Benedikt XVI. erinnert an Leiden der Holocaust-Opfer

Benedikt XVI. erinnert an Leiden der Holocaust-Opfer
Papst Benedikt XVI. hat bei seinem ersten Besuch in der Synagoge von Rom an die Leiden der Holocaust-Opfer erinnert. Im Zweiten Weltkrieg starben rund sechs Millionen Juden. Vor dem Besuch des katholischen Kirchenoberhaupts in dem jüdischen Gotteshaus hatte es Proteste von Überlebenden gegeben. Umstritten ist vor allem die Haltung von Papst Pius XII. (1939-1958) gegenüber dem Holocaust.

Die Schoah stelle "den Höhepunkt auf einem Weg des Hasses dar, der entsteht, wenn der Mensch seinen Schöpfer vergisst und sich selbst in den Mittelpunkt des Universums stellt", sagte Benedikt XVI. am Sonntag in Anwesenheit des israelischen Vizepremierministers Silvan Shalom. Viele hätten den Deportationen "gleichgültig" gegenübergestanden, beklagte der Papst. Gleichzeitig habe es jedoch zahlreiche Römer gegeben, darunter viele Katholiken, die "vom Glauben und der christlichen Lehre gestützt, mutig reagierten und ihre Arme öffneten, um Juden auf der Flucht zu helfen".

Auch der Heilige Stuhl habe "häufig im Verborgenen Unterstützung geleistet", betonte der Papst mit Blick auf den Streit um Papst Pius XII. Kritiker werfen diesem vor, zum Holocaust geschwiegen zu haben. Angesichts von Kritik an seiner Haltung gegenüber dem Judentum auch wegen der Aufhebung der Exkommunikation des Holocaust-Leugners, Bischof Richard Williamson, bekannte sich Benedikt XVI. zum "unumkehrbaren Weg des Dialogs, der Brüderlichkeit und Freundschaft". Diesen habe das Zweite Vatikanische Konzil vor rund sechzig Jahren eingeschlagen.

Rosen für deportierte Juden

Vor seiner Rede hatte der Papst ein Rosengebinde an der Gedenktafel für die 1943 aus dem römischen Ghetto deportierten Juden niedergelegt. Benedikt wies in Anwesenheit von italienischen Regierungsvertretern und Rabbinern aus aller Welt auf die gemeinsamen biblischen Wurzeln von Juden und Christen hin. Aufgrund ihres Ursprungs und gemeinsamer Glaubensüberzeugungen müssten sie sich gemeinsam gegen moderne Gottvergessenheit auflehnen. In diesem Zusammenhang würdigte Benedikt Fortschritte im jüdisch-katholischen Dialog der letzten vierzig Jahre. Seit seinem Amtsantritt besuchte Benedikt bereits Synagogen in Köln und New York.

Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Roms, Riccardo Pacifici, erinnerte unter Hinweis auf seine eigene Familie daran, dass katholische Klöster italienische Juden vor der Deportation bewahrten. Hilfe für verfolgte Juden sei "weder in Italien noch im restlichen Europa ein Einzelfall" gewesen. Umso schwerer wiege "das Schweigen von Pius XII. angesichts der Schoah", betonte Pacifici. Öffentliches Eintreten des Kirchenoberhaupts "hätte vielleicht nicht die Todeszüge angehalten, aber es wäre ein Signal, ein Wort des äußersten Trostes, der menschlichen Solidarität gewesen".

"Gerade noch tolerierte Untertanen"

Aus Protest gegen den jüngsten vom Papst beschlossenen Fortschritt im Seligsprechungsprozess für Pius XII. waren mehrere römische Holocaust-Überlebende dem Papstbesuch in der Synagoge fern geblieben. Der römische Oberrabbiner Riccardo Di Segni erinnerte an die bis zum Ende des Kirchenstaats und der italienischen Staatsgründung 1870 währende Unterdrückung der römischen Juden durch die katholische Kirche. Juden seien als "gerade noch tolerierte Untertanen" gezwungen gewesen, Päpste bei ihrem Amtsantritt zu bejubeln.

"Die Zeiten haben sich offensichtlich geändert", betonte Di Segni in Hinblick auf den Dialog zwischen Juden und Christen. Gleichwohl müsse man sich "ehrlich fragen, was zur Wiedererlangung einer authentischen Beziehung der Brüderlichkeit und des Verständnisses fehlt", mahnte Di Segni. Teile des Judentums fürchteten, dass die katholische Seite den Dialog letztlich mit dem Ziel der Missionierung betreibe.

epd