Kinderbett aus Müll geholt - Kündigung unwirksam

Kinderbett aus Müll geholt - Kündigung unwirksam
Weil ein Müllmann ein Kinderbett aus dem Müll mitgenommen hatte, wurde ihm gekündigt. "Diebstahl", begründete der Arbeitgeber. Das Landesarbeitsgericht Mannheim war nun schon das zweite Gericht, das dies anders sah.
10.02.2010
Von Julia Schweizer

Wieviel Vertrauen genießt ein Müllmann, der Abfall mit einem Gabelstapler durch Hallen transportiert? Viel, sagt der frühere Arbeitnehmer und entließ den Mann im Dezember 2008 fristlos, weil er ein zur Entsorgung bestimmtes Kinderbett mit nach Hause genommen hatte. Das Vertrauen der Kunden gehe durch solche "Diebstähle" verloren, begründete das Entsorgungsunternehmen. Doch dieser Sichtweise widersprach nun auch in zweiter Instanz das Landesarbeitsgericht Mannheim, das die Kündigung für unwirksam erklärte. Es bestätigte damit am Mittwoch in der Berufungsverhandlung ein Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 30. Juli 2009 (Az.: 13 Sa 59/09).

Auch wenn man dem 30 Jahre alten Familienvater einen "Pflichtverstoß" unterstellen könne, so sei die Kündigung unverhältnismäßig gewesen, heißt es in der Begründung. Denn der Mann war mehr als sieben Jahre ohne größeren Probleme für das Entsorgungsunternehmen tätig gewesen, begründete der Vorsitzende Richter Guido Schlünder das Urteil.

Kamera beobachtete den Vorgang

Ein Kollege hatte dem Mann im Dezember 2008 ein Kinder-Reisebett gebracht, das er im Müll gefunden hatte. Beobachtet von einer Kamera - die wegen behördlicher Auflagen installiert worden war - baute der 30-Jährige das Kinderbett auf, um zu sehen, ob es noch brauchbar ist. Dann baute er es wieder ab, brachte es in sein Auto und heim zu seinen beiden kleinen Töchtern. Dass dies ein Diebstahl gewesen sein soll, sei ihm nicht bewusst gewesen, sagte er vor Gericht. "Stellen Sie mich nicht als Dieb hin", sagte er seinem früheren Arbeitgeber. "Wenn ich hätte klauen wollen, hätte ich das nicht tagsüber gemacht und auch nicht vor einer Kamera."

Das sah der frühere Arbeitgeber anders: Es habe ein ausdrückliches Verbot gegeben, Dinge aus den Containern mitzunehmen. Dies sei dem Mann auch bewusst gewesen, sagte die Anwältin der Firma. Es sei unerheblich, wie wertvoll der Gegenstand sei. "Uns steht es nicht zu, zu beurteilen, ob die Entsorgung sinnvoll ist", sagte der Geschäftsführer. Hätte ihn der Mitarbeiter aber gefragt, hätte er Rücksprache mit dem früheren Eigentümer des Bettchens gehalten und geprüft, ob es gegen eine Mitnahme Einwände gebe. Der Anwalt des Mannes hielt dagegen, es habe kein besonderes Vertrauensverhältnis gegeben. Das unterscheide den Fall auch von dem der Kassiererin, der wegen angeblich unterschlagener Pfandbons gekündigt worden war.

Agentur sperrte Arbeitslosengeld

Ob es nun tatsächlich Diebstahl war oder nicht, ließ das Landesarbeitsgericht zwar offen und verwies auf die schriftliche Urteilsbegründung. Viel wichtiger sei aber das langjährige Arbeitsverhältnis gewesen. Fortgesetzt werden wird dieses wohl nicht. Denn auch wenn der Familienvater nach einer zwischenzeitlichen Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufgrund der Krise wieder arbeitslos ist: Zurück will er wohl kaum an seinen früheren Arbeitsplatz, sagte er vor Beginn der Verhandlung. Immerhin kann er nun darauf hoffen, dass sein früherer Arbeitgeber den ihm entstandenen Schaden auch tatsächlich begleicht. Denn aufgrund der verhaltensbedingten fristlosen Kündigung bekam er drei Monate lang kein Arbeitslosengeld. Zuvor hatte er im Monat rund 2.670 Euro verdient. Zudem dauerte es weitere vier Monate, bis er einen neuen Job fand.

Zu den alten Kollegen hat er noch ein bisschen Kontakt. "Die sind mittlerweile noch vorsichtiger geworden", sagte er. Das Vertrauen in seinen früheren Arbeitgeber ist auch von seiner Seite aus zerstört. Eine Revision ließ das Landesarbeitsgericht nicht zu, da es sich um einen Einzelfall handle und keinen von grundsätzlicher Bedeutung.

dpa