TV-Tipp: "Unter Verdacht: Der schmale Grad"

TV-Tipp: "Unter Verdacht: Der schmale Grad"
In "Unter Verdacht" ermittelt Senta Berger als Eva Maria Prohacek diesmal in einem Elite-Internat. Dort wird zum Außenseiter, wer sich nicht den harten Ritualen der Mehrheit unterwirft.
09.04.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Unter Verdacht: Der schmale Grat", Samstag, 10. April, 20.15 Uhr im ZDF

"Wir aber, die wir stark sind, sollen das Unvermögen der Schwachen tragen und nicht Gefallen an uns selbst haben“: So schreibt es Paulus im 15. Kapitel des Römer-Briefes. Wie entsetzlich die Worte des Apostels missverstanden werden können, erfährt Eva Maria Prohacek (Senta Berger) bei ihren Ermittlungen in einer bayerischen Klosterschule für die junge Elite des Freistaats. Angestachelt durch einen geistlichen Pädagogen (Thomas Sarbacher), frönen die jungen Männer einem konsequenten Sozialdarwinismus: Wer dazugehören will, muss sich schmerzhaften Ritualen unterwerfen; wer sich weigert, wird zum Außenseiter.

Als einer der Jungs mit einer lebensgefährlichen Schusswunde gefunden wird, taucht die interne Ermittlerin tiefer in die Welt des idyllisch auf einer Insel im Chiemsee beheimateten Internats ein, als ihr lieb ist. Dass sie indes überhaupt dort recherchiert, ist allein ihrem Misstrauen zu verdanken, denn Hauptverdächtiger ist ein ganz anderer: Die Tatwaffe gehört keinem Geringeren als ihrem Chef Claus Reiter (Gerd Anthoff). Der gibt zunächst an, das Dienstgerät verlegt zu haben, ist später jedoch geständig. André Langner (Rudolf Krause), der Assistent der Kriminalrätin, triumphiert: Endlich scheint der verhasste Vorgesetzte, der immer wieder Dreck am Stecken hat, aus dem Weg geräumt. Eva Maria Prohacek aber hat in vielen Dienstjahren gelernt, dem ersten Anschein zu misstrauen. Ihre Hartnäckigkeit führt allerdings dazu, dass schließlich ein völlig verunsicherter Junge durch die Gänge der Schule streift; in der Hand die Waffe von Claus Reiter.

Boshafte Karikaturen

Die Krimireihe "Unter Verdacht" mag nicht mehr am ganz großen Rad der Anfangszeit drehen, als Regisseur Friedemann Fromm und das Darstellertrio unter anderem mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet wurden. Dem Geist jener ersten Folgen aber ist auch das Geschwisterpaar Achim (Regie) und Bettine von Borries treu geblieben. Vordergründig steht der unselige Korpsgeist der Klosterschule im Zentrum, aber im Hintergrund geht es auch hier um die altbekannten Seilschaften.

Neben diversen boshaften Karikaturen von sich selbst entdeckt Langner in Reiters Unterlagen Beweise für eine Riesensauerei: In einem Korruptionsprozess hat der Leiter der Abteilung Interne Ermittlungen im Verein mit diversen anderen Absolventen der Kaderschmiede einen Anwalt ans Messer geliefert, der als Bauernopfer für die Affäre herhalten musste und sich später das Leben nahm. Er war der Vater des Jungen, der nun im Koma liegt; und selbstredend gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Suizid des Vaters und dem Mordversuch am Sohn.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).