"Die massigen Kollegen", "der kraftstrotzende Hüne" oder "das Muskelpaket". Beschreibungen in Berichten über Sportler. Auch für Frauen lassen sich entsprechende Phrasen finden: "die Schönheitskönigin", "sie hat eine Traumfigur" oder "mit den Maßen eines Models" gibt es zu lesen. Der Unterschied: Bei Sportlern gelten in der Medienberichterstattung Muskeln als Synonym für Männlichkeit. Für Sportlerinnen scheint der Schwerpunkt auf der Schönheit zu liegen.
Doing sports ist immer auch doing gender. So fasst es die Professorin für Sportwissenschaft Gertrud Pfister von der Universität Kopenhagen auf einer Tagung der Sporthochschule Köln zum Thema „Die Sexualisierung des Sports in den Medien“ zusammen. „Sport ist etwas, das Leistungsunterschiede erkennt und dadurch Hierarchien aufbaut – und somit die Geschlechterordnung verstärkt“, erklärt sie. Diese gesellschaftliche Sichtweise übernehmen natürlich auch die Medien: „Unterschiede gibt es beispielsweise in der Präsentation der Frauen“, sagt Pfister. Sie würden häufig als das ,andere Geschlecht’ dargestellt, das mit dem ,starken Geschlecht’ verglichen würde: "Es gibt eben Sport und Frauensport, Fußball und Frauenfußball."
Sexualisierung über Bilder
Wo und wie wird aber in den Medien noch sexualisiert? Erst einmal gilt: Viele Berichte sind neutral. Wenn sexualisiert wird, dann weniger mittels der Sprache in den Berichten, stellten Ilse Hartmann-Tews und Bettina Rulofs vom Institut für Sportsoziologie der Sporthochschule Köln fest. Sie untersuchten 1999/2000 488 Artikel der Tagespresse, bei denen sie auch auf die Beschreibungen am Anfang des Artikels gestoßen sind, und fanden heraus: In fünf Prozent der Texte über Sportlerinnen und ein Prozent über Sportler fanden sich sexuelle Anspielungen. Jedoch werden vor allem im Schwerpunkt der Berichterstattung und in der Auswahl der Fotos zwischen Männern und Frauen Unterschiede gemacht. Sportberichte über Männer und Frauen befassen sich mehrheitlich mit der Leistung. Über Frauen wird jedoch häufig auch außersportlich berichtet. Ein weiteres Frauen-Thema: die Ästhetik.
Es sind vor allem Fotos, die im Sport zur Inszenierung der Geschlechter genutzt werden. So zeigen die Bilder Männer laut der Untersuchung von Hartmann-Tews/Rulofs in der Regel in sportlicher Aktion (43 Prozent): Die Muskeln des Tennisstars beim Aufschlag oder der Footballspieler im Lauf symbolisieren die männliche Kraft. Fotos in Printmedien zeigen Frauen hingegen im sportlichen Umfeld (61 Prozent). Häufige Bildmotive: Die Volleyballspielerin in ihrem knappen Höschen von hinten, die Tennisspielerin, die vorgebeugt auf die Annahme des Aufschlags wartet. Gut sichtbar: ihr Dekolleté. Bei Events wie den Olympischen Spielen gleichen sich die Fotomotive zwischen Mann und Frau jedoch an.
Männer handeln, Frauen treten auf
Die geschlechterspezifische Auswahl der Motive haben die Medien nicht erfunden, sie kommt so auch in der Kunstgeschichte vor. Während Männer traditionell in Aktion gezeigt werden, beim Studieren oder im Kampf, zeigen die Bilder Frauen in Posen. Vor dem Spiegel, auf dem Sofa. "Männer handeln und Frauen treten auf", nennt das Professorin Ilse Hartmann-Tews. Ein Satz, der ihrer Meinung nach auch für die Sportberichterstattung gilt.
Wie und welche Artikel und Bilder von Sportlerinnen und Sportlern es in die Berichterstattung der Medien schaffen, liegt neben der Zielgruppe der Medien und dem Format auch an den Redakteuren. In wie weit die Männerdominanz in den Ressorts sich auf die Auswahl auswirkt, darüber gibt es bisher keine Studien. Befragungen von Journalisten durch Hartmann-Tews/Rulofs ergaben aber, dass bei den Produktionsmechanismen die Optik bestimmend ist. Ein Kriterium: sekundäre Geschlechtsmerkmale bei Frauen. Bei Männern, so die Befragten, zähle die Bewegung, die Szene oder der Aufbau des Bildes. Natürlich spielt auch die Eigendarstellung der Athleten und Athletinnen eine große Rolle beim Thema Sexualisierung. Warum sollten Medien Sportler nicht sexy darstellen, wenn sie sich selbst, beispielsweise in Kalendern wie die Volleyball-Spieler des VfB Friedrichshafen, nackt präsentieren?
Sex sells
Dass die Berichterstattung des Sports heute mehr und mehr sexualisiert wird, liegt auch an ökonomischen Zwängen. Steigende Leistungen und die Zunahme des Wettbewerbs erfordern immer mehr finanzielle Ressourcen, um beispielsweise Logistik, Ausrüstung und Training bezahlen zu können, erklärt Professorin Pfister von der Universität Kopenhagen. Und je mehr Aufmerksamkeit einer Sportart oder einem Sportler vom Rezipienten gezollt würde, desto mehr würde über sie in den Medien berichtet. Das habe zur Folge, dass Hochleistungssport mehr und mehr eine Ware sei, die dem Konsumenten und dem Sponsor verkauft werden müsse. Vermarktbar seien am besten Events und Stars. Es gelte dabei die alte Regel: Sex sells.
Maike Freund ist freie Journalistin und lebt in Dortmund