Sturmtief "Xynthia" fordert 53 Menschenleben

Sturmtief "Xynthia" fordert 53 Menschenleben
Bei Unwettern sind in Europa mindestens 53 Menschen ums Leben gekommen. In Deutschland legte Sturmtief "Xynthia" den Verkehr lahm. Rettungskräfte waren pausenlos im Einsatz.

Das gewaltige Sturmtief "Xynthia" hat über Westeuropa gewütet und mindestens 53 Menschen in den Tod gerissen. Die meisten Opfer gab es in Frankreich. Dort kamen im schlimmsten Unwetter seit zehn Jahren 45 Menschen ums Leben, wie das Innenministerium nach einer Krisensitzung am Sonntagabend mitteilte. Die meisten von ihnen ertranken bei Überschwemmungen an der Atlantikküste. In Deutschland wurden mindestens vier Menschen von umstürzenden Bäumen erschlagen. Es gab zahlreiche Verletzte.

In Deutschland wütete "Xynthi" am heftigsten im Südwesten, in Hessen und in Nordrhein-Westfalen. Im Schwarzwald kam ein 74-jähriger Autofahrer ums Leben, bei Wiesbaden ein 69 Jahre alter Wanderer. In Nordrhein-Westfalen starben eine Joggerin und eine Autofahrerin.

Der Sturm richtete bundesweit große Schäden an. Im Reiseverkehr brach ein Chaos aus: Viele Züge standen still, Flüge fielen aus, Straßen waren blockiert. Bahnfahrer müssen auch am Montag noch mit Beeinträchtigungen rechnen. Orkanböen entwurzelten Bäume, deckten Dächer ab und wirbelten Baustellenteile durch die Luft.

"Auf Autobahnen sieht es grausam aus"

In Nordrhein-Westfalen stand der Verkehr auf den Schienen am Abend komplett still. Die Polizei in NRW rückte zu tausenden Einsätzen aus.  "Auf den Autobahnen sieht es grausam aus", sagte ein Polizeisprecher. Die Feuerwehr in Iserlohn sprach von "Kyrill II". Der Orkan hatte im Januar 2007 eine Schneise der Verwüstung durch Europa geschlagen.

In Frankfurt/Main wurde die A3 gesperrt. In der Stadt waren der Hauptbahnhof und der Bahnhof am Flughafen vorübergehend geschlossen. Bis zum Abend fielen fast 240 Flüge aus. "Es ist alles im Einsatz, was fahren und laufen kann", sagte ein Polizeisprecher in Frankfurt. Bis zu 20.000 Menschen waren in Hessen von Stromausfällen betroffen.

Aus Sicherheitsgründen war die Geschwindigkeit vieler Fernzüge gedrosselt worden. Ein Intercity-Express mit etwa 800 Reisenden saß nach einer Kollision mit einem entwurzelten Baum stundenlang auf freier Strecke zwischen Fulda und Hanau fest. Ein ICE auf dem Weg von Berlin nach Basel strandete in Göttingen. Im Saarland stellte die Bahn den Regionalverkehr komplett, in Rheinland-Pfalz fast ganz ein.

"Meteorologische Bombe"

"Xynthia" sei ein Sturmtief, "wie man es nicht jedes Jahr hat", sagte Meteorologe Peter Hartmann vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. Die höchste Windgeschwindigkeit in Deutschland wurde nach DWD-Angaben am Sonntag bis 17.00 Uhr mit 166 Kilometern pro Stunde bei Weinbiet in Rheinland-Pfalz gemessen. In der Nacht zum Montag sollte das Orkantief den Prognosen zufolge - etwas abgeschwächt - über den Osten Deutschlands ziehen.

In Spanien, wo die Wetterexperten von einer «meteorologischen Bombe» gesprochen hatten, erreichte "Xynthia" die Rekordgeschwindigkeit von 228 Stundenkilometern. Der am Samstag gegen 21.00 Uhr in der baskischen Kleinstadt Orduña gemessene Wert liegt noch über den 213 Stundenkilometern, die Jahrhundert-Orkan "Lothar" 1999 im Schwarzwald erreichte - den bislang höchsten Wert seit Beginn der wissenschaftlichen Wetterbeobachtung Ende des 19. Jahrhunderts.

Rettungskräfte pausenlos im Einsatz

In mehreren Bundesländern waren die Rettungskräfte pausenlos im Einsatz. Mobile Toiletten, Fassadenteile, Material von Baustellen und Werbeplakate flogen durch die Luft und blockierten Straßen.

Im pfälzischen Landau erlitt eine Frau schwerste Verletzungen, als der Sturm ein Eisentor aus der Verankerung riss, das sie gerade schließen wollte. In einigen Orten in Rheinland-Pfalz fiel vorübergehend der Strom aus. "Die Bäume knicken um wie die Streichhölzer", hieß es von Einsatzkräften in Mainz.

Viele Straßen Baden-Württembergs waren von entwurzelten Bäumen blockiert. Im Raum Stuttgart fiel der Bahnverkehr aus, ein Ersatzverkehr über die zum Teil verwüsteten Straßen war nicht möglich. Bei Würzburg in Bayern erlitt ein Mann schwere Quetschungen, als er im Sturm die Arretierung eines Krans lösen wollte.

Wasser 1,50 Meter hoch in den Straßen

In Frankreich hatten eine Million Einwohner keinen Strom. An den Küsten habe der Wind eine Geschwindigkeit von bis zu 150 Stundenkilometern erreicht, berichtete der Sender France- Info. Präsident Nicolas Sarkozy sprach den Angehörigen der Opfer seine Anteilnahme aus. Am späten Nachmittag gab es beim Premierminister François Fillon ein Krisentreffen. Wirtschaftsministerin Christine Lagarde appellierte an die Versicherungen, so schnell wie möglich Entschädigungen zu zahlen. Die Zahl der Opfer könnte sich nach Angaben der Behörden noch erhöhen.

In zahlreichen Orten in der Nähe von La Rochelle stand das Wasser bis zu 1,50 Meter hoch in den Straßen. Air France strich etwa 70 von insgesamt 700 Flügen am Pariser Flughafen Charles de Gaulle. In den Pyrenäen stürzten Felsbrocken auf die Straßen. Die Grenze zu Spanien wurde zeitweise geschlossen.

In Portugal und Nordspanien hatte "Xynthia" zuerst getobt und vier Menschenleben gefordert. In Spanien starben zwei Männer, als ihr Auto gegen einen umgestürzten Baum prallte. Eine 82-jährige Frau wurde von einer Mauer erschlagen. Im Norden Portugals tötete ein abbrechender Ast einen zehnjährigen Jungen. In Nordspanien unterbrachen umgestürzte Bäume die Stromversorgung für 130 000 Haushalte.

dpa