Romanautor Müller: "Ich bin ein Gottsucher"

Romanautor Müller: "Ich bin ein Gottsucher"
Titus Müller ist 32 Jahre alt, er schreibt historische Romane und er ist einer der wenigen, die vom Bücherschreiben leben können. Sein neuer Roman handelt von dem Erdbeben in Lissabon – ein aktuelles Thema.
19.03.2010
Von Ellen Nieswiodek-Martin

Sollte ihnen im Zug ein junger Mann auffallen mit Brille, kurzen Stoppelhaare und Jeans, der ohne einmal aufzublicken oder nach links oder rechts zu schauen auf seinem Laptop tippt, dann könnte das Titus Müller sein, der gerade an seinem neuen Roman arbeitet. Der Buchautor ist viel unterwegs, er hält etwa 40 bis 50 Lesungen im Jahr. Und immer fährt er mit der Bahn - quer durch Deutschland. "Im Zug ist die Zeit doppelt genutzt, ich lege Entfernung zurück und kann arbeiten, das finde ich klasse", erzählt er und hat dabei dieses verschmitzte Grinsen im Mundwinkel. "Im Zug zu schreiben ist manchmal besser als zuhause, denn da bin ich weniger abgelenkt durch Internet oder meine E-Mails."

Menschen um ihn herum stören nicht, sondern inspirieren ihn. "Ich bin ein guter Zuhörer. Wenn andere sich unterhalten, merke ich mir das, was ich interessant finde." Um nichts zu vergessen, macht er sich Notizen, schreibt kurze Stichworte auf kleine Zettel, Servietten oder Fahrscheine.

Kostbare Ideen

"Gute Ideen sind kostbar. Sie sind flüchtig. In dem Moment wo es einen packt, muss man es direkt festhalten", erzählt er. Titus Müller packt es oft - die Liste seiner Bücher beweist es. Seine Romane spielen in England, Osteuropa oder Portugal, sie haben die unterschiedlichsten Helden und Themen. Eines haben alle gemeinsam: Immer geht es auch um Fragen, die mit dem Glauben zu tun haben.

"Weil ich selber so ein Gottsucher bin, schreibe ich gerne von Menschen, die über den Glauben nachdenken oder debattieren." Dabei geht es ihm nicht in erster Linie darum, den christlichen Glauben im Roman zu thematisieren. Meist treibt ihn eine Frage um, die ihn so stark interessiert, dass daraus ein Roman entsteht.

Die Jesuitin von Lissabon

Mitte März ist sein siebter Roman "Die Jesuitin von Lissabon" erschienen. Als Titus Müller vor über zwei Jahren mit den Recherchen begann, konnte er nicht wissen, wie aktuell das Thema des Romans im Jahr 2010 sein würde. Als Lissabon im Jahr 1755 durch ein Erdbeben zerstört wurde und zehntausende Menschen getötet wurden, bewegte viele Menschen die Schuldfrage. Dieses Thema interessierte den Schriftsteller. Damals verbreiteten die Jesuiten die Theorie, die Katastrophe sei ein Gottesgericht, die die Menschen zur Buße und Umkehr bringen sollte.

"Ich verstehe zwar den Gedanken, dass vielleicht Gott eine Katastrophe schickt. Auch in der Bibel sind ja Erdbeben als Strafe Gottes beschrieben." Die Gefahr sieht er darin, dass Menschen diese Angst zu allen Zeiten ausgenutzt haben. In seinem Roman beschreibt er, wie die Jesuiten in Lissabon auszählten, wie viele Katholiken und Protestanten umgekommen waren - war das eine Strafe für die bösen Protestanten? Welche Kirchen haben das Beben unbeschadet überstanden? "Man versuchte, aus den Antworten den 'rechten Glauben' abzuleiten."

Berufsziel Lehrer

Weil Müller auch heute noch derartige Reaktionen beobachtet, beispielsweise bei der Flutkatastrophe in New Orleans oder dem Erdbeben in Haiti, ist ihm das Thema wichtig. "Auch heute noch meinen Menschen, diese Stadt oder dieses Land seien so verrucht und böse, dass es zerstört werden musste." Titus Müller versucht, auf solche Fragen Antworten zu finden und diese im Roman zu beschreiben.

Titus Müllerlebt seit 2009 in München. Aufgewachsen in Leipzig, kam der Mauerfall für ihn genau richtig: "Wäre die Wende nicht passiert, hätte ich als Pastorensohn, der nicht in der FDJ war, niemals studieren oder veröffentlichen dürfen."

Eigentlich wollte er Lehrer für Geschichte und Deutsch werden, studierte in Berlin mittelalterliche Geschichte, Kommunikationswissenschaften und Literatur. Mit dem Schreiben fing er als Jugendlicher an. Mit 14 schrieb er Abenteuergeschichten, mit 17 Gedichte. Als er feststellte, dass kaum jemand Gedichte liest, dachte er sich lieber Kurzgeschichten aus. Eine davon las er bei der Literaturwerkstatt "open mike" in Berlin. Dort gewann er zwar keinen Preis, fiel aber einem Verleger auf, der ihn anschrieb und statt Kurzgeschichten nach einem Buchmanuskript fragte. Er setzte sich hin und versuchte es. Als sein erster historischer Roman "Der Kalligraf des Bischofs" erschien, war Titus Müller gerade einmal 25 Jahre alt. Seitdem ist er hauptberuflich Schriftsteller.

Gott als Quelle der Kreativität

Nicht jeden Tag sprudeln die Ideen einfach in die Tastatur. In seinem Buch " Vom Abenteuer, einen Roman zu schreiben" verrät er, dass ihm das Schreiben oft schwer fällt. Dann fühlt er sich als Hochstapler, den alle für einen erfolgreichen Autor halten. Aber auch das kann ihn nicht davon abhalten, sich jeden Morgen wieder an den Schreibtisch zu setzen. "Wenn mir mal gar nichts einfällt, dann denke ich daran, wie kreativ Gott ist, wie vielfältig er die Schöpfung gemacht hat und hoffe, dass er mir deswegen ein bisschen hilft, kreativ zu werden."

Inzwischen ist der achte Roman in Arbeit. "Der spielt in der neueren Geschichte des 20. Jahrhunderts. Aber mehr verrate ich nicht", lächelt der Autor.


Ellen Nieswiodek-Martin ist Redakteurin des Christlichen Medienmagazins pro und arbeitet gelegentlich als freie Journalistin. Sie lebt in Bad Schwalbach.

Das Buch "Die Jesuitin von Lissabon" ist im März 2010 erschienen im Verlag Rütten & Loening.