Amokläufer von Ansbach: Arrogant, kriminell und im Knast

Amokläufer von Ansbach: Arrogant, kriminell und im Knast
Er plante ein aufsehenerregendes Massaker mit so vielen Toten wie möglich - wegen versuchten Mordes in 47 Fällen verurteilte die Jugendkammer des Landgerichts Ansbach den Schul-Amokläufer von Ansbach am Donnerstag zu neun Jahren Jugendhaft. Zudem ordnete das Gericht die Unterbringung des unter einer schweren Persönlichkeitsstörung leidenden 19-Jährigen in einer Psychiatrie an - und das für eine unbestimmte Zeit.
29.04.2010
Von Ira Kugel

"Dass es keine Toten gegeben hat, war lediglich dem Zufall zu verdanken", betonte Richter Bernd Rösch bei der fast einstündigen Urteilsbegründung. Er warf Georg R. vor, dass er bei der blutigen Attacke am Gymnasium Carolinum im September 2009 so viele Menschen wie möglich habe töten wollen. Der damalige Abiturient habe nicht alleine sterben wollen. "Vielmehr wollten Sie sich vor Ihrem Tod noch mal richtig in Szene setzen", sagte Rösch in Richtung von Georg R.

Der 19-Jährige schirmte sein Gesicht die meiste Zeit hinter einem schwarzen Ordner ab, die Kapuze seines Pullis tief in die Stirn gezogen. Nur für die Urteilsverkündung zu Beginn hatte er kurzzeitig die dunkle Sonnenbrille und den über den Mund gewickelten Schal abgenommen. Das Urteil nahm Georg R. ohne jede Regung zur Kenntnis. Nur zum Schluss, als der Richter ihn über sein Revisionsrecht belehrte, sagte der Amokläufer mit fester Stimme: "Ich habe keine Fragen mehr, Herr Vorsitzender."

Hass auf sich selbst, die Schule und die Lehrer

Der Richter warf dem 19-Jährigen in seiner fast einstündigen Urteilsbegründung vor, dass dieser mit einem aufsehenerregenden Schulmassaker die Blicke der Welt auf sich habe ziehen wollen. Die Gründe für die Tat seien Hass auf sich selbst, die Schule und die Lehrer gewesen, betonte der Richter. Durch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus solle Georg R. verstehen, dass er ein abscheuliches Verbrechen begangen habe. Zudem sei er gefährlich für die Allgemeinheit. Mitleid mit den Opfern oder Reue hatte der 19-Jährige während des Prozesses nicht gezeigt.

Im September 2009 war der damalige Abiturient mit Molotowcocktails, Messern und einem Beil bewaffnet in seine Schule gestürmt. Im dritten Stock des Gebäudes warf er Brandsätze in zwei Klassenzimmer. Dann wartete er vor der Türe und schlug wahllos mit der Axt auf seine flüchtenden Mitschüler ein. Insgesamt 15 Menschen wurden verletzt. Unter ihnen auch eine Schülerin, auf deren Kopf der Amokläufer mindestens achtmal mit seinem Beil einprügelte. Sie schwebte in Lebensgefahr, musste dreimal operiert werden. Polizisten stoppten den Amokläufer mit drei Schüssen auf der Jungentoilette. Dort hatte er kurz zuvor versucht, sich das Leben zu nehmen.

"Beispielloser Narzissmus" einer "hochkriminellen Persönlichkeit"

Immer wieder zitierte der Richter aus einem 86-Seiten-langen tagebuchähnlichen Dokument, das die Ermittler kurz nach der Tat auf dem Computer des Amokläufers gefunden hatten. Darin hatte der junge Mann berichtet, dass er sich beispielsweise von seinen Schulkameraden ausgegrenzt fühle. "Ich bin ein Looser, ich werde immer ein Verlierer und Außenseiter sein", gab der Richter einen Tagebucheintrag wieder.

Staatsanwalt Jürgen Krach warf Georg R. dagegen vor, dass dieser sich selbst isoliert habe. Krach beschrieb den Angeklagten als "eine hochkriminelle, arrogante Persönlichkeit, die zur Selbstinszenierung neigt". Georg R. sei geprägt von beispiellosem Narzissmus. Die Schuld für seine Misere habe er nur bei anderen, aber nie bei sich gesucht. Richter Rösch betonte, dass die Eltern nicht an "der kriminellen Fehlentwicklung" ihres Sohnes schuld seien. Sie seien gegen die Persönlichkeitsstörung machtlos gewesen.

"Bleibt die Frage, welche Erkenntnisse wir aus dem Amoklauf und dem Fall R. ziehen können", erklärte der Richter zum Schluss seiner Urteilsbegründung. Generell sollten die Ankündigungen von Amokläufen stets ernst genommen werden. Auch die Medien sollten sich bei der Berichterstattung über Amokläufe überlegen, an welchem Punkt die Information ende und wo die Sensationslust beginne.

dpa