Teure Versicherungen bremsen Hebammen aus

Teure Versicherungen bremsen Hebammen aus
Heute ist Tag der Hebammen. Martina Klenk (49), Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes, verhandelt mit Politik und Krankenkassen über bessere Bezahlung von Hebammen. Ein Interview.
04.05.2010
Die Fragen stellte Simone Schnipp

Sie beklagen sich über die Haftpflichtversicherungen für Hebammen. Warum?

Martina Klenk: Die Beiträge sind in den letzten Jahren enorm gestiegen. Bei Hebammen, die gebärende Frauen freiberuflich im Krankenhaus betreuen und einen Vertrag mit der Klinik haben, wurde die Versicherung von 2006 bis 2009 um 60 Prozent teurer. Freiberufliche Hebammen, die Hausgeburten, Schwangerenvorsorge und Wochenbettbetreuung machen, zahlen 94 Prozent mehr. Noch schlimmer ist der langfristige Vergleich. 1992 zahlte eine freiberufliche Hebamme 180 Euro im Jahr, jetzt 2400 Euro.

Warum ist die Versicherung so teuer geworden?

Martina Klenk: Die Versorgung von Kindern, die nach einem Geburtsschaden schwer behindert überleben, ist teurer geworden. Die Versicherungen müssen mehr zahlen. So zynisch das klingt: Früher sind viele Kinder, die bei der Geburt einen Schaden erlitten, gestorben. Heute kann man medizinisch mehr machen und das kostet.

Klagen Eltern bei Geburtsfehlern häufiger als früher?

Martina Klenk: Weniger die Eltern, eher die Krankenkassen. Sie haben seit einigen Jahren Regressabteilungen, die schauen, wie und wo sie das Geld für die Versorgung eines behinderten Kindes wieder reinholen. Das versuchen sie bei den vermeintlich Schuldigen: Geburtshelfern und Hebammen.

Trifft das alle Hebammen?

Martina Klenk: Vor allem die freiberuflichen. Sie müssen sich in vollem Umfang selbst versichern. Es kann aber auch sein, dass sich eine angestellte Hebamme zusätzlich versichern muss. Bei einem Geburtsschaden sind fünf Millionen Euro keine Seltenheit. Hat das Krankenhaus eine Versicherung über eine Million abgeschlossen, steht die Hebamme für die restlichen vier Millionen gerade.

Und was wird dann aus ihnen?

Martina Klenk: Sie werden ihrer Existenz beraubt, wenn die Haftpflichtprämien weiter steigen. Unser Verband hat errechnet, dass frei beruflichen Hebammen durchschnittlich 7,50 Euro Nettoverdienst pro Stunde bleiben. Das ist Mindestlohnniveau. Nur 30 Prozent können ihren Lebensunterhalt damit decken. Die anderen arbeiten nebenher, etwa als Psychotherapeutin, Heilpraktikerin oder mit halber Festanstellung.

Welche Folgen hat das für Gebärende?

Martina Klenk: Ziehen sich Hebammen aus der Geburtshilfe zurück, müssen Gebärende in große Geburtszentren gehen. Das wird alles sehr nüchtern ablaufen.

Was wäre eine Lösung?

Martina Klenk: Geburt und Schwangerschaft sind keine Krankheiten. Nicht die Krankenkassen sollten für die Leistungen einer Hebamme aufkommen. Das lässt sich auch als Gemeinschaftsaufgabe über Steuern finanzieren. Es kann nicht sein, dass so eine kleine Berufsgruppe, die so einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft leistet, die Verantwortung alleine tragen soll.


Das Interview ist erschienen in der Ausgabe 5/2010 des Magazins chrismon.