Filmkritik der Woche: "Crazy Heart"

Filmkritik der Woche: "Crazy Heart"
Man muss kein Country-Fan sein, um sich in diesem Film zu Hause zu fühlen. Scott Coopers zeichnet in "Crazy Heart" mit Hilfe seines Stars Jeff Bridges das großartige Porträt eines abgerockten Musikers.
02.03.2010
Von Patrick Seyboth

Das Lässige und das Lächerliche liegen oft nah beieinander. Zum Beispiel, wenn Bad Blake in Scott Coopers dreifach oscarnominiertem Film "Crazy Heart" aus seinem Auto steigt, mit einem beiläufigen Fluch auf den Lippen und offenem Gürtel einen Kanister vom Beifahrersitz fischt und den Urin darin auf den Parkplatz schüttet. Lächerlich und tragisch ist diese abgehalfterte Country-Legende, die mitten in einem Gig die Bühne verlassen muss, um im Hof in eine Mülltonne zu kotzen. 

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Viele coole bis kaputte Typen hat der Schauspieler Jeff Bridges ("The Big Lebowski", "König der Fischer") schon verkörpert. Bad Blake ist auch ein solcher Loser, der nach dem großen Fall ganz unten angekommen ist, pleite, allein, und dem Alkohol ergeben.

Was bleibt, ist seine Musik, die seine Zuhörer noch immer verzaubert. Ganz frisch sehen die auch nicht mehr aus, aber für eine Nacht ist Bad Blake mit seinen Fans nicht wählerisch. Als einsamer Wolf tingelt er mit den alten Songs durch die Clubs und Kaschemmen am Rand seines letzten Weges. Im Vorprogramm seines musikalischen Zöglings Tommy Sweet (Colin Farrell) darf Bad Blake ab zu noch zur Gitarre greifen. Bad und Sweet: die Namen sprechen Bände. Bad ist kantig und puristisch, das verschwitzte Hemd klebt ihm am Leib; vernünftig und adrett gekleidet kommt Sweet daher. Fast hat das etwas von der Konfrontation in einem Western, mit Bridges als alterndem Revolverhelden.

Gelassen und unaufdringlich

Man muss kein Fan von Country sein, um sich von dieser Musik bewegen zu lassen, die kongenial die Verfassung der Hauptfigur spiegelt. Dezent und selbstironisch verkörpert Bridges die Starre und Lächerlichkeit dieses Typen und verzichtet dabei auf schauspielerische Kraftmeierei.

Gelassen und unaufdringlich ist die gesamte Gestaltung des Films, der ohne einen falschen Ton auskommt. Kaum etwas wird zu deutlich ausgestellt: "Crazy Heart" hat es nicht nötig, bei den Gefühlen der Zuschauer anschaffen zu gehen. Selbst die majestätischen texanischen Landschaften ziehen meist ganz bescheiden am Autofenster vorbei.

Eine Romanze kommt in Gang

Auch den großen Wendepunkt in Bad Blakes Leben erzählt Scott Cooper mit einer für ein Regiedebüt unerwarteten Souveränität. Eine junge Journalistin, selbst von schmerzlichen Erfahrungen gezeichnet, bittet ihn um ein Interview – und eine Romanze kommt in Gang. Maggy Gyllenhaal ("Dark Knight") spielt diese Jean und überzeugt in zurückhaltenden und doch zärtlich inszenierten Gesprächen mit Bridges den Zuschauer, dass zwischen diesen unterschiedlichen Menschen eine Beziehung möglich ist.

Die Charakterstudie entwickelt sich allmählich zur Liebesgeschichte, aber eine verantwortungsvolle alleinerziehende Mutter und ein Trinker kurz vor dem Kollaps reichen nicht zum Traumpaar. Als Blake mit Jeans kleinem Sohn Buddy allein in Houston unterwegs ist und ihn, angetrunken wie immer, verliert, steht die Beziehung vor dem Aus. Und Blake vor der Frage, ob er sein Leben noch ändern kann.

Seine Gefühle und seine Vergangenheit allerdings müssen wir nicht mit ihm ergründen, denn "Crazy Heart" verzichtet aufs Psychologisieren und lässt den Figuren ihre Geheimnisse. Sie sind, was sie sind. Und der Film schaut ihnen zu, voller Sympathie und Anteilnahme, aber mit respektvollem Abstand. Auf die Frage, welcher echte Name sich hinter seinem Pseudonym verbirgt, antwortet Blake, er sei Bad Blake. Auf seinem Grabstein werde sein richtiger Name stehen: "Bis dahin bin ich Bad".

USA 2010. Regie und Buch: Scott Cooper. Mit: Jeff Bridges, Maggy Gyllenhall, Colin Farell. 112min. FSK: 6 ff

epd