Merkel und Obama warnen vor nuklearem Terrorismus

Merkel und Obama warnen vor nuklearem Terrorismus
US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben am Montag eindringlich vor internationalem Atomterrorismus gewarnt. "Das ist etwas, was die Sicherheitslandschaft dieses Landes in der ganzen Welt für die kommenden Jahre verändern könnte", erklärte Obama vor der offiziellen Eröffnung eines Gipfels zur Atomsicherheit mit 38 Staats- und Regierungschefs in Washington. Merkel sagte vor ihrem Abflug in die US-Hauptstadt, Terroristengruppen wie Al Kaida dürften unter keinen Umständen in den Besitz von atomwaffentauglichem Material kommen.

Der Gipfel ist das größte internationale Treffen von Spitzenpolitikern in den USA seit 60 Jahren. Obama will die Teilnehmer zu verstärkten Schutzmaßnahmen gegen den Atomschmuggel bewegen: In vier Jahren, das ist sein erklärtes Ziel, soll sämtliches spaltbares Material gesichert sein. Doch noch bevor Obama die Vertreter aus insgesamt 47 Ländern begrüßte, wurde deutlich, wie steinig der Weg dorthin ist.

So gab es einen neuen iranischen Affront: Die Führung in Teheran machte klar, dass sie jegliche Entscheidungen der Konferenzteilnehmer aus insgesamt 47 Staaten ignorieren werde. Auch der pakistanische Premierminister Yousuf Raza Gilani legte sich bei einer Begegnung mit Obama im Vorfeld des Gipfels quer. Israels Premierminister Netanjahu wird ebenfalls nicht nach Washington kommen, sondern nur seinen Atomminister schicken.

Der Iran - wie auch Nordkorea - waren zu dem Gipfel nicht eingeladen worden. Bei dem Washingtoner Treffen soll es auch nicht um die iranischen Atomambitionen gehen, auch nicht primär um existierende Nukleararsenale. Obama hat vielmehr hauptsächlich spaltbares Material in zivilen Atomreaktoren und Forschungslaboratorien im Auge, aus dem Bomben hergestellt werden können. Dennoch dürfte das Iran-Problem die Gipfelteilnehmer zumindest indirekt beschäftigen, so auch in einer Reihe von geplanten Zweiergesprächen am Rande der Konferenz.

Merkel: Zeit drängt bei Sanktionen gegen Iran

Bundeskanzlerin Angela Merkel setzte sich vor ihrem Abflug für rasche verschärfte Sanktionen der Weltgemeinschaft gegen Teheran ein. "Die Zeit drängt. Die Entscheidung über mögliche Sanktionen wird sehr bald zu fällen sein", sagte die Kanzlerin. "Deshalb wird es sehr gut sein, dass wir auf der Konferenz auch die Vertreter Russlands und Chinas haben." Merkel will neben einer Zweierbegegnung mit Obama Russlands Präsidenten Dmitri Medwedew und Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao treffen. Russland und vor allem China hatten noch bis vor kurzem neue Strafmaßnahmen gegen den Iran abgelehnt.

Medwedew warnte am Montag vor einem israelischen Militärschlag gegen den Iran und einem folgenden Atomkrieg. Bei einem solchen Angriff würden alle Staaten des Nahen Ostens in den Konflikt verwickelt. "Dann können Sie nichts ausschließen, auch nicht den Einsatz von Atomwaffen", sagte der Kremlchef dem US-Sender ABC.

Der pakistanische Premier Gilani blieb beim Treffen mit Obama am Sonntag bei seinem Nein zu Verhandlungen über einen internationalen Vertrag zum Stopp der Produktion neuen atomwaffentauglichen Materials. Obama habe Enttäuschung darüber geäußert, Gilani ihm zugehört, aber nicht eingelenkt, schilderte die "New York Times".

Pakistan baut neue Atomwaffen

Nach Angaben der Zeitung vom Montag bereitet sich die südasiatische Atommacht auf eine Ausweitung der Produktion waffenfähigen Brennstoffes vor. Für eine "zweite Generation" von Nuklearwaffen baue Pakistan gleich drei neue Atomanlagen, hieß es unter Berufung auf Geheimdienst-Satellitenaufnahmen. Hintergrund sei das jüngste indisch-amerikanische Abkommen zur Zusammenarbeit im zivilen Nuklearbereich, nach dem Pakistans Erzfeind Indien Brennstoff und Atom-Technologie aus dem Ausland erhält. Pakistan fühle sich bedroht, weil der Vertrag es Indien ermöglichen könne, ältere zivile Nukleareinrichtungen zu militärischen Zwecken umzurüsten.

Zum eigentlichen Gipfelthema, dem Schutz vor Atomterrorismus, hieß es in Berliner Regierungskreisen, in vielen Ländern werde der Sicherung von schwach angereichertem Nuklearmaterial etwa in Krankenhäusern und Industrieanlagen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. In Deutschland gibt es allerdings nach Ansicht der Regierung ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem für die Nutzung dieses Materials. Deutschland, so hieß es weiter, will die Arbeit der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA mit 10 Millionen Euro unterstützen.

USA und Russland wollen Plutoniumvorräte abbauen

Nachdem Obama und Medwedes bereits den "New START"-Vertrag zur weiteren Reduzierung der Atomsprengköpfe unterschrieben haben, wollen Russland und die USA nun am Rande des Atom-Gipfels auch noch einen neuen Vertrag über die Verringerung ihres jeweiligen Bestands an waffenfähigem Plutonium unterzeichnen. Das kündigte Russlands Vize-Außenminister Sergej Rjabkow an.

US-Sicherheitsexperten schätzen, dass es weltweit rund 1.600 Tonnen hoch angereichertes Material sowie etwa 500 Tonnen Plutonium gibt. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 90er Jahre hat es wiederholt Versuche von Atomschmuggel gegeben. US-Geheimdienstler gehen davon aus, dass Al-Kaida-Terroristen bereits mehrfach versucht haben, Nuklearmaterial in die Finger zu bekommen.

Merkel wird nach dem Gipfel-Abschluss am Dienstag mit Obama zusammenkommen, am Mittwoch und Donnerstag ist sie in Kalifornien zu Gast. Obama seinerseits wollte sich am Montag unter anderem mit dem ukrainischen Regierungschef Viktor Janukowitsch und Hu Jintao treffen. Am Abend sollte dann der Gipfel mit einem Arbeitsessen in Schwung kommen.

dpa