Obama und Medwedew: Erst Abrüstung, dann Knödel

Obama und Medwedew: Erst Abrüstung, dann Knödel
Einmal mehr hat die tschechische Hauptstadt Prag einen historischen Moment erlebt: Die Präsidenten der USA und von Russland, Obama und Medwedew, haben dort den wichtigsten Abrüstungsvertrag seit 20 Jahren unterzeichnet.

Bei der feierlichen Unterzeichnung des umfassendsten atomaren Abrüstungsvertrags seit zwei Jahrzehnten hatten die Gastgeber in Prag an alles gedacht - außer an den "Linkshänder" Barack Obama. Wuchtig stieß der linke Ellbogen des US-Präsidenten an den rechten Arm seines russischen Amtskollegen Dmitri Medwedew, als beide neben einander sitzend das Abkommen unterschrieben. Medwedew nahm den Rempler mit Humor. Das Lächeln des Kremlchefs war ein Bild mit Symbolwert: In der "goldenen Stadt" Prag wollten die Staatschefs mit jeder Geste die harmonische Atmosphäre ihres Gipfels unterstreichen. Die Bewohner der Moldau-Metropole waren stolz, die Kulisse für das Treffen stellen zu dürfen. Unter ihnen war aber auch viel Skepsis zu hören.

"Russland und die USA betrachten uns als neutrales Gebiet, wie Genf oder Wien", schimpfte etwa der Student Jiri Mlynar. "Aber Tschechien ist in der Nato und EU verankert. Warum ist man nicht nach Kiew gegangen?" Sogar Präsident Vaclav Klaus war es in seiner Gastgeberrolle zunächst etwas mulmig. Er freue sich zwar, dass Moskau und Washington als Treffpunkt seinen Amtssitz gewählt hätten. "Aber es ist klar, dass Tschechien keine Brücke zwischen Ost und West ist", sagte er deutlich. "Wir sind Verbündete eines der beiden Vertragspartner, der USA, auch wenn wir gute Beziehungen zum anderen Partner Russland unterhalten wollen." Nach der Unterzeichnung sprach er dann aber doch von einem "bedeutenden und erfolgreichen Treffen".

Angst vor Vernachlässigung

Rund 40 Jahre nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die Tschechoslowakei fürchten viele Tschechen, dass Obama die Region im Unterschied zu seinem Vorgänger George W. Bush vernachlässigen könnte. "Obama verzichtet zum Beispiel auf die von Bush geplante US-Radaranlage in Westböhmen, um bessere Beziehungen zu Moskau zu haben", meint der Landwirt Petr Adamik. Die Verkäuferin Vera Bayerova erinnert daran, dass sich mittlerweile tausende Russen im böhmischen Bäderdreieck niedergelassen hätten. "1991 ist die Sowjetarmee abgezogen, aber langsam werden wir wieder zur russischen Kolonie."

Nach der Wende von 1989 waren zunächst tausende Amerikaner nach Tschechien gezogen, um europäische Geschichte zu erleben. In den vergangenen Jahren waren es dann mehr und mehr Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion: Ukrainer fanden Arbeit, Russen suchten Sicherheit für Kapital und Familie, Kirgisen und Weißrussen flohen vor den politischen Verhältnissen in ihrer Heimat. Ob Sportclubs, Delikatessengeschäfte oder Videotheken - längst entwickelten die "ausländischen Prager" ihre eigene Infrastruktur. Historisch gesehen waren Böhmen, Mähren und Schlesien oft Regionen, in denen ethnisch unterschiedliche Gruppen ihr Zusammensein als Bereicherung empfanden.

In Prag wurde der Warschauer Pakt aufgelöst

So sieht es auch Eva Urbanova. Die Prager Rentnerin hat "nichts gegen Russen" und ist stolz auf den Abrüstungsgipfel in ihrer Stadt. Sie könne sich noch gut an die Niederschlagung der Demokratiebewegung im "Prager Frühling" 1968 erinnern, erzählt Urbanova. "Da ist es doch toll, dass die beiden stärksten Atommächte der Welt jetzt in unserem kleinen Land eine deutliche Reduzierung ihrer nuklearen Waffenarsenale vereinbaren." Prag stand schon einmal ähnlich im Mittelpunkt: Als mit den demokratischen Revolutionen 1989 der Kampf der Systeme zu Ende ging, war die tschechische Hauptstadt der Ort, an dem am 1. Juli 1991 der Warschauer Pakt aufgelöst wurde.

Die Unterzeichnung des Abrüstungsabkommens im reich verzierten Spanischen Saal und das anschließende Mittagessen mit böhmischen Knödeln habe auch Tschechien und Russland einander näher gebracht, berichtete das Prager Fernsehen. Er habe mit Medwedew über die nukleare Nachrüstung des tschechischen Atomkraftwerks Temelin gesprochen, sagte Vaclav Klaus. Der Präsident unterhält demonstrativ gute Kontakte zu Moskau, und als "EU-Skeptiker" nimmt er kein Blatt vor den Mund: Tschechien müsse Russland weniger fürchten als eine überregulierte EU, hatte Klaus einmal in einem Interview gesagt.

dpa