Schreiber vor Gericht: Er grüßt und schweigt

Schreiber vor Gericht: Er grüßt und schweigt
Karlheinz Schreiber tritt vor dem Landgericht Augsburg nicht wie ein Angeklagter auf. Zehn Jahre nach seiner spektakulären Flucht nach Kanada kommt er am Montag im dunkelblauen Anzug eher wie ein langerwarteter Politiker in den Gerichtssaal und gibt im Blitzlichtgewitter den Erstaunten.
18.01.2010
Von Nikolaus Dominik

Selbstbewusst schaut er in die Runde, lächelt und grüßt: "Guten Morgen und ein gutes neues Jahr für alle." Ungeniert lässt er sich fotografieren und erweckt den Eindruck, als genieße er seinen Auftritt zurück in Deutschland. Dann setzt er sich und tuschelt mit seinem Anwalt.

Mehr ist von Schreiber nicht zu vernehmen. Er schickt seine Münchner Anwälte vor. Der erste, Jens Bosbach, zeichnet Schreiber als einen Mann, der wegen seiner Millionen-Geschäfte seit Jahren als "Drahtzieher" von Machenschaften verzerrt dargestellt werde. Die Verteidigung werde sich deshalb bemühen, Schreiber unabhängig davon darzustellen, damit sich das Gericht ein "eigenes, freies Bild" von dem Angeklagten machen könne. Die Vorwürfe würden so nicht zutreffen, seien sogar falsch. Dazu gehöre, dass lange Zeit Schmiergelder sogar als "nützliche Aufwendungen" steuerlich absetzbar und an Schreibers Aktivitäten stets "höchstrangige Politiker" beteiligt gewesen seien.

Unbewegte Miene bei der Anklageverlesung

Schreiber folgt den Ausführungen seiner Verteidiger konzentriert, blättert in der Anklageschrift und macht sich Notizen. Der 75-Jährige, der seit August 2009 in Untersuchungshaft sitzt, macht einen wachen Eindruck und mustert immer wieder die Pressevertreter im Zuschauerraum. Blickkontakt zum Vorsitzenden Richter Rudolf Weigell hat er kaum. Doch als ihn dieser nach den Erklärungen der Verteidiger fragt, ob die vorgetragenen Äußerungen so zutreffend seien, antwortet Schreiber schneidig: "Exakt meine, Herr Vorsitzender."

Keine Miene hat Schreiber bei der Verlesung der Anklageschrift verzogen. Auch nicht bei der Passage, als der Staatsanwalt vortrug, Schreiber habe mittels zweier Scheinfirmen in Liechtenstein und Panama "ein für die Finanzbehörden undurchschaubares Lügengebäude" aufgebaut und dadurch den Zufluss von Provisionen vertuscht. Immerhin geht es dabei um große zweistellige Millionenbeträge, für die Schreiber über elf Millionen Euro Steuern hinterzogen haben soll.

Doch Schreiber zeigt kein Unrechtsbewusstsein. Über seinen zweiten Verteidiger Olaf Leisner lässt er seine Sicht der Dinge vortragen. "An allen Entscheidungsprozessen waren Politiker und Beamte beteiligt", versucht der Anwalt die Rolle Schreibers zu relativieren. Natürlich fällt der Name Franz Josef Strauß. Bayerns früherer Ministerpräsident habe vor seinem Tod 1988 bei Flugzeuggeschäften mitgewirkt, für die Schreiber später Provisionen kassierte.

Strauß als Intimfeind

Schreiber hatte sich stets als Intimfreund von Strauß bezeichnet und sich mit seinen Kontakten durch Strauß in die höchsten Etagen der Wirtschaft gebrüstet. "Ich will meine Bedeutung nicht herunterspielen", lässt er seinen Verteidiger für sich sagen, aber er müsse schon darauf hinweisen, dass bei all seinen Geschäften, für die er jetzt vor Gericht steht, Politiker eine wichtige Rolle gespielt hätten. "Wo man hinschaut, waren Politiker involviert. Es hat keinen Auftrag ohne Gegenleistung gegeben."

Die Anklage hat die verschwiegenen Einkünfte Schreibers akribisch vorgetragen: Insgesamt waren es mehr als 64 Millionen D-Mark Provisionen für Panzer- und Flugzeuggeschäfte, die Schreiber dem Finanzamt verschwieg und so rund 20 Millionen Einkommenssteuer plus etwa 4 Millionen Gewerbesteuer hinterzog. Angesichts dieser Summen sei der umstrittene Vorwurf der Bestechung gegen Schreiber "gering", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz. "Es ist eine Genugtuung, Schreiber vor Gericht zu stellen", sagte Nemetz, der den Angeklagten über zehn Jahre beharrlich verfolgt hatte. Jetzt darf Nemetz den Erfolg für sich reklamieren, die Schlüsselfigur des CDU-Spendenskandals doch noch vor Gericht gestellt zu haben.

dpa