Stefan Raab, der bei seinem Grand-Prix-Auftritt 2000 mit dem Song "Wadde hadde dudde da" einen respektablen fünften Platz belegte, leitet die mit Gaststars wie Yvonne Catterfeld und Peter Maffay besetzte Jury – den Sieger, der im Mai zum Grand-Prix-Finale nach Norwegen fahren darf, wählen aber die Zuschauer. Moderiert werden die Shows gemeinsam von Matthias Opdenhövel ("Schlag den Raab") und Radiomoderatorin Sabine Heinrich.
evangelisch.de: Herr Opdenhövel, Sie moderieren den völlig umgemodelten deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest. Was war der Schlagerwettbewerb für Sie bislang: Kult oder Quatsch?
Matthias Opdenhövel: Ich bin seit dem 24. April 1982 vom Kultvirus infiziert: Wie Nicole mit Faltenrock auf dem Barhocker saß und frisch geföhnt "Ein bisschen Frieden" geträllert hat, das hat sich mir ins Gedächtnis gebrannt. Ich war damals zwar erst elf Jahre alt, aber ich habe gemerkt, dass das etwas Besonderes war – und es wird doch Zeit, dass wir so was wieder hinkriegen.
"Wenn der Song knallt, finden ihn alle gut"
evangelisch.de: Aber so schön wie mit Nicole kann es doch gar nicht mehr werden....
Opdenhövel: Das vielleicht nicht, aber wir reden immerhin von den Europameisterschaften im Singen, und wir hoffen schon, das Ganze mit dieser ungewöhnlichen Kooperation von ARD und Pro Sieben wieder mehr zu emotionalisieren. Die deutsche Vorauswahl hat die Zuschauer zuletzt überhaupt nicht mehr interessiert – wir machen jetzt mehrere Shows daraus, damit die Leute richtig mitfiebern und sich allmählich ein Favorit rauskristallisiert, der beim Finale in Oslo die Rückendeckung vom ganzen Land hat.
evangelisch.de: Wo Deutschland dann Europameister wird?
Opdenhövel: Wir können natürlich keinen Sieg garantieren. Aber wir möchten auf keinen Fall in der Vorrunde ausscheiden, wenn wir ins Viertelfinale oder Halbfinale kommen, ist das ein Erfolg. Und wenn wir am Ende den Pott holen, wäre das natürlich brillant. Wir suchen jemanden mit Siegchancen, quasi den Lionel Messi des Mikrofons – aber wenn am Ende eine Birgit Prinz mit Gitarre dabei herauskommt, ist das auch in Ordnung.
evangelisch.de: Wie muss ein Song denn aussehen, damit er auf der europäischen Schlagerbühne bestehen kann? Brauchen wir ein bombastisches Lied mit wild kostümierten Interpreten?
Opdenhövel: Das glaube ich nicht, für meinen Geschmack könnte der Fokus mehr auf die Musik gelegt werden. Ich hoffe, dass es nach den als Monster verkleideten "Lordis" und einer halbnackten Dita von Teese wieder etwas puristischer wird. Leider weiß man ja vorher nie, welche Musikrichtung und welche Kostümierung gerade den Geschmack der geballten Ostblock-Fraktion trifft. Wenn man ein Geheimrezept hätte, wäre man ein sehr reicher Mann. Aber ich glaube, wenn der Song knallt, dann finden ihn alle gut und dann gewinnt er auch.
"Wir machen keine Comedysendung"
evangelisch.de: Für "Unser Star für Oslo" wurden mehrere tausend Teilnehmer gecastet, 20 von ihnen konkurrieren in den acht Shows darum, wer zum Finale nach Oslo fahren darf. Sind auch bekannte Künstler dabei?
Opdenhövel: Nein, da kommt nicht auf einmal ein Jan Delay oder ein Peter Fox um die Ecke. Wir suchen jemanden mit Potenzial, der aber bundesweit noch nicht bekannt ist.
evangelisch.de: Das Konzept der Show erinnert irgendwie an Bohlens "Deutschland sucht den Superstar"....
Opdenhövel: Aber bei uns gibt es keinen Slapstick, keine lustigen Ausschnitte aus den Castings, und wir suchen auch nicht in der Verwandtschaft der Kandidaten nach schwarzen Schafen, um daraus eine rührselige Geschichte zu stricken. Das überlassen wir anderen Sendungen. Wir machen keine Comedysendung, sondern ein ganz ernstzunehmendes Musikcasting. Wir suchen eine Stimme, uns geht es um den Künstler und was er auf der Bühne kann.
evangelisch.de: Sie moderieren normalerweise Shows wie die Marathonsendung "Schlag den Raab" auf Pro Sieben. "Unser Star für Oslo" wird abwechselnd im Ersten und auf ProSieben zu sehen sein. Ist die Zusammenarbeit mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen ein großer Kulturschock für Sie?
Opdenhövel: Eigentlich überhaupt nicht, und für mich als Moderator ist es in der Live-Sendung auch gar kein so großer Unterschied, ob ich für die ARD oder für ProSieben auf der Bühne stehe. Etwas ist allerdings gravierend anders: In den ARD-Sendungen gibt es keine Werbeinseln, das wird die größte Umstellung sein für mich. Meine Cola muss ich mir also vor Sendebeginn statt in der Pause reinpfeifen, damit ich am Ende nicht dehydriert bin. Aber Spaß beiseite, wir reden über eine Zweistundensendung, das ist im Vergleich zu "Schlag den Raab" gerade mal ein Warmlaufen.
Opdenhövels Kindheitstraum
evangelisch.de: Die ARD gilt aber doch als sehr umständlich, Günther Jauch sprach nach seinem geplatzten Wechsel von RTL zum Ersten sogar von den Gremlins in den Chefetagen...
Opdenhövel: Sicherlich gab es im Vorfeld das ein oder andere Gespräch mehr, aber das liegt einfach an der Struktur des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Es wäre doch naiv zu denken, dass bei denen alles genauso schnell vonstatten geht wie bei den Privaten. Aber als die Ampel erst mal auf Grün stand, habe ich keinen Unterschied mehr gemerkt. Meine Kontakte waren bislang äußerst angenehm, das sind sehr engagierte Leute bei der ARD, und es wird sicherlich eine sehr entspannte Zusammenarbeit.
evangelisch.de: Wenn die ARD Sie fragen würde, ob Sie als Moderator zum Ersten wechseln wollen, wären Sie also nicht abgeneigt?
Opdenhövel: Es gibt durchaus unattraktivere Sender als das Erste, momentan habe ich aber bei ProSieben eine schöne Heimat. Allerdings würde sich für mich ein Kindheitstraum erfüllen, wenn ich beim Finale in Oslo, das ja Ende Mai im Ersten übertragen wird, für Deutschland die Punktevergabe durchgeben dürfte. "Thank you Oslo, that’s a wonderful show tonight. And here are the results of the german jury." Wenn mich jemand fragt, ob ich dafür zur Verfügung stehe, bin ich der Letzte, der sagt: Ich kann an dem Tag leider nicht.
Cornelia Wystrichowski ist freie Journalistin und arbeitet in Berlin.