"Eine Kultur der Transparenz hat sich nicht durchgesetzt"

"Eine Kultur der Transparenz hat sich nicht durchgesetzt"
Manfred Redelfs ist Recherchechef von Greenpeace Deutschland. Im Interview berichtet er wie schwer es ist, von Behörden heikle Informationen zu erhalten.
06.05.2010
Die Fragen stellte Henrik Schmitz

Herr Redelfs, seit zwei Jahren ist nun das Verbraucherinformationsgesetz in Kraft. Zudem gibt es viele weitere Auskunftsrechte, von denen Bürger in Deutschland Gebrauch machen können. Wir bewerten Sie die Informationsfreiheit hierzulande?

Manfred Redelfs: Zunächst einmal sehe ich die Vielzahl der Gesetze kritisch. Es gibt inzwischen 29 verschiedene Gesetze in Deutschland, die Informationszugang regeln. Der Bürger weiß doch gar nicht, worauf er sich berufen soll. Wir brauchen also dringend eine Vereinfachung und Zusammenführung der Gesetze.

Sie kritisieren zudem die restriktive Handhabung der Gesetze durch die Behörden.

Redelfs: Eine Kultur der Transparenz hat sich bislang noch nicht durchgesetzt. Die Behörden neigen bei für sie heiklen Anfragen dazu, Auskunftsanfragen zunächst einmal abzulehnen. Der Ball liegt dann bei den Gerichten, die im Zweifelsfall entscheiden müssen, ob ein Auskunftsanspruch berechtigt war oder nicht. Die Behörden schieben also die Verantwortung von sich. Das ist menschlich nachvollziehbar aber nicht im Sinne einer offenen Gesellschaft und einer transparenten Verwaltung.

Das Verbraucherministerium lobt das neue Verbraucherinformationsgesetz (VIG) als Erfolg. Bekommt das Gesetz auch Applaus von Ihnen?

Redelfs: Nur sehr eingeschränkt. In Niedersachsen, Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen gibt es bislang keine Informationsfreiheitsgesetze auf Länderebene. Das VIG sorgt nun dafür, dass auch in diesen Bundesländern zumindest Informationen, die Lebensmittel oder Bedarfsgegenstände betreffen, abgerufen werden können. Leider enthält das VIG aber viel zu viele Ausnahmen. So dürfen etwa "sonstige wettbewerbsrelevante Informationen" nicht weitergegeben werden. Was damit konkret gemeint ist, können die Behörden quasi selbst entscheiden und verweigern daher oft die Auskunft.

Können Sie Beispiele nennen?

Redelfs: Seit beinahe zwei Jahren möchte ich von der Lebensmittelüberwachung in Niedersachen wissen, wo und wann es Verstöße gegen die Pestizidgrenzwerte bei Obst und Gemüse geben hat. Die Behörde hat bislang keine Auskunft erteilt und darauf verwiesen, diese Informationen könnten für Unternehmen Wettbewerbsnachteile mit sich bringen.

Wie könnte die Informationsfreiheit ein Deutschland verbessert werden?

Redelfs: Manches ist eine Mentalitätsfrage. Es wäre viel geholfen, wenn die Behörden die Auskunftsanträge im Zweifel zugunsten des Antragsstellers auslegen würden. Bei einer wünschenswerten Zusammenführung der Gesetze müssten vor allem die vielen Ausnahmeregeln, die Informationsansprüche aushebeln, wegfallen oder zumindest eng gefasst werden statt weit. Vorbild könnte das Umweltinformationsgesetz (UIG) sein. Dort ist geregelt, dass selbst "Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse" weitergegeben werden dürfen, wenn das öffentliche Interesse an der Auskunft höher zu bewerten ist. Außerdem ist die Gebührenordnung im UIG günstiger. Dort kann bei einem öffentlichen Interesse an einer Information auch auf eine Gebühr verzichtet werden. In den Informationsfreiheitsgesetzen sind Gebühren bis zu 500 Euro möglich. Im Verbraucherinformationsgesetz gibt es letztlich sogar überhaupt keine Obergrenze für Gebühren.