Alterskennzeichnung: Deutsch oder europäisch?

Alterskennzeichnung: Deutsch oder europäisch?
In 30 europäischen Ländern wird ein einheitliches Verfahren zur Altersklassifizierung von Computerspielen angewandt: Pan European Game Information (PEGI). Deutschland hält am System der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) fest, das vor allem Spiele-Hersteller kritisieren. Auch beim internationalen Computerspiel-Kongress "clash of realities" in Köln waren die konkurrierenden Einstufungen ein Thema.
26.04.2010
Von Christine Veenstra

Wenn es um das Für und Wider von PEGI- und USK-Klassifizierung geht, scheiden sich die Geister, und zwar in der Regel an der Objektivität von Spiele-Testern und Fragebögen. In Deutschland werden Tester eingesetzt, die Computerspiele ausprobieren und eine detaillierte Beschreibung der Inhalte abgeben. Auf dieser Grundlage fällen die Obersten Landesjugendbehörden ihre Entscheidung über die Freigaben eines Computerspiels ab 0, 6, 12, 16 und 18 Jahren.

Anders im übrigen Europa: "Bevor ein Spiel veröffentlicht wird, muss der Hersteller einen Bewertungsfragebogen ausfüllen. Abhängig von den Angaben der Hersteller wird dann eine vorläufige Altersklassifizierung erteilt", erläuterte die Medienpädagogin Christine Ketzer beim "clash of realities" in Köln.

Zwei Institutionen, nämlich das niederländische Institut für die Klassifizierung audiovisueller Medien (NICAM) und der britische Rat für Videostandards (VSC), überprüfen die Angaben und nehmen die endgültige Klassifizierung vor. Beide Institutionen agieren als Administratoren für die Organisation PEGI S.A., die das Klassifizierungssystem im Auftrag der Interactive Software Federation of Europe (ISFE) verwaltet, einem Interessensverband von Spiele-Herstellern. Damit sei die Klassifizierung von Computerspielen "nicht mehr in der Hand von neutralen Sachverständigen", so Ketzer: "Die Menschen, die die Spiele herstellen, klassifizieren sie quasi selbst."

Spielehersteller halten PEGI für transparenter

Anhand von 50 Items werden in den PEGI-Fragebögen die Inhalte von Computerspielen umrissen. Abgefragt wird zum Beispiel, ob ein Spiel Darstellungen von Gewalt gegen schutzlose oder wehrlose Figuren enthält, oder die Darstellung augenscheinlich grundlosen Tötens oder Verletzens einer größeren Zahl menschenähnlicher Figuren. Neben diesen und acht weiteren Fragen prangt die Klassifizierung "18+". So kann selbst ein Laie den Fragebögen entnehmen, welche Kriterien für die Zuordnung der Spiele in die PEGI-Klassen ab 3, 7, 12, 16 und 18 Jahren ausschlaggebend sind.

Spiele-Hersteller halten das für transparenter als das deutsche System: "Die Kriterien für die Klassifizierung der USK sind nicht sehr detailliert, sondern sehr allgemein formuliert. Die Entscheidungen über die Freigaben sind immer Einzelfallentscheidungen, das heißt sie fallen teilweise recht unterschiedlich aus. Der PEGI-Fragebogen ist demgegenüber so gemacht, dass immer ein eindeutiges Ergebnis rauskommt", sagt Martin Lorber, Sprecher von Electronic Arts (EA) in Köln.

PEGI- und USK-Verfahren seien nur bedingt miteinander vergleichbar, meint dazu Felix Falk, Geschäftsführer der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle. Er teilte auf Anfrage von evangelisch.de mit: "Wir sind derzeit dabei, die Kriterien noch klarer zu fassen, um sie noch transparenter nach außen darstellen zu können."

Kaum Unterschiede in der Bewertung

Die Unterschiede in der Bewertung von Spielen mittels PEGI- und USK-Verfahren sind nach Angaben von Electronic Arts in der Summe allerdings nicht sehr groß. Eine Erhebung des Spiele-Herstellers für die Top-100-Computerspiele im Jahr 2008 habe ergeben, dass 58 Prozent der Spiele in beiden Systemen gleich bewertet wurden, 19 Prozent im PEGI-Verfahren höher und 22 Prozent niedriger, erklärte Sprecher Martin Lorber am Rande des Kölner Kongresses.

Was Deutschland abgesehen vom Verfahren aber deutlich von anderen europäischen Ländern abhebt, ist die Verbindlichkeit der Altersklassifizierung durch die USK. Während die PEGI-Kennzeichnung eine Empfehlung ist, können Verstöße gegen die deutschen Altersfreigaben teuer werden. Gibt ein Händler ein Spiel der Klasse 18+ an Minderjährige ab, kann das mit Ordnungsstrafen von bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Jugendschutz hat in Deutschland Verfassungsrang – auch deshalb, so die Medienpädagogin Christine Ketzer, sei das PEGI-Verfahren, bei dem sich der Staat mehr oder weniger raushalte, in Deutschland bisher nicht eingeführt worden.

USK könnte PEGI-Verfahren selbst anwenden

Seitens des Spielherstellers Electronic Arts lässt man dieses Argument nicht gelten: "Wir reden nicht darüber, dass das Jugendschutzgesetz geändert werden soll, sondern wir reden darüber, wie die USK als Institution zu ihren Informationen kommt. Auch wenn die USK mit dem PEGI-Fragebogen arbeitet, wird die Altersfreigabe ein hoheitlicher Akt bleiben", so EA-Sprecher Lorber. Er sehe nicht ein, warum es besser sei, eine Reihe von Gutachtern einzusetzen, als einen standardisierten Fragebogen: "Wer den Bogen ausfüllt ist ja letztlich egal."

In einem Punkt scheint sich die USK dem PEGI-System immerhin anzunähern: Die Angabe zu Inhalten von Spielen, mit der PEGI unabhängig von der Altersempfehlung kenntlich macht, ob beispielsweise Sex- und Gewaltdarstellungen enthalten sind und ob ein Spiel Drogenkonsum und Diskriminierung zeigt, bezeichnet auch Felix Falk, Geschäftsführer der USK, als sinnvoll. "Die USK gibt deshalb beispielsweise auf der Website mit Erklärungen zu dem jeweiligen Genre zusätzliche Informationen zu den Kennzeichen. Darüber hinaus überlegen wir, mit welchen weiteren Mitteln wir die Bedeutung der einzelnen Kennzeichen noch deutlicher machen können."


Christine Veenstra ist freie Journalistin in Düsseldorf.