Kirche und Diakonie besorgt über Finanznot in Städten

Kirche und Diakonie besorgt über Finanznot in Städten
Am Donnerstag stellen die Steuerschätzer der Bundesregierung ihre Prognose bis 2014 vor - und die düster ausfallen. Bis zu 48 Milliarden Euro weniger könnnten Bunder, Länder und Kommunen demnach weniger einnehmen. Gerade die Kommunen wissen aber schon jetzt kaum noch, wie sie ihre Ausgaben bezahlen sollen. Denn sie haben schon gespart, wo es nur ging. Beispiel NRW.
05.05.2010
Von Carsten Grün und Esther Soth

Das Musiktheater musste schon in den 90er Jahren schließen. Der Bücherbus fährt nicht mehr, Bäder wurden in den vergangenen Jahren geschlossen. Und das Sparen in Oberhausen geht weiter. Die Kommune hat rund 1,8 Milliarden Euro Schulden und steht seit 2008 unter dem Spardiktat der Düsseldorfer Bezirksregierung. Ein Aktionsbündnis aus 19 Städten in Nordrhein-Westfalen fordert einen umfassenden Entschuldungsplan.

"Wir pfeifen auf dem letzten Loch", gibt Oberhausens Kämmerer Bernd Elsemann unumwunden zu. Dabei sind sich Experten einig, dass es aussichtslos ist, bei sinkenden Steuereinnahmen und steigenden Sozialausgaben den Kampf zu gewinnen. In diesem Jahr stehen in Oberhausen Ausgaben von 688 Millionen Euro Einnahmen von 507 Millionen Euro gegenüber.

Sozialer Sprengstoff

"Was wir hier machen, ist ungefähr so, als wenn ein Hartz-IV-Empfänger gezwungen würde, einen Kredit aufzunehmen, um Steuern zu bezahlen", sagt Elsemann. Oberhausen ist mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 8.000 Euro nur die Spitze des Eisberges, auch den Nachbarstädten im Revier und anderen Kommunen in Nordrhein-Westfalen bleibt finanziell immer mehr die Luft weg. Bundesweit erwarten die Städte und Gemeinden in diesem Jahr ein Rekorddefizit von zwölf Milliarden Euro.

Die dramatische Finanznot der Städte und Gemeinden sei zum großen Teil eine Folge von Gesetzen, die Bund und Land ohne ausreichende Gegenfinanzierung erlassen hätten, kritisiert die Mülheimer Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD).

Rückendeckung bekommen die Kommunen auch von der evangelischen Kirche und der Diakonie, die vor den sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen der kommunalen Finanznot warnen. Wenn der Staat auf lokaler Ebene durch die Finanznot faktisch handlungsunfähig werde, berge dies erheblichen sozialen Sprengstoff, mahnte der amtierende EKD-Ratsvorsitzende und rheinische Präses Nikolaus Schneider. Er rief Bund und Länder zur Unterstützung verschuldeter Kommunen auf.

Keine Gestaltungsmöglichkeiten mehr

Durch die vom Bund geplanten Steuersenkungen werde die öffentliche Hand ihrer Gestaltungsmöglichkeiten beraubt, erklärte der westfälische Präses Alfred Buß. Viele kommunen bluteten finanziell aus und könnten eine öffentliche Daseinsvorsorge nicht mehr dauerhaft sichern: "Arme Kinder in armen Kommunen sind doppelt benachteiligt."

Auf eine wachsende Kluft zwischen armen und reichen kommunen verweist auch die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Während einige kommunen beispielsweise für Kita-Plätze keine Elternbeiträge verlangten, würden diese in anderen kommunen massiv angehoben. "Die kommunale Verschuldung führt dazu, dass ausgerechnet in den armen kommunen die Kindergartenbeiträge besonders hoch sind."

Nach einer vergleichenden Zusammenstellung der Diakonie haben mehr als 25 Städte und Gemeinden aus NRW umfangreiche Sparpläne für 2010 vorgelegt und zum Teil schon beschlossen. Dazu zählen etwa Kürzungen oder sogar Schließungen bei Bädern, Schulen oder Theatern, Einsparungen bei Sprachförderung für Kinder, Jugendarbeit, Schuldner- und Familienberatungsstellen, Behindertenfahrdienst oder Kulturvereinen.

epd