"Elena": Im Netz regt sich Widerstand gegen die Datensammelei

"Elena": Im Netz regt sich Widerstand gegen die Datensammelei
Der zu Jahresbeginn gestartete elektronische Entgeltnachweis ("Elena") soll Papier und Nerven sparen, indem im Fall der Arbeitslosigkeit den Behörden bereits alle Angaben zum Einkommen elektronisch vorliegen. Allerdings wird noch viel mehr erhoben: Nach jetzigem Stand sollen Krankenstände, Streiktage und Kündigungsgründe miterfasst werden. Dagegen keimt jetzt Widerstand auf, allerdings von unerwarteter und unorganisierter Seite. Die Gewerkschaften haben das Thema dagegen verschlafen, meint Markus Beckedahl vom Blog netzpolitik.org.
20.01.2010
Von Georg Klein

Seit einigen Tagen stehen zwei e-Petitionen, die sich gegen Elena richten, auf der Seite des Deutschen Bundestages online - eine gemäßigte und eine radikale. Die erste strebt lediglich an, die zu erhebenden Daten zu reduzieren; besonders strittige Details wie Streiktage, Krankenstände und Kündigungsgründe sollen ihr zufolge nicht mehr an die Arbeitsagentur weitergeleitet werden. Die zweite Petition hingegen fordert eine vollständige Aufhebung des Projektes und verweist dazu auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Unterstützung und Kritik

Hinter den Petitionen steht keine der Organisationen, die man als Initiator vermuten würde - auch wenn manche Seiten, etwa die der Piratenpartei, des AK-Vorratsdatenspeicherung oder Netzpolitik.org, bereits darüber berichtet haben. Beide Initiatoren waren bis dato unbekannt. Der Antrag auf vollständige Abschaffung hat trotzdem bereits über 3.000 Unterzeichner gefunden. Die sechswöchige Zeichnungsfrist beider Petitionen endet am 2. März 2010. Unterschreiben 50.000 Unterstützer bereits innerhalb der ersten drei Wochen, so wird der Petent in einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses des Bundestags angehört.

Sowohl in den Kommentaren als auch auf den Forumsseiten zu den Petitionen werden die Anträge grundsätzlich unterstützt, aber auch kritisiert: Zwei verschiedene Petitionen einzureichen würde keinen Sinn machen, wurde bemängelt, ebenso wie mangelhafte Form und Rechtschreibung.

"Gewerkschaften hätten viel früher reagieren müssen"

Wir führten ein kurzes Gespräch mit Markus Beckedahl vom einschlägigen Weblog netzpolitik.org über Sinn und Unsinn von Petitionen und das notwendige Interesse der Arbeitnehmer am Datenschutz:

evangelisch.de: Wie beurteilen Sie die beiden Petitionen?

Markus Beckedahl: Sie sind von Bürgern eingereicht worden, auch wenn es unklar ist, um wen es sich dabei handelt. Wenn genügend Unterzeichner zusammenkommen, werden sie trotzdem erst in einem halben Jahr im Ausschuss behandelt. Viele hoffen dadurch vor allem jetzt auf mediale Aufmerksamkeit für dieses Thema. Hier bietet sich eigentlich für Gewerkschaften die Möglichkeit, ihre Mitglieder zu motivieren. Gerade Gewerkschaften müssen eigentlich das größte Interesse daran haben, sich gegen Elena zu engagieren.

evangelisch.de: Haben nicht die Gewerkschaften viel zu spät bemerkt, worum es bei Elena eigentlich geht?

Beckedahl: Ja, sie hätten schon viel früher reagieren müssen. Ich denke, viele erwarten auch, dass die Gewerkschaften weitaus offensiver gegen Elena vorgehen.

"Man kann mit drei Klicks beide Petitionen mitzeichnen"


evangelisch.de:
Macht es überhaupt Sinn, dass es zwei Petitionen gibt?

Beckedahl: Es macht nicht unbedingt Sinn, aber das System des Deutschen Bundestages ist so, dass jeder Bürger unabhängig von anderen eine Einreichung machen kann. Das hat immerhin den Vorteil, dass tatsächlich etwas passiert, oft genug tut ja keiner etwas. Es ist aber problematisch, dass es keine Absprachemöglichkeiten im Vorfeld gibt, auch um so einfache Sachen wie Argumentations- und Rechtschreibfehler zu vermeiden. Das System lässt da keine Koordination zu.

evangelisch.de: Ist es nicht etwas ungeschickt, dass die Initiatoren gar nicht bekannt und zu erreichen sind?

Beckedahl: Das sind einfach Bürger, die sich im Moment über das Thema aufregten, sich hinsetzten und vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben politisch tätig wurden. Grundsätzlich ist es ja zu begrüßen, wenn das im Einzelfall so ist. Wenn Menschen, die möglicherweise gar nicht politisch organisiert sind, einfach hingehen und wenigstens mal das tun, was andere nicht getan haben.

evangelisch.de: Welcher der beiden Petitionen würden Sie denn den Vorzug geben?

Beckedahl: Es kann nicht schaden, beide zu unterzeichnen. Wenn man schon mal auf der Plattform und eingeloggt ist, was ja meistens die größte Hürde darstellt, dann kann man auch mit drei Mausklicks beide mitzeichnen.

Neues vom Initiator

Ganz ähnlich sieht das übrigens der Initiator der gemäßigten Petition zur Modifizierung von Elena, Thomas Herr. Kurz vor Redaktionsschluss tauchte im Forum zu seiner Petition doch noch ein Kommentar von ihm auf: Eigentlich sei er auch für eine vollständige Abschaffung, schreibt er, aber einer Modifizierung räume er mehr Chancen ein. Deshalb hätte er auch die Petition seines "Konkurrenten" mitgezeichnet.

Währenddessen bemüht sich Simon Lange von der Piratenpartei nach eigenen Angaben bereits darum, die deutschen Betriebsräte mit Informationen zu Elena zu versorgen. Ob nun die von einzelnen Unbekannten gestartete Initiative genug Fahrt gewinnt, um Elena in der bisherigen Form tatsächlich zu verhindern, bleibt abzuwarten - immerhin bietet das Netzzeitalter prinzipiell die Chance dazu.

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Georg Klein ist freier Autor und lebt in Offenbach am Main

Foto: Franz Patzig