Die Heilige Schrift ist gut für Werbesprüche

Die Heilige Schrift ist gut für Werbesprüche
Die Werbung als neue Religion? Zumindest wenn man sich deren Sprüche anschaut, erscheint es häufig so, sagt der Rostocker Theologie Thomas Klie.
04.04.2010
Von Iris Leithold

"Liebe Deine Haut wie Dich selbst." Moment mal, heißt das nicht "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst"? Nein, denn es handelt sich um einen Werbespruch für ein Hautöl, garniert mit einer sehr gepflegt aussehenden Frau. Die Werbeleute, die diesen Spruch erdachten, haben sich allerdings in der Bibel bedient. Die Hautöl-Reklame ist kein Einzelfall. Der Griff in die Heilige Schrift findet häufiger statt als man denkt, wie der Theologe Thomas Klie von der Universität Rostock beobachtet hat. Nicht nur das: Werbung werde auch zunehmend selbst zu einer Art Religion, behauptet er, "nicht immer, aber immer öfter."

Verheißung in Religion und Werbung zugleich

Dabei geht es um Verheißung. "Religion verheißt etwas, zum Beispiel ein gelingendes Leben. Werbung macht etwas Ähnliches, sie verheißt weit mehr als den reinen Nutzen des Produkts, das sie anpreist", erklärt Klie. "Das Parfüm, das man kaufen soll, hat demnach nicht nur einen guten Duft, sondern bringt Anerkennung. Das Auto transportiert nicht nur, sondern bringt Status." Werbung, die Religion wird, setze auf die magische Gestalt von Marken. Sie stiften Identität. "Zwischen einem Levis-Träger und einer Reebok-Persönlichkeit klaffen heute Welten", sagte Klie jüngst in einem Vortrag in Schwerin.

Mythen funktionieren Klie zufolge besonders gut in der Werbung, die ihre Botschaften kurz und einprägsam herüberbringen muss. Mythen seien aber vom Aussterben bedroht. "Da muss die Werbung zu den letzten Tabus greifen, zu den letzten Mythen, die noch regelmäßig und flächendeckend aufgeführt werden. Und da stehen die Bibel und die Christentumspraxis ganz oben an." Alles klar? "Was Ostern Ihnen wert ist, bestimmen Sie!", verspricht eine Cognac-Marke.

Ist die Religion nicht mehr religiös genug?

Die Werbesprüche müssen allerdings verstanden werden. In den neuen Ländern sei das nicht überall der Fall, weil christliche Symbole und Texte 40 Jahre aus dem öffentlichen Leben fast verschwunden waren. Vielen Menschen fehle christlich-kulturelles Basiswissen, das im Westen vorhanden sei, auch wenn sich viele von der Kirche abgewandt hätten. Von den zehn Geboten hat jeder gehört. Und so kann eine Zigarettenmarke erfolgreich mit folgendem Spruch werben: "Das 1. Gebot: Du sollst Deine Freunde nicht langweilen."

Theologe Klie meint, dass es durchaus ein großes Interesse an Religion in der Gesellschaft gibt. Warum verlieren die Kirchen dann immer noch Mitglieder? Selbstkritisch stellte der evangelische Theologe in seinem Schweriner Vortrag die Frage: "Vielleicht ist die evangelische Kirche ja nicht mehr religiös genug? Vielleicht haben wir - aufklärerisch und sozialkritisch aufs Beste ausgebildet - die Religion einfach sang- und klanglos aus der Kirche auswandern lassen?" Die Ewigkeit verheißt schließlich inzwischen (auch) ein Parfüm: "Eternity".

dpa