"Tatort: Der Polizistinnenmörder", Sonntag, 17. Januar, 20.15 Uhr in der ARD
Hauptberufliche Ermittler sind auch nur Menschen und deshalb manchmal dümmer, als die Polizei erlaubt. Im Fernsehen sowieso: Wenn die Hauptkommissarin weiß, dass in ihrem Revier ein sogenannter Maulwurf jede Information umgehend an eine Gangsterbande weiterleitet, sollte sie eigentlich genau überlegen, welche Informationen sie ihrem Büro telefonisch mitteilt. Andererseits ist dieser Fehler erst die Voraussetzung für den wohl spannendsten "Tatort", den der SWR bislang am Bodensee produziert hat.
Der Film beginnt zwar klassisch mit einer Leiche, ist aber trotzdem allenfalls in zweiter Linie ein Krimi. Der in diesem Genre äußerst erfahrene Autor Leo P. Ard und der Schweizer Regisseur Florian Froschmayer erzählen ihre Geschichte vor allem als Thriller: weil Klara Blum (Eva Mattes) und ihr Schweizer Kollege Flückiger (Stefan Gubser, der zukünftige eidgenössische "Tatort"-Kommissar) in höchster Gefahr schweben, als sie gemeinsam den in Schaffhausen verhafteten Waffenhändler Meiners (Michael Brandner) nach Konstanz überführen wollen. Ihre Verfolger gehen über Leichen, ohne mit der Wimper zu zucken; auch Meiners soll als potenzieller Kronzeuge ausgeschaltet werden.
Winter im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet
Die Hauptfiguren sind also über weite Strecken der Handlung auf der Flucht durch das winterlich unübersichtliche deutsch-schweizerische Grenzgebiet - gedreht wurde unter anderem auf der Höri. Durch den ständigen Ortswechsel ändern sich auch immer wieder die Zuständigkeiten, was zu einigen amüsanten Wortgefechten zwischen Blum und Flückiger führt. Die beiden haben schon 2008 in "Seenot" zusammengearbeitet. Sehr hübsch gibt Buch und Regie dem Gespann immer wieder die Gelegenheit, sich allen Verfolgern zum Trotz mal in gegenseitiger Sympathie, mal in Kompetenzgerangel zu ergehen. Das Finale des Films ist allerdings echtes Hochspannungsfernsehen, enorm dicht inszeniert und geschnitten (Sabine Garscha), selbst wenn Froschmayer seine Figuren ballern lässt wie in einem Western.
Die Geschichte wiederum lebt von der Frage, wer der Maulwurf im Revier ist. Diese Handlungsebene gehört Blum-Mitarbeiter Perlmann (Sebastian Bezzel): Er findet heraus, dass der Waffenhändler nicht nur rechtzeitig vor seiner Verhaftung in Konstanz informiert, sondern auch mit einem Streifenwagen in Sicherheit gebracht worden ist. Bei der Flucht hat er offenbar eine junge Beamtin erschossen. Mit unfreiwilliger Hilfe seiner hübschen Tochter (Alissa Jung), an die sich Perlmann erfolgreich ranmacht, gelingt es der Polizei zwar, Meiners festzunehmen, doch der schweigt eisern, was den Verräter angeht. Allenfalls alte Krimihasen werden angesichts der entsprechenden Auflösung nicht überrascht sein.
Bildgestaltung nach US-Manier
Mitunter soll die Bildgestaltung ein bisschen zu sehr an US-Serien wie "CSI" erinnern, aber gerade die Nachtaufnahmen sind von ausgezeichneter Qualität (Kamera: Christoph Schmitz); auch die Musik (Oliver Kranz) hat einen nicht zu unterschätzenden Anteil am großen Spannungsgehalt dieser Koproduktion zwischen SWR und Schweizer Fernsehen. Außerdem erkennt man in diesem "Tatort" Bösewichter daran, dass sie "Konstanz" sagen und nicht "Konschtanz"). Und dass Perlmann von Fasching statt von Fasnacht spricht, ist natürlich auch ein krasser Fauxpas; aber Bezzel ist halt ein Bayer.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).