Missbrauch: Kirche fordert Meldepflicht

Missbrauch: Kirche fordert Meldepflicht
Nach den bisher geltenden Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz kann die Kirche auf eine Anzeige verzichten, wenn die Opfer das nicht wollen. Diese Lücke soll nach dem Willen der bayerischen Bischöfe geschlossen werden.

Die katholischen Bischöfe in Bayern wollen bei Missbrauchsfällen in kirchlichen Einrichtungen künftig enger mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten. "Deshalb empfehlen die bayerischen Bischöfe einstimmig, bei der Überarbeitung der Leitlinien die Meldepflicht bei Verdacht von sexuellem Missbrauch und körperlichen Misshandlungen an die Staatsanwaltschaft festzuschreiben", sagte der Münchner Erzbischof Reinhard Marx am Donnerstag im oberfränkischen Bad Staffelstein.

"Wir machen viel, aber es kann noch besser werden"

Dort tagen seit Mittwoch die Bischöfe der sieben bayerischen Bistümer anlässlich ihrer Frühjahrsvollversammlung. "Wir wollen alles tun, damit Aufklärung passiert, wir wollen jedem Verdacht nachgehen und ihn der Staatsanwaltschaft melden", sagte Marx. Eine hundertprozentige Sicherheit gegen Missbrauch und Gewalt an Kindern könne es nicht geben, dafür aber eine "hundertprozentige Anstrengung" vonseiten der Kirche, weitere Übergriffe zu verhindern. "Wir machen viel, aber es kann noch besser werden."

Pädagogische Einrichtungen müssten mehr überprüft und Gespräche mit Mitarbeitern und Fachleuten geführt werden. Die Bereitschaft unter den Bischöfen in diesem Punkt sei "sehr sehr groß", sagte Marx. Der Bischof forderte eine offensive Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Zugleich appellierte er an die Medien, darauf zu achten, dass Menschen nicht ungerechtfertigt in Verdacht geraten. Er lehne jeden "Generalverdacht" gegenüber der Kirche ab.

Papst-Hirtenbrief kommt Samstag

Papst Benedikt XVI. unterstütze den Weg der Kirche, betonte der Erzbischof. Vorwürfe, der Papst verhalte sich in der Missbrauchsdebatte zu zurückhaltend, wies Marx zurück. "Ich spüre kein Defizit in der Unterstützung durch den Papst."

Unterdessen kündigte der Vatikan die Veröffentlichung des mit Spannung erwarteten Briefes von Papst Benedikt XVI. über Missbrauch durch Kleriker an die irische Kirche für Samstag an. Das Kirchenoberhaupt will das "Pastoralschreiben an die irischen Katholiken" am Freitag unterzeichnen. Die auf die irische Kirche bezogene Note wird Vatikansprecher Federico Lombardi vor dem Hintergrund bekannt gewordener Missbrauchsfälle unter anderem auch in Deutschland und Österreich in einer Pressekonferenz vorstellen.

Marx weist Vertuschungsvorwürfe zurück

Marx wehrte sich gegen Vorwürfe, die Kirche setze auf Vertuschung und bewege sich "außerhalb des Rechtsraums". Bei sexuellem Missbrauch gebe es keine Anzeigepflicht, außerdem müsse man diejenigen Opfer respektieren, die keine Anzeige wünschten, erklärte Marx. Der Gesetzgeber müsste selbst aktiv werden und bei Verdachtsfällen eine Meldepflicht in pädagogischen Einrichtungen einführen. Auch den Vorwurf, der Zölibat fördere sexuellen Missbrauch, wies Marx als "abenteuerliche Konstruktion" zurück.

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick forderte eine "Kultur des Hinschauens und der Achtsamkeit". Eine solche Kultur müsse Standard werden, um keine Tabuzonen wie sexuellen Missbrauch und Gewalt entstehen zu lassen.

Experte kritisiert Umgang mit Missbrauchsvorwürfen

Das Bundesjustizministerium will die zivilrechtlichen Möglichkeiten zum Erhalt von Schadenersatz und Schmerzensgeld für Missbrauchsopfer verbessern. Die bisher lediglich drei Jahre betragende zivilrechtliche Verjährungsfrist wolle das Ministerium verlängern, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Max Stadler (FDP), am Donnerstag dem WDR. Die Initiative Bayerns im Bundesrat, die strafrechtliche Verjährung zu verlängern, werde dagegen mit Skepsis gesehen.

Der Kinderpsychiater Professor Günther Deegener kritisierte den Umgang mit den Missbrauchsvorwürfen. Er habe das Gefühl, dass die betroffenen Einrichtungen vor allem ihren Ruf schützen wollten, sagte Deegener der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstagausgabe). Das könne auf die Opfer eine verheerende Wirkung haben. "Die Opfer müssen sich ganz sicher sein können, dass offen aufgeklärt wird und sie sich öffnen können", betonte der Experte, der in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Homburg/Saar Missbrauchsopfer betreut hat.

epd