Frage: Wie wird man Sprecher beim Wort zum Sonntag?
Haag: Durch ein Casting, so eine Art von „Deutschland sucht den Superpfarrer“. Aber im Ernst: Die Kandidatinnen und Kandidaten für das Sprecherteam werden von den Rundfunkbeauftragten der Kirchen vorgeschlagen. Die schauen, welche Pfarrerin oder welcher Pfarrer schon im Radio aktiv ist. Als ich für das Casting vorgeschlagen wurde, fand ich das eine große Bestätigung und Anerkennung. Und ich wollte das auch machen. Ich wollte Sprecher vom Wort zum Sonntag werden. Das ist schon immer ein Traum von mir gewesen.
Frage: Wie finden Sie Ihre Themen für das Wort zum Sonntag?
Haag: Wir haben die freie Auswahl, welches Thema wir behandeln wollen, aber wir müssen auf aktuelle Ereignisse eingehen. Das Wort zum Sonntag hat ja die Aufgabe, Aktuelles religiös zu interpretieren. In der Regel produzieren wir einen Tag vor der Sendung, sind also immer aktuell. Ich musste vor Ostern das erste Mal meine schon fast fertige Andacht ändern, als in Afghanistan drei deutsche Soldaten gestorben sind. Dabei gibt es großen Zeitdruck, aber diese Aktualität macht die Sendung sehr lebendig. Welches Thema ich am nächsten Samstag behandele, weiß ich noch nicht.
Frage: Was für ein Gefühl war es, sich das erste Mal im Fernsehen zu sehen?
Haag: Als die Wetterfrösche bei den Tagesthemen meinen Namen nannten, fühlte sich das wie ein Schuss durch den Magen an. Ich habe gedacht, hoffentlich erzähle ich da keinen Unsinn. Beim ersten Mal hatte ich ein paar Freunde eingeladen. Wir haben gemeinsam vor dem Fernseher gesessen. Sie haben mir gesagt, dass sie es gut fanden. So war ich am Ende doch erleichtert.
Frage: Wie hat Ihre Umwelt reagiert?
Haag: Meine Familie freut sich und fiebert mit, Freunde finden es gut. Auf der Straße werde ich nicht angesprochen, aber als ich mein Fahrrad reparieren lassen wollte, hat ein Angestellter mich erkannt und gesagt, „aber Sie sind doch der Pfarrer aus dem Fernsehen“ und hat seine Kollegen gerufen. Viele Häftlinge im Gefängnis haben sich gefreut und mich darauf angesprochen, als ich Weihnachten beim Wort zum Sonntag ein fiktives Gespräch mit einem Häftling geführt habe.
Zur Person
Ulrich Haag spricht seit einem halben Jahr das Wort zum Sonntag, immer abwechselnd mit seinen Kolleginnen und Kollegen. 15 Jahre war Haag Gemeindepfarrer in Aachen. Er arbeitet seit sieben Jahren als Gefängnisseelsorger in der Justizvollzugsanstalt Aachen. Daneben macht er seit mehr als zehn Jahren Beiträge fürs Radio. Der 48-Jährige ist verheiratet und hat drei Kinder.
www.wort-zum-sonntag.de