Irische Missbrauchopfer wollen umfassendere Entschuldigung

Irische Missbrauchopfer wollen umfassendere Entschuldigung
Der Entschuldigungsbrief Benedikts XVI. reicht den irischen Missbrauchsopfern nicht: Sie wollen auch die Anerkennung der jahrelangen Verschleierung, die in dem Brief fehlt. Wie es in der irischen Kirche nun weitergeht, bleibt abzuwarten. Klar ist nur: Die Aufarbeitung hat gerade erst begonnen.
20.03.2010
Von Britta Gürke

Es ist eine umfangreiche Entschuldigung geworden, doch aus Sicht der Opfer reicht sie nicht aus. Das jedenfalls ist die Meinung von Maeve Lewis zum Hirtenbrief von Papst Benedikt XVI. zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche ihrer Heimat Irland. "Die Opfer haben auf ein Eingestehen der entwürdigenden Art gehofft, mit der sie behandelt wurden, wenn sie versucht haben, ihre Missbrauchserfahrungen bei den Kirchenoberhäuptern bekanntzumachen", sagt sie. Stattdessen sei darüber, wie Irlands katholische Kirche die Misshandlung tausender Kinder jahrzehntelang vertuscht hat, kaum etwas geschrieben.

Lewis ist die Vorsitzende von "One in Four", einem der wichtigsten Opferverbände, die sich um die Aufarbeitung der Fälle von Missbrauch in Irlands Kirche kümmern. Seit sich auf der Insel Mitte der 1990er Jahre erstmals Opfer zu Wort meldeten, tat sich ein immer größerer Abgrund auf: Mehrere Tausend Kinder wurden in Kirchen, Heimen und anderen Einrichtungen über Jahre misshandelt, sexuell missbraucht und gedemütigt. Der Brief des Papstes war wie eine Art Erlösung erwartet worden.

Entschuldigung für Missbrauch, nicht für Verschleierung

Doch während die Kirchenoberhäupter und auch viele Christen in der Schrift einen "Neuanfang" sahen, sind andere Kirchenmitglieder enttäuscht. "Die Entschuldigung von heute ist nicht für die Verschleierung, sie ist für den Missbrauch", sagt Andrew Madden, der 1995 eines der ersten Opfer war, die mit ihrem Schicksal an die Öffentlichkeit traten und gegen die Kirche rechtlich vorgingen. "Mir muss keiner sagen, dass kirchlicher Missbrauch eine Straftat und eine Sünde ist." Er habe darauf gewartet, dass der Papst sich für die Verdeckung der Straftaten entschuldige, so Madden. Dafür, dass überführte Priester nicht zur Polizei, sondern nur in eine andere Gemeinde geschickt wurden.

Der zweitwichtigste Mann in Irlands katholischer Kirche, Dublins Erzbischof Diarmuid Martin, sah das anders: "Der Papst erkennt das Versagen der kirchlichen Autoritäten in der Art und Weise, wie sie mit den schändlichen und kriminellen Taten umgegangen sind, an." Die kommenden Monate dürften für Irlands Kirche einige Entscheidungen und viel Aufruhr bringen. Der Papst hat angekündigt, hohe Vatikan-Vertreter auf die Insel zu schicken und den Skandal aufzuarbeiten.

Weitere Rolle des irischen Kardinals Brady noch unklar

Die Gläubigen schauen zudem auf den wichtigsten Mann ihrer Kirche, Kardinal Sean Brady - der am Verschleierungssystem selbst beteiligt gewesen sein soll. Er soll in den 1970er Jahren Zeuge geworden sein, wie zwei missbrauchte Kinder ein Schweigegelübde ablegen mussten. Viele fordern deshalb seit Wochen seinen Rücktritt - während andere ihm in der Messe applaudieren und der Meinung sind, seine Schuld sei gesühnt.

Es gibt also viel zu diskutieren. Einig sind sich die meisten Katholiken darin, dass es mit der Aufarbeitung nach dem Papst-Brief nun weitergehen muss - vor allem, um Kinder künftig zu schützen. Brady sagte bei einer Messe am Samstag: "Lasst uns beten, dass dies jetzt der Beginn einer großen Zeit der Wiedergeburt der irischen Kirche wird."

dpa