Fachleute: Imame an deutschen Hochschulen ausbilden

Fachleute: Imame an deutschen Hochschulen ausbilden
Neben muslimischen Religionslehrern sollen künftig auch Imame, also die Vorbeter in den Moscheen, an deutschen Universitäten ausgebildet werden. Dafür spricht sich der Wissenschaftsrat aus. Zugleich plädiert das von Bund und Ländern getragene Expertengremium für Einschnitte bei den christlich-theologischen Fakultäten. Die Zahl der Studierenden der katholischen und evangelischen Theologie geht seit Jahren zurück.
01.02.2010
Von Bernhard Thom

In einer am Montag in Berlin veröffentlichten Stellungnahme mit dem Titel "Zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen" spricht sich das Gremium dafür aus, an zwei bis drei Hochschulen ein mit jeweils vier bis fünf Professuren ausgestattetes Fach "Islamische Studien" einzurichten. Der Wissenschaftsrat ist ein von Bund und Ländern getragenes Beratergremium, das für die Entwicklung des Hochschulsystems in der Bundesrepublik Verantwortung trägt und unter anderem auch für die Anerkennung privater Hochschulen zuständig ist.

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"Das ist ein drängendes Desiderat", sagte der Vorsitzende des Rates, der Münchner Germanist und Mediävist Peter Strohschneider. Denn folgt man den Angaben des Soester Islam-Archivs, gibt es in Deutschland inzwischen rund vier Millionen Muslime und über 2.800 Orte, an denen sie sich zum Gebet versammeln. Das Freitagsgebet aber wird fast überall von Geistlichen geleitet, die aus den Ländern des Orients stammen. Mit den Verhältnissen hierzulande sind sie nicht vertraut. Integrationsprogramme, wie sie etwa die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung für türkische Imame anbietet, sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Heftiger Konflikt in Münster

Bislang scheiterten Vorschläge zur Einrichtung des Fachs islamische Theologien an deutschen Hochschulen regelmäßig daran, dass die Muslime nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sind, und deswegen mit dem Staat nicht kooperieren dürfen. Derzeit werden nur in Münster Islamkunde-Lehrer im Rahmen eines Modellprojektes ausgebildet. Hier gab es allerdings vor kurzem einen heftigen Konflikt, in dessen Verlauf der Lehrstuhlinhaber Muhammad Sven Kalisch, ein deutscher Islamwissenschaftler, auf Druck des Koordinierungsrates der Muslime (KRM) von der Lehrerausbildung entbunden wurde. Kalisch bezweifelt, dass es den Propheten Muhammad gegeben hat.  

Der Wissenschaftsrat schlägt vor, an den betreffenden Instituten "theologisch kompetente" Beiräte einzurichten, die an der Berufung von Professoren beteiligt sind und prüfen sollen, ob es gegen Bewerber Einwände aus religiösen Gründen gibt. In ersten Reaktionen begrüßten Vertreter des politischen Berlin die bereits vorab bekanntgewordene Stellungnahme des Rates. "Die Ausbildung von islamischen Religionslehrern gehört für mich zu einer überzeugenden Integrationspolitik in modernen Gesellschaften", sagte Bundesbildungsministerin Anette Schavan (CDU) in der "Welt am Sonntag". Auch Vertreter der Migrantenverbände sowie der Grünen-Abgeordnete Volker Beck unterstützten den Vorstoß.

"Bedarfsgerechte Anpassungen"

Veränderungen forderte das Beratergremium dagegen von den christlichen theologischen Fakultäten. Angesichts einer religiös zunehmend pluralen Gesellschaft müsse es "bedarfsgerechte Anpassungen" geben, so der Wissenschaftsrat. "In der Theologie hat sich die Nachfrage der Studierenden verändert", sagte Strohschneider. Immer mehr Studierende belegten Theologie nur als Zweit- oder Drittfach, darauf müsse das Angebot der Fakultäten reagieren. Eine Fakultät, die bislang noch jeweils zwei Lehrstühle für Altes und Neues Testament besitzt, sollte überlegen, die Zahl dieser Professuren zu halbieren und stattdessen Lehrstühle für bislang wenig beachtete Fächer wie Kirchliche Zeitgeschichte oder Orthodoxe Theologie einzurichten. Dies käme den Interessen der Studierenden stärker entgegen.

Vor allem die katholische Kirche sollte sich aus den Habilitationsverfahren von Theologieprofessoren zurückziehen, weil es sich dabei um eine "rein akademische Angelegenheit" handele, so der Wissenschaftsrat. Fakultäten beider Konfessionen seien künftig stärker zur Zusammenarbeit aufgefordert. Institute, an denen Religionslehrer für Gymnasien ausgebildet werden, müssten künftig höhere personelle und fachliche Mindestanforderungen erfüllen. Dort, wo die Judaistik noch an eine evangelische Fakultät angebunden sei, sollte sie von ihr getrennt und an die philosophischen Fakultäten verlagert werden.


Bernhard Thom ist freier Journalist und schreibt für evangelisch.de.