TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Eine Maria aus Stettin" (ARD)

TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Eine Maria aus Stettin" (ARD)
Die Spur von Prostituiertenmorden führt ins polnische Stettin. Drahtzieher der Morde ist ein finsterer Schurke, den Frank Giering in beängstigender Mischung aus Zärtlichkeit und Zorn verkörpert.
12.03.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Polizeiruf 110: Eine Maria aus Stettin", 12. März, 22.15 Uhr im Ersten

Die Wege der ARD sind mitunter unergründlich; zumindest ist es bis heute ein Rätsel geblieben, warum der NDR sein wunderbares "Polizeiruf"-Duo Hinrichs und Tellheim in den Ruhestand geschickt hat. Aber zum Glück gibt’s ja Wiederholungen. Diesmal fällt Hinrichs (Uwe Steimle), seines Zeichens über 15 Jahre "Polizeiruf 110"-Ermittler aus Schwerin und damit weit mehr als bloß die gute Seele der Krimis aus Meck-Pomm, gleich zu Beginn von der Leiter. Nun ist er mehr oder wenig komplett eingegipst und muss den jüngsten Fall dem Kollegen Tellheim (Felix Eitner) überlassen. Das Manko entpuppt sich aber als Glücksfall: Tellheim wurde vor zwei Jahren mit diversen Hinweisen auf seine Vorgeschichte überaus interessant eingeführt, aber mit seiner Etablierung neben Hinrichs war Schluss mit der Vergangenheit. Jetzt kann sich Eitner endlich profilieren und auch mal andere Seiten des smarten Kommissars zeigen; der harte Kerl steht dem Schauspieler überraschend gut. Aber ein Solo ist die Geschichte trotzdem nicht, denn die Spur einer Reihe von Prostituiertenmorden führt ins polnische Stettin. Dort erwartet Tellheim ein Duo, das auf originelle und immer wieder witzige Weise sämtliche Klischees der deutsch-polnischen Beziehungen verkörpert: Der Kollege Kaminski (Tomek Nowicki) ist ein oller Muffelkopp, der sich zunächst äußerst unkooperativ zeigt, während sich die hübsche Ewa (Malina Ebert) auf Anhieb in Tellheim verknallt und ihm nach einer stürmischen Liebesnacht sogar nach Schwerin folgt.

Trotz harmloser Fassade ein Monster

Die entsprechend amüsanten Szenen sind aber nur die eine Seite dieses Krimis. In die andere hat Autor Eckhard Theophil, dem eine Jugendsünde acht Jahre Knast einbrachte, seine Erfahrung mit dem Leben jenseits des Gesetzes einfließen lassen: Drahtzieher der Morde ist ein finsterer Schurke, den Frank Giering in beängstigender Mischung aus Zärtlichkeit und Zorn verkörpert. Trotz seiner harmlosen Fassade ist der Mann ein Monster, ein Zuhälter, der sich unter anderem eine Massenvergewaltigung eines seiner Mädchen bezahlen lässt. Er sorgt dafür, dass seine polnischen Huren Kinder bekommen, die er dann im Umweg über ihr Heimatland verkauft; die Mütter müssen nach der Geburt sterben (der Film "Weiße Nächte" aus der Reihe "Bella Block" hatte eine ganz ähnliche Handlung).

Dem letzten Opfer gelingt die Flucht

Ähnlich zwiegespalten wie sein Chef ist auch der Handlanger des Verbrechers, und Dirk Borchardt gelingt ein höchst sehenswertes darstellerisches Kleinod: Er stellt den brutalen Ganoven Speddy derart beschränkt dar, dass der Mann einem fast leid tut; selbst der kastrierte und lammfromme Pittbull vom Boss tanzt ihm auf der Nase rum. Ins Rollen kommt der Fall, weil es Speddy nicht geschafft hat, das letzte Opfer zu ermorden: Der Prostituierten Maria (Agata Buzek) gelingt die Flucht, und jetzt will sie ihr Baby wieder haben. Auch dank der konzentrierten Inszenierung durch Stephan Wagner und einer anregenden Musikmischung aus Rock und Reggae ein richtig guter "Polizeiruf"-Krimi.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).