Andrea Swatzki: "Ich will andere Figuren wagen"

Andrea Swatzki: "Ich will andere Figuren wagen"
Schauspielerin Andrea Sawatzki spricht über ihren Abschied vom "Tatort", die Frauenserie "Klimawechsel", ihre komödiantische Ader und und Fältchen als Handwerkszeug.
06.04.2010
Von Cornelia Wystrichowski

Jahrelang löste sie als sensible Frankfurter "Tatort"-Kommissarin die schwierigsten Fälle, doch jetzt hat Andrea Sawatzki genug von tragischen Stoffen: Die Schauspielerin warf unlängst die düstere Ermittlerrolle hin und will sich künftig lieber von ihrer komischen Seite zeigen. Den Anfang macht die 47-Jährige mit der sechsteiligen Serie "Klimawechsel" (ab Mittwoch, 20.15 Uhr im ZDF) von Regisseurin Doris Dörrie, die ohne falsche Scham und mit teils derbem Witz von Frauen in den Wechseljahren erzählt. Sawatzki spielt die kunstsinnige Lehrerin Désirée, der Job und Familie über den Kopf wachsen und die heillos in tragikomischem Chaos versinkt. Die aus Oberbayern stammende Schauspielerin ist mit ihrem Kollegen Christian Berkel verheiratet, das Paar hat zwei Kinder und lebt in Berlin.

evangelisch.de: Frau Sawatzki, die Serie "Klimawechsel" dreht sich um die Wechseljahre und ist teilweise ganz schön derb. Die Tabubrüche werden sicherlich manchen Zuschauer auf die Palme bringen....

Andrea Sawatzki: Das wird sicher so sein. Aber macht man nicht Kunst, um zu polarisieren? Ich finde es viel schöner, wenn sich die Leute die Köpfe heiß reden, als wenn sie sagen: Gestern habe ich wieder irgendeinen Film gesehen. Dann lieber Sodom und Gomorrha. Ich selber würde natürlich nie so reden wie als Désirée in der Serie, aber es hat mir großen Spaß gemacht, dass ich mal eine Figur spielen konnte, die nicht fein und sphärisch ist, sondern die sich in den psychischen Niederungen bewegt und total durchknallt, wie ein Dampfhammer in die Tiefe stürzt.

evangelisch.de: War das nach der Rolle als "Tatort"-Kommissarin Charlotte Sänger auch eine Befreiung für Sie?

Sawatzki: Das angekündigte Ende des „Tatorts“ und diese Rolle kamen zeitgleich. Das war ein Kick für mich, ein Zeichen, dass jetzt die Zeit für mich gekommen ist, den Zuschauer auch mal zum Lachen zu bringen. Viele meiner kommenden Rollen sind eher komödiantischer Natur, darüber bin ich sehr glücklich. Ich glaube, einige dieser Angebote wären nicht gekommen, wenn ich den „Tatort“ noch weiter spielen würde. Weil das schon sehr prägt und einengt, wenn man so eine Kommissarin spielt. Diese Einschränkung war mir einfach zu viel. Ich habe die Rolle als Charlotte Sänger sehr geliebt, aber jetzt will ich auch wieder andere Figuren wagen.

Gewagte Umsetzung

evangelisch.de: Also haben Sie gar nicht lange überlegt, ob Sie in Doris Dörries "Klimawechsel" mitspielen, obwohl das Thema und die Umsetzung ja etwas gewagt sind?

Sawatzki: Nein, als ich den Namen Doris Dörrie gelesen habe, war für mich sofort klar, dass ich auf jeden Fall zusage, egal, was es ist, weil ich so ein Fan von Doris bin. Erst später habe ich dann gelesen, dass es um die Wechseljahre geht, aber ich fand das Thema gleich ungeheuer spannend. Es war höchste Zeit, mal eine Serie für Frauen zu machen, die auf die 50 oder 60 zugehen – diese Generation wird vom Fernsehen ein bisschen vernachlässigt.

evangelisch.de: Also ist die Serie nicht für Männer gedacht?

Sawatzki: Sie soll die Frauen bestärken und ein bisschen trösten, dass sie sich nicht so allein fühlen in dieser heftigen Zeit. Aber sie soll natürlich auch die Männer vor den Fernseher locken, die in dieser Lebensphase vielleicht nicht so viel Verständnis für ihre Frauen aufbringen können, weil die sich körperlich verändern und sich seelisch ein bisschen distanzieren. Ich glaube, es wäre für manche Männer hilfreich, aber auch lustig, das Problem zusammen mit ihren Frauen von der humorvollen Seite zu betrachten.

evangelisch.de: Hat sich Ihr Mann Christian Berkel "Klimawechsel" schon angesehen?

Sawatzki: Mein Mann hat gemeinsam mit mir in einer Nacht alle sechs Folgen rauschhaft durchgeguckt. Gegen ein Uhr waren wir erst bei Folge drei gelandet, und ich habe gesagt: Jetzt müssen wir aber mal ins Bett. Aber er fand es so lustig, dass wir weitergemacht haben. Mein Mann gehört allerdings auch zu den moderneren, jung gebliebenen Männern, er ist alles andere als ein Spießer.

Hitzewallungen und Depressionen

evangelisch.de: Die Frauen in der Serie werden von Beschwerden wie Hitzewallungen, Depressionen und Figurproblemen gequält. Hat Ihnen das nicht ein wenig Bange gemacht?

Sawatzki: Nein, das hat mich noch nie groß belastet. Ich befinde mich im positivsten Sinn in der Mitte des Lebens, finde dieses Alter sehr angenehm und voller Überraschungen. Da können mich auch kommende Wechseljahresbeschwerden nicht schrecken. In der Serie ist das ja auch alles sehr überspitzt dargestellt, die Frauen leiden da ja unter diversen Symptomen. So vieles auf einmal kommt da in Wirklichkeit ja nicht zusammen.

evangelisch.de: In einem Punkt sind die Probleme der Protagonistinnen aber definitiv sehr realistisch: Der Verlust von Schönheit und Jugend stellt viele Frauen in den mittleren Jahren vor erhebliche Probleme.

Sawatzki: Ich finde es sehr wichtig, dass das in der Serie so in den Vordergrund gerückt wird. Im fortgeschrittenen Alter einer Frau kommt es nicht mehr nur darauf an, gut auszusehen oder ein rein äußerlicher Anziehungspunkt für die Männer zu sein. Ab 40 muss man sich Gedanken machen, was man erlebt hat, was man gelernt hat, und wie man das für sich und seine Familie nutzen kann. Man muss etwas finden, das einen tief im Inneren bewegt, vielleicht auch mit Hilfsmitteln wie Yoga, speziellen Bücher oder Therapien den Zugang zu sich finden, sonst stürzt man wahrscheinlich in eine Krise.

Spannendes und Schönes

evangelisch.de: Wie gehen Sie mit dem eigenen Älterwerden um? Ist es ein Problem für Sie, wenn irgendwann die ersten grauen Haare und die ersten tieferen Fältchen kommen?

Sawatzki: Ich liebe ältere Gesichter. Für mich ist jeder ältere Mensch schön, der ein lebendiges Gesicht hat, aus dem ein ganzes Leben zu mir spricht. Die Falten zeigen ja die Freuden, die Schmerzen eines Lebens. Als vergleichsweise jüngerer Mensch denke ich mir dann immer: Das Leben ist nicht zu Ende, weil ich ein paar Falten bekomme, im Gegenteil, da passiert noch viel Spannendes und Schönes. Und bei mir als Schauspielerin wäre es sowieso ein Fehler, die Falten wegzuspritzen, weil sie ja eine Art Handwerkszeug sind. Ich freue mich jetzt schon auf die Rollen, die ich mit 60 spielen werde, und dafür brauche ich das Gesicht einer 60jährigen. Ich tue weder mir noch meinen Zuschauern einen Gefallen wenn ich dann aussehe wie 40, weil sie mir meine Rolle dann nicht glauben. Das Aussehen muss ein Spiegel der Seele sein.


Cornelia Wystrichowski ist freie Journalistin und lebt in Berlin.