"Das ist revolutionär", kommentiert Gladys Abboud. Die 23jährige Theologiestudentin aus Beirut staunt über den Beschluss der Gemeinschaft der Protestantischen Kirchen im Nahen Osten, dass Frauen zum Pfarramt zugelassen werden sollen. Abboud ist Mitglied der Presbyterianischen Kirche und engagiert sich der Kinder- und Jugendarbeit. Ob das Votum für die Frauenordination ihre berufliche Zukunft beeinflussen wird, weiß sie noch nicht: "Der Beschluss hat sicher die Position von Frauen in der Kirche gestärkt und mich ermutigt, weiter dort zu arbeiten."
Auch Badr Habib, Pfarrer der Evangelischen Kirche im Libanon und Vizepräsident der Kirchengemeinschaft, begrüßt, dass die Frauenordination näherrückt. Das wichtigste sei, dass der Beschluss im Konsens unter den 23 Mitgliedskirchen zustande kam, hebt Habib hervor. Als letzte gaben die Delegierten der Reformierten Kirche in Ägypten ihre Vorbehalte auf. In der 1974 entstandenen Gemeinschaft Evangelischer Kirchen haben sich protestantische und anglikanische Minderheitskirchen aus Ägypten, dem Iran, Irak, Kuwait, Libanon, Syrien, Jordanien, Palästina, Sudan, sowie Algerien und Tunesien zusammengeschlossen, die rund zwei Millionen Gläubige vertreten.
"Die Widerstände aus der Gesellschaft sollten uns nicht abhalten"
Vorbereitet hat den historischen Beschluss zur Frauenordination das theologische Komitee der Kirchengemeinschaft. Mary Mikhael ist die einzige Frau in diesem Beratungsgremium. Die Direktorin der Near East School of Theology, eine protestantische Kirchliche Hochschule mit Sitz in Beirut, arbeitete zehn Jahren darauf hin. Beharrlich setzte sie das Reizthema Frauen und Pfarramt auf die Tagesordnung und präsentierte dazu theologische Studien.
Denn die Einwände gegen die Frauenordination kennt die Hochschullehrerin zur Genüge. Neben den bekannten biblischen Argumenten wurde ihr oft entgegengehalten, die evangelische Kirche müsse auf die traditionell-konservative gesellschaftliche Situation in den Ländern des Nahen Ostens und die ökumenischen Beziehungen zu den älteren orthodoxen Kirchen Rücksicht nehmen. "Immer wieder hieß es, wenn die Minderheit der evangelischen Christen die Frauenordination zulassen würde, dann würden die Beziehungen zu den anderen großen Kirchen darunter leiden." Auch das Verhältnis zu den Muslimen wurde angeführt und interreligiöse Empfindlichkeiten befürchtet, erinnert die Professorin.
George Sabra, der ebenfalls an der Beiruter Hochschule lehrt und dem theologischen Komitee angehört, vergleicht die Rolle der evangelischen Kirche im Nahen Osten bei der Frauenordination mit ihrer Rolle bei der Frauenbildung. Im 19. Jahrhundert waren evangelische Christen im arabischen Raum Vorreiter bei der Einführung der Schulbildung für Mädchen: "Die Widerstände aus der Gesellschaft haben uns damals nicht davon abgehalten weiter zu machen. So ähnlich sollten wir mit der Frauenordination umgehen", empfiehlt der Theologe.
Rasche Umsetzung nicht zu erwarten
Trotz dieser Ängste ist nicht zu erwarten, dass der Beschluss zu Spannungen zwischen den Kirchen führen wird. Ein Vertreter der Maronitisch-Katholischen Kirche kommentierte die Entscheidung lapidar mit den Worten: "Evangelische Christen glauben ohnehin nicht an das Weihe-Sakrament. Deshalb ist für uns das Amt des Pastors oder der Pastorin eine rein verwaltungstechnische Angelegenheit."
Laut Maha Wahbi, für das Frauenprogramm im Mittelöstlichen Kirchenrat zuständig, ist Frauenordination kein dringliches Anliegen der arabischen Christinnen. Wahbi ist zwar davon überzeugt, dass theologisch nichts gegen die Öffnung der Pfarramtes für Frauen spreche. Weil sie innerkirchliche Spaltungen und Spannungen fürchten, verzichten sie und andere Frauen allerdings lieber auf diese Forderung. Priorität hat für die orthodoxe Christin die Zulassung von Richterinnen an kirchlichen Gerichten und die Förderung von Frauen als Diakoninnen.
Nach dem Beschluss zur Frauenordination ist allerdings nicht zu erwarten, dass bereits in Kürze Pfarrerinnen auf den Kanzeln der Mitgliedskirchen stehen werden. Mary Mikhael macht sich keine Illusionen: "Bei uns braucht alles seine Zeit! Es wird jetzt erst mal in vielen Kirchengemeinden Diskussionen geben."