Wann er das erste Mal auf einem deutschen Kirchentag war, daran kann Mike sich gar nicht mehr genau erinnern. Es muss wohl der Katholikentag in Düsseldorf 1982 gewesen sein, zu dem der protestantische Pfarrer mit seiner damaligen Liverpooler Gemeinde gereist ist. 28 Jahre und viele Kirchentage später sitzt der 70-jährige Brite mit dem jungenhaften Lachen im Café des International Visitor Services auf dem Münchner Messegelände und plaudert mit alten Kirchentagsbekannten, die er gerade getroffen hat.
3.700 Kirchentagsbesuchern aus dem Ausland
"Es ist schade, dass es in Großbritannien nichts gibt, das mit einem deutschen Kirchentag vergleichbar wäre", bedauert er. Zum 2. Ökumenischen Kirchentag ist er mit Gläubigen aus Hereford gereist. Die Diözese liegt knapp 100 Kilometer südwestlich von Birmingham, die seit den 80er Jahren eine Partnerschaft mit dem Kirchenkreis Nürnberg unterhält. Mike hat zum Kirchentag eine Veranstaltung zu unterschiedlichen Erinnerungskulturen an den Zweiten Weltkrieg in Deutschland und Großbritannien mitorganisiert.
Der Brite gehört zu den knapp 3.700 Kirchentagsbesuchern aus dem Ausland. Die Briten stellen darunter die viertgrößte Gruppe, hinter der Schweiz, Österreich und Polen und vor Ungarn. Aus 92 Ländern haben sich Menschen auf den Weg nach München gemacht, aus Europa, aber auch aus Afrika, Asien, Nord- und Südamerika.
Internationales Café vermittelt Dolmetscher
Vor dem internationalen Café, das am Osteingang des Messegeländes eigens für die weitgereisten Gläubigen reserviert ist, steht Bianca hinter einem Informationstresen. "Je weiter weg die Länder, aus denen die Besucher kommen, desto größer ihr Hilfebedarf", erklärt die ehrenamtliche Helferin. Nachdem die organisatorischen Fragen um Anreise und Unterkunft am Mittwochabend fast erledigt sind, geht es ab Donnerstag darum, den Besuchern ehrenamtliche "Flüsterdolmetscher" zu vermitteln. Die begleiten sie bei Bedarf zu Veranstaltungen und übersetzen simultan.
Vielleicht werden auch Jonathan, Mary und Machira so einen Dolmetscher in Anspruch nehmen. Die drei Afrikaner sitzen neben dem Info-Tresen erschöpft in dunklen Ledersesseln. Sie gehören zur Gruppe der rund 170 kenianischen Besucher und sind durch ein internationales Kirchentagsnetzwerk nach München gekommen. Er wünsche sich eine bessere Zusammenarbeit der christlichen Kirchen weltweit, erklärt der 62-jährige Machira, Pfarrer einer kenianischen Pfingstgemeinde. Man glaube schließlich an denselben Gott und verfolge dasselbe Ziel, nämlich das Evangelium zu verbreiten. Gemeinsam könne man das noch viel besser leisten.
"Das ist gelebte Ökumene"
Auch Bärbel ist für Gemeinsamkeit. Die gebürtige Deutsche lebt seit 46 Jahren in Großbritannien und ist Laienpredigerin in der deutschen evangelischen Kirche in Manchester. Da es in Manchester keine katholische Gemeinde mehr gebe, kämen auch die katholischen Deutschen zu ihrem Gottesdienst und nähmen sogar am Abendmahl teil, erklärt die 66-Jährige: "Das ist gelebte Ökumene!" Vom Kirchentag möchte die pensionierte Lehrerin neue Denkanstöße in ihre britische Gemeinde mitnehmen. "Früher oder später gehen einer Auslandsgemeinde sonst die spirituellen Ressourcen aus", sagt sie.
Ansonsten stehen auf ihrem persönlichen Kirchentagsprogramm Vorträge von Margot Käßmann, Jürgen Moltmann, Hans Küng und Jörg Zink. Bärbel bedauert, dass aus ihrer Gemeinde keine Jugendlichen mitkommen konnten, da Christi Himmelfahrt in Großbritannien kein Feiertag und deshalb nicht schulfrei sei.
Eselsohren markieren interessante Veranstaltungen
Mit einem Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau hat die Studentengruppe von der theologischen Fakultät in Budapest ihren Ökumenischen Kirchentag begonnen. Die neun Studenten und ihre Begleiter wohnen in Gastfamilien in Dachau. "Es ist schön, deutsche Familien kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen, sagt die 38-jährige reformiert-calvinistische Religionslehrerin Emese. Sie ist zum fünften Mal auf einem deutschen Kirchentag. Eifrig blättern sie und die Studenten am Café-Tisch durch das dicke Programmbuch und markieren interessante Veranstaltungen mit Eselsohren.
"Ich werde mir Bibelarbeiten und Vorlesungen anhören und zu Theateraufführungen gehen", erzählt Emese. Auch sie möchte interessante Ideen mit zurück in ihre ungarische Gemeinde nehmen. Und sie wolle lernen, wie man eine so große Veranstaltung wie den Münchner Kirchentag organisiert.