epd-Jubiläum: Merkel ruft zum Blick über den Tellerand auf

epd-Jubiläum: Merkel ruft zum Blick über den Tellerand auf
Die älteste deutsche Nachrichtenagentur hat 100. Geburtstag gefeiert: Rund 300 Gäste aus Kirche, Politik und Medien kamen am Mittwochabend zum Jubiläums-Festakt des Evangelischen Pressedienstes (epd) ins Museum für Kommunikation in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nutzte die Gelegenheit, den Vertretern von Presse, Rundfunk und Nachrichtenagenturen einige mahnende Worte auf den Weg zu geben: "Qualität ist mit Sicherheit kein Störfaktor für erfolgreiche Geschäfte", sagte sie.
03.02.2010
Von Karsten Frerichs

Zwar wisse sie, dass "eine gewisse Zeitnähe zweckdienlich ist" im Geschäft der Nachrichten. Allerdings stellte die Kanzlerin Gründlichkeit in der Recherche sowie die Schilderung von Zusammenhängen und Hintergründen als journalistische Tugenden heraus. Die Festrednerin würdigte insbesondere die Schwerpunktsetzung des epd, der unter anderem im Bereich der Entwicklungspolitik den Blick auf benachteiligte Regionen in der Welt richte und in der Medienberichterstattung Akzente setze. Auch die epd-Sozialberichterstattung sei in Zeiten der Wirtschaftskrise und anhaltender "Verteilungskämpfe" von besonderem Wert. "Behalten Sie sich den Blick über den Tellerand", sagte sie an die epd-Journalisten gewandt.

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Nur Bischöfe im O-Ton?

Rund 80 fest angestellte Redakteure in mehr als 30 deutschen Städten arbeiten für den Evangelischen Pressedienst. Sitz der Zentralredaktion ist Frankfurt am Main. Hinzu kommen die acht Landesdienste, die über die epd-Arbeitsgemeinschaft untereinander sowie mit der Zentralredaktion verbunden sind.

Auch das Spannungsfeld des epd zur evangelischen Kirche, die die Nachrichtenagentur trägt, beleuchtete die Kanzlerin und äußerte Verständnis, dass kritische Berichterstattung bisweilen schwer zu ertragen sei: "Welcher Pastor oder Bischof möchte schon von sich lesen, dass er Defizite hat?" fragte Merkel. In der Politik indes sei das in gewisser Weise üblich.

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Nur "Bischöfe im O-Ton" - das würde den epd-Kunden wohl kaum gefallen, gab sich Thomas Schiller, Chefredakteur der epd-Zentralredaktion überzeugt. "Gerade in den Jahren der Krise würden Sie uns sofort abbestellen, wenn wir Ihnen kirchenamtliche Verlautbarungen liefern würden", sagte er an die Vertreter der Medien gewandt. Der aktuelle Erfolg der Agentur gibt Schiller Recht: Rund zwei Drittel der deutschen Tageszeitungen mit rund 37 Millionen Lesern beziehen den epd, darüber hinaus alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Hinzu kommen Online-Kunden. Eine höhere Reichweite hatte der epd in seiner 100-jährigen Geschichte nie.

"Der epd kennt das Genre einer Predigt"

Von bisweilen als unfair empfundener medialer Kritik wusste nach der Kanzlerin auch Bischöfin Margot Käßmann zu berichten, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Im Gespräch mit dem Chefredakteur des "Hamburger Abendblatts", Claus Strunz, machte sie unter anderem eine verkürzte Berichterstattung für den Wirbel um ihre umstrittene Neujahrspredigt mit der Kritik am Afghanistan-Einsatz aus. Der epd indes habe verstanden, dass der Satz "Nichts ist gut in Afghanistan" nur im Zusammenhang mit ihrer Predigt zu verstehen sei. "Die kennen das Genre einer Predigt", sagte Käßmann über die Arbeit der epd-Redakteure. Strunz plädierte wie Merkel für gründliche Berichterstattung. Er empfahl dem epd, "ganz klar die Qualität vor die Schnelligkeit zu setzen".

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Bei der Gründung des epd 1910 war an den Minutentakt von Nachrichten noch nicht zu denken: Vom Korrespondentendienst der Kaiserzeit entwickelte sich der epd bis heute zur modernen Nachrichtenagentur, die sich auf dem deutschen Medienmarkt behauptet. Das ist gegen die Konkurrenz von fünf Vollanbietern gelungen: Insbesondere der lange als unangefochten geltende Marktführer Deutsche Presse-Agentur (dpa) liefert sich seit kurzem mit dem Deutschen Depeschendienst (ddp) einen Preis- und Qualitätskampf mit harten Bandagen, zumal ddp sich mit dem Deutschen Auslands-Depeschendienst (DAPD) gerade eine starke Tochter aus der US-Agentur AP einverleibt hat. Hinzu kommen die Weltagenturen Reuters und Agence France-Presse (AFP). Einmalig ist außerdem, dass zwei kirchlich getragene Agenturen ihre Dienste anbieten, neben dem epd die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA).

Eine Bilderstrecke mit Motiven von der Veranstaltung in Berlin finden Sie hier.

epd