspektive auf. "Der Kirchentag zeigt: Kirchen müssen auf die Menschen zugehen", sagte er. Die ÖKT-Besucher sollten die Begeisterung für den Glauben mit nach Hause, in die Gemeinden und in den Alltag nehmen. Von einer "schweren Vertrauenskrise" sprach Glück angesichts der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. "Wir leiden an unserer Kirche, aber sie ist weiter unsere Kirche. Wir gehen nicht weg." Die katholischen Laien, so der CSU-Politiker, wollten ihren Beitrag leisten, "damit aus dieser Krise eine neue Lebendigkeit, eine neue Strahlkraft, eine neue Anziehungskraft wächst".

Mit Blick auf ökumenische Kernfragen wie das Abendmahl zeigte sich Nagel begeistert über die sogenannte Artoklasia, zu der die orthodoxe Kirche am Freitagabend auf dem Münchner Odeonsplatz eingeladen hatte. Durch das gemeinsame "Brotbrechen" habe die Ökumene in Deutschland ein neues Gesicht bekommen. Glück mahnte erneut mutigere Schritte an: "Insbesondere denke ich an die konfessionsverbindenden Ehen." Dort litten viele Menschen schmerzlich daran, dass sie keine Eucharistiegemeinschaft hätten. "Wir brauchen hier dringend eine Lösung", sagte der katholische ÖKT-Präsident unter großem Beifall der Besucher.

Blau, nicht grau

"Damit ihr Hoffnung habt" lautete das Motto des Ökumenischen Kirchentags. Die Hoffnungen der Veranstalter und Teilnehmer wurden zu einem guten Teil erfüllt. "Die Ökumene in Deutschland ist wetterfest", sagte Glück zur Erheiterung der Gottesdienstbesucher. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es im Jahr 2017, wenn die reformatorischen Kirchen 500 Jahre Thesenanschlag feiern, einen 3. Ökumenischen Kirchentag geben. Beim verregneten Münchner Schlussgottesdienst wurde es erst am Schluss ein wenig heller, und man konnte erkennen, dass die Transparente auf der Bühne nicht grau waren, sondern blau. Wenn auch ein blasses Blau.