Seit Jahrzehnten debattieren Politiker und Interessengruppen die Vor- und Nachteile eines werbe- und sponsoringfreien öffentlich-rechtlichen Programms. Die Kritik an Werbung und Sponsoring wächst dabei unabhängig von der Parteifarbe. Werbung schlägt sich nicht nur auf die Ertragslage - und damit für den Fernsehzuschauer positiv als Gebührenentlastung - nieder, sondern zunehmend auch auf das Programm. Dies zeigt sich schon alleine in dem von der ARD selbst geprägten Begriff des "Werberahmenprogramms". So ist das Vorabendprogramm der ARD und des ZDF nicht unterscheidbar von dem eines Großteils der privaten Konkurrenz. Regionalberichterstattung beispielsweise als eigentlich öffentlich-rechtlicher Kernbereich findet man stattdessen ironischerweise nur noch in den privaten Vollprogrammen RTL und Sat.1.
Dennoch sind bis heute kaum Schritte zur Umsetzung eines entsprechenden Werbe- und Sponsoringverzichts eingeleitet worden. Das mag daran liegen, dass die Ursprünge von Werbung und Sponsoring in Deutschland historisch gewachsen sind, da Werbung bereits ein Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks war, als noch keine kommerzielle Konkurrenz existierte. Es liegt aber auch daran, dass Politiker das Gegenargument der potenziellen 1,42-Euro-Gebührenerhöhung der Öffentlich-Rechtlichen scheuen. Dabei ist sicher streitbar, ob es wirklich so schlimm wäre, der Bevölkerung ehrlich mitzuteilen, was sie ihr üppig ausgestattetes öffentlich-rechtliches System mit 23 TV-, über 100 Audio- und nicht zählbaren Online-Angeboten tatsächlich kostet.
Die Vorschläge des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) und des medienpolitischen Sprechers der Union, Wolfgang Börnsen, Werbung und Sponsoring stufenweise abzuschaffen, sind sicher ein Schritt in die richtige Richtung, der nun aber einer konkreten Umsetzung bedarf.
Intransparenz in der Organisation
Ein werbefreier öffentlich-rechtlicher Rundfunk könnte das inzwischen ökonomisch ins Wanken geratene Mediensystem stabilisieren. Hierbei geht es nur in Teilen um die potenzielle Verschiebung der Werbeeinnahmen vom öffentlich-rechtlichen in den privaten Mediensektor ? was nicht nur die Rundfunkveranstalter meint, sondern natürlich auch den Printbereich. Auch die so häufig bemängelte Intransparenz in der Organisation zwischen den Anstalten und ihren Werbetöchtern würde zu einem wesentlichen Teil entfallen, was das allgemein vorherrschende Misstrauen gegenüber der undurchschaubaren Mischfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reduzieren könnte.
Auch die bislang gültige und etwas eigene Erlaubnis von Sponsoring nach 20 Uhr durch eine Definition im Rundfunkstaatsvertrag, nach der Sponsoring zu den "Sonstigen Erträgen" und nicht zur Werbung zu zählen ist, stärkt diese Skepsis. Die gesellschaftliche Akzeptanz und die Abgrenzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegenüber den privaten Anbietern könnte durch solche Maßnahmen insgesamt nachhaltig gestärkt werden.
Werbeverbot
Das wichtigste Argument für einen Werbeverzicht bezieht sich jedoch sicherlich auf den Inhalt des von Werbung eingerahmten Vorabendprogramms bei ARD und ZDF. Auch wenn die Öffentlich-Rechtlichen hartnäckig jegliche Quotenorientierung zur Optimierung der Werbevermarktung abstreiten, sondern stattdessen angeblich "Quotenvorgaben nur aus ökonomischer Verantwortung gegenüber dem Gebührenzahler berücksichtigen" (Peter Boudgoust, Vorsitzender der ARD), so stellt sich doch die Frage, warum dann das Werberahmenprogramm von dem der privaten Anbieter nicht zu unterscheiden ist, die ja damit ihre Existenz finanzieren.
Die Argumente von ARD und ZDF gegen die Einführung eines Werbe- und Sponsoringverzichts sind demgegenüber zwar zahlreich und zum Teil auch recht kreativ, in der Sache aber nicht entscheidend. Jedes einzelne Argument erweckt den Eindruck, dass Werbung und Sponsoring im Grunde nur nebensächliche Vorteile für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bieten, und dass die wahren Profiteure Dritte wie die Werbewirtschaft ("Funktion eines Werbekorrektivs", "Werbung bei ARD/ZDF bietet der Werbewirtschaft attraktive Zielgruppen", "die öffentlich-rechtlichen Programme verbinden Qualitätsumfelder mit Zielgruppenqualität") oder die Zuschauer ("Werbe- und Sponsoringeinnahmen halten die Gebühr niedriger", "Werbung sorgt für Markttransparenz und dient der Information der Zuschauer") sind (15. KEF-Bericht, Band 2, Kapitel 8: S. 19f.).
Werbemarkt befördern
Insbesondere die Argumentation in Richtung der Werbewirtschaft mag zwar den einen oder anderen für den Werbemarkt relevanten Anknüpfungspunkt bieten, ist aber in einer Diskussion über die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dessen Finanzierung nicht relevant. Schließlich ist es jedenfalls nach der aktuellen Version des Rundfunkstaatsvertrags nicht die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, den Werbemarkt zu befördern.
Droht die Diskussion über einen Werbeverzicht erneut zu entfachen, so versuchen die öffentlich-rechtlichen Anstalten diese im Keim zu ersticken, indem sie die seit Jahren im Umlauf befindliche und von der KEF einst festgestellte mystische 1,42 Euro Gebührenerhöhung in den Raum werfen - hier sprechen übrigens auch die Öffentlich-Rechtlichen gerne von einer "Gebührenerhöhung" anstelle der sonst semantisch bevorzugten "Gebührenanpassung". Diesen Betrag brächte ein Verzicht auf Werbung und Sponsoring angeblich zwingend mit sich, was niemand dem Gebührenzahler zumuten könne und was infolgedessen das Thema Werbeverzicht auch nicht unbedingt zum Wahlkampfthema macht.
Ob diese unterstellte fehlende politische Popularität jedoch die allseits und von allen Parteien festgestellte Notwendigkeit und Richtigkeit einer Maßnahme zu opfern rechtfertigt, sei an dieser Stelle dahingestellt. Wenn ein System solchen Umfangs gewollt ist, sollte man auch zu den damit einhergehenden Kosten stehen.
Aufkeimende Qualitätsdiskussion
Dennoch - oder gerade deswegen - stellt sich die Frage, warum die Anstalten mit einer solchen Vehemenz an Werbung und Sponsoring festhalten. Denn grundsätzlich könnte man doch annehmen, dass die Art der Finanzierung, ob es sich um Gebührengelder oder Werbeerträge handelt, keine so wesentliche Rolle spielen dürfte. Gerade vor dem Hintergrund der immer wieder aufkeimenden Qualitätsdiskussion könnten die Rundfunkanstalten doch froh sein, gerade nicht auf Werbeerträge angewiesen zu sein, durch die sie entgegen ihrer Behauptungen gezwungen sind, ihr Programm auf das Ziel der Vermarktung auszurichten.
Dies wird auch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. September 2007 bestätigt, wonach das für die Funktionsweise einer Demokratie besonders wichtige Ziel der inhaltlichen Vielfalt gerade durch die Werbefinanzierung gefährdet sei, die den Trend zur Massenattraktivität und zur Standardisierung des Angebots verstärke (BVerfG, 1 BvR 2270/05 vom 11.9.2007, Rn 117). Demnach sei zu prüfen, inwieweit die Werbefinanzierung bei ARD und ZDF "angesichts der mit ihr verbundenen Risiken einer Rücksichtnahme auf die Interessen der Werbewirtschaft, einer zunehmenden Ausrichtung des Programms auf Massenattraktivität sowie einer Erosion der Identifizierbarkeit öffentlich-rechtlicher Programme" weiterhin rechtfertigt werden kann (BVerfG, 1 BvR 2270/05 vom 11.9.2007, Rn 127).
Interessanterweise rechtfertigen ARD und ZDF mit genau diesem Argument derzeit auch den publizistischen Beitrag all ihrer Telemedienangebote in Abgrenzung zu kommerziellen, werbefinanzierten Angeboten. So heißt es zum Beispiel im Telemedienkonzept der ARD: "Die Werbefreiheit von ARD.de garantiert den Nutzern, dass Themen und Schwerpunkte unabhängig von ökonomischen Interessen gestaltet sind." Was für das eine Medium richtig ist, kann für das andere Medien wohl kaum falsch sein.
Kein wirkliches Argument
All diese Aspekte lassen folgende Behauptung zu: Im Grunde gibt es kein wirkliches Argument, warum die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht bereit sein sollten, auf Werbung zu verzichten, solange sie sich deswegen finanziell nicht wesentlich schlechter stellen. Dass sie dennoch mit aller Kraft gegen einen Werbe- und Sponsoringverzicht kämpfen, könnte demnach zwei mögliche Ursachen haben:
1. Möglichkeit:
Die Existenz der Werbetöchter hat einen gewissen Selbstzweck erreicht und dient nicht mehr ausschließlich der Werbevermarktung, die inzwischen aus beihilferechtlichen Gründen durch die Anstalten selber nicht mehr durchgeführt werden darf. Sollte dies der Fall sein, so liegt die Vermutung nahe, dass über die Werbetöchter Aufwendungen versteckt werden können, die über den Umweg der Gewinnabführungsverträge bzw. Kostenerstattungen an die jeweilige Anstalt letztlich sogar einen gebührensteigernden Effekt haben können.
Bei einem Wegfall der Werbevermarktung würde jedoch die Existenzberechtigung der kommerziellen Töchter infrage gestellt und somit auch die Möglichkeit, bestimmte Aufwendungen "unterzubringen".
2. Möglichkeit:
Die Anstalten fürchten einen nicht ausreichend hohen finanziellen Ausgleich. Die Werbe- und Sponsoringerträge werden zwar im KEF-Bericht immer mit einem eher bescheidenen Umfang ausgewiesen, dies liegt aber zumindest bei der ARD nicht zuletzt an der konsolidierten Darstellung der Erträge: Von den Werbeerlösen werden bereits die Produktionskosten für das Werberahmenprogramm abgezogen. Demgegenüber sind die entfallenden Erlöse aus Werbung und Sponsoring im 8. Kapitel des 15. KEF-Berichts, der die Effekte eines solchen Verzichts berechnet, bei der ARD deutlich höher ? weil nicht konsolidiert ? angesetzt.
Offenbar versucht die ARD also, die Werbeeinnahmen dort, wo sie gebührenmindernd wirken (bei der Anrechnung der Erträge), möglichst niedrig zu halten, während sie im gebührensteigernden Fall, also bei der Berechnung des Einnahmenverlustes bei einem Werbe- und Sponsoringverzicht, möglichst hoch angesetzt werden.
Anteiliger Rückzug
Eine konstruktive Herangehensweise an das Thema sollte nicht nur einen Komplettverzicht auf Werbung und Sponsoring diskutieren, sondern möglicherweise zunächst auch einen stufenweisen oder nur anteiligen Rückzug in Betracht ziehen. Die Auswirkungen auf die Berechnungen im 15. KEF-Bericht sind aufgrund der nur schwer nachvollziehbaren Darstellungen leider nur begrenzt möglich, weswegen bei den folgenden Rechnungen nicht die Beträge an sich infrage gestellt werden, sondern die einzelnen Summen lediglich zueinander in Relation gesetzt werden können.
Würde man etwa das Argument der öffentlich-rechtlichen Anstalten berücksichtigen, das gegen einen Verzicht auf Sponsoring die Ausgestaltung vieler Sportrechte spricht, in denen der Sponsorenpartner bereits im Vorfeld determiniert ist, so könnte man beispielsweise lediglich die Auswirkungen eines Verzichts auf Werbung und Programmsponsoring - also das Sponsoring von Nicht-Sportsendungen - neu kalkulieren. Der Umstand, dass in anderen Staaten wie zum Beispiel den Niederlanden Sponsoring vollständig verboten ist, lässt allerdings dieses Argument zumindest fragwürdig erscheinen.
Ließe man dann noch die angeblich notwendigen Aufwendungen für zusätzliche Programmminuten, vorübergehend verbleibende Sach- und Personalkosten sowie einmalige Kosten für Sozialpläne unberücksichtigt, so wäre selbst auf Grundlage der im 15. KEF-Bericht angegebenen Beträge für ARD und ZDF gemeinsam eine Gebührenerhöhung von gerade noch einem Euro nötig. Den Angaben des 15. KEF-Berichts zufolge müssten die genannten zusätzlichen Aufwendungen bei der ARD mit 0,21 Gebühren-Euro und beim ZDF mit 0,12 Gebühren-Euro pro Monat ausgeglichen werden. Auf das Sportsponsoring entfallen bei der ARD monatlich 0,05 Euro und beim ZDF 0,03 Euro.
Hörfunkwerbung zunächst weiter zulassen
Da zudem die Situation im Hörfunk und Fernsehen sehr unterschiedlich ist, wäre es durchaus denkbar, die Hörfunkwerbung zunächst weiterhin zuzulassen und somit bei der ARD lediglich die Fernsehwerbung zu streichen. Dafür spräche auch, dass im Fernsehen jedwede Zielgruppe hinreichend über die kommerziellen Sender zu erreichen ist, was im Radio aufgrund der Regionalität des Sender-Angebots nicht überall zutrifft. Der Wegfall ausschließlich der Fernsehwerbung und des Programmsponsorings würde bei der ARD entsprechend der Berechnungen des 15. KEF-Berichts und abzüglich der bereits genannten temporären zusätzlichen Aufwendungen eine Gebührenerhöhung von gerade einmal 26 Cent rechtfertigen (47 Cent für den Verzicht auf TV-Werbung und Programmsponsoring abzüglich 21 Cent für zusätzliche temporäre bzw. einmalige Aufwendungen), auf das ZDF fielen 24 Cent (36 Cent für den vollständigen Verzicht auf Werbung sowie Programmsponsoring abzüglich 12 Cent für zusätzliche Aufwendungen).
Insgesamt müssten also höchstens 50 Cent angesetzt werden. Berücksichtigt man zudem, dass die Berechnungen auf den Angaben des 15. KEF-Berichts basieren und die Werbeeinnahmen seitdem gesunken sind, so würden vermutlich sogar nur gute 40 Cent ausreichen.
Schließlich bliebe natürlich auch noch die Alternative, den Einnahmeausfall aufgrund des Werbeverzichts zumindest teilweise mit Sparmaßnahmen an anderer Stelle auszugleichen. Dies mag nicht bei allen Einrichtungen gleichermaßen möglich sein, dennoch sollte gerade bei den großen Anstalten ein erhebliches Einsparpotenzial zu finden sein. So würde zum Beispiel ein Wegfall der Einnahmen aus Programmsponsoring und TV-Werbung für die ARD eine einzusparende Summe von etwa 110 Millionen Euro pro Jahr bedeuten, was vor dem Hintergrund von Gebühreneinnahmen von über fünf Milliarden Euro allein bei der ARD - also 2,2 Prozent - nicht als unmöglich erscheint. Hierin läge doch kaum eine Gefährdung der verfassungsrechtlich garantierten Finanzierung, sondern lediglich der Versuch einer Anpassung an die Realität.
Interesse des Zuschauers
Die genannten Punkte bieten nur ein paar Beispiele, wie ein Verzicht auf Werbung und/oder Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk alternativ betrachtet werden könnte. Ziel der Diskussion sollte auf jeden Fall in erster Linie das Interesse des Zuschauers unter einer realistischen Betrachtung der Auswirkungen für den öffentlich-rechtlichen wie privaten Rundfunk sein.
Die dargestellten Argumente machen deutlich, dass ein Verzicht auf Werbung und Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Grunde für alle Seiten - vor allem aber auch für die öffentlich-rechtliche Seite - von Vorteil sein kann. Voraussetzung dafür ist aber eine realistische Betrachtung der Situation und eine neue und vor allem transparente Berechnung des wirklich notwendigen zusätzlichen Finanzbedarfs. Dazu gehört ebenfalls die Berücksichtigung weiterer Gebührenausfälle, etwa für zahlungsbefreite Nutzer. Nur so kann eine sachliche und zielführende Diskussion vonseiten der Politik und allen Beteiligten geführt werden. Diese wiederum kann zu einer Implementierung ein s Werbeverzichts im 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag führen, in dem das Gebührenmodell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks neu geregelt wird.
Hinweis: Dieser Beitrag ist ursprünglich im Fachdienst "epd medien" 26-27/10 erschienen.