Mit edlen Stoffen für Afrikas Entwicklung

Mit edlen Stoffen für Afrikas Entwicklung
Im Atelier in der senegalesischen Hauptstadt Dakar klacken die Webstühle aus Holz. Die Spinnrädchen drehen sich zur afrikanischen Musik aus dem Radio. Hier, in der Werkstatt der Künstlerin Assia Dione (51), entstehen edle Stoffe für Luxuslabels wie Hermès oder Fendi Casa.
12.01.2010
Von Martina Zimmermann

Stoffe auch, aus denen die Träume der Senegalesen von wirtschaftlicher Entwicklung sind: "Manche meiner Stoffe kosten 80 Euro pro Meter", rechnet Aissa Dione vor: "Ein Kilo Baumwolle für einen Euro wurde zu einem Stoff verarbeitet, der pro Meter ein halbes oder ein drittel Kilo wiegt für 80 Euro."

Das ist ihr Entwicklungskonzept. Sie macht Rohstoffe zu Exportartikeln, vor Ort, in Afrika: "Man kämpft nicht gegen Armut, indem man dem Bauern ein paar Cents mehr gibt für seine Baumwolle", lautet ihr Credo: "Aber wenn die Dorfbewohner spinnen, weben, färben und verkaufen, wird sich was ändern im Dorf."

Mandjak-Ethnie in Westafrika bekannt für ihre Kunst

Aissa Dione ist die Tochter eines Senegalesen und einer Französin. Die Künstlerin wuchs in der französischen Provinz auf, in Nevers in Burgund. Sie studierte Kunst in Frankreich, reiste dann über Marokko und die mauretanische Wüste ins Land ihres Vaters, nach Senegal. In Dakar schrieb sich die junge Frau an der Schule der Schönen Künste ein, widmete sich der Malerei und der Herstellung von Batikstoffen.

Bis Aissa Dione 1985 die Arbeit eines Webers aus der Casamence entdeckte, der südlichen Region Senegals. Die dort lebende Mandjak-Ethnie ist in ganz Westafrika bekannt für ihre Kunst. Die Weber fertigen geometrische Muster mit bis zu 40 Kettfäden. "Dieses Know-how der Handwerker im Senegal hat eine sehr künstlerische Seite", schwärmt Aissa Dione.

Senegalesische Kunst erhalten

Traditionell werden die Stoffe in einer Breite von 20 Zentimetern hergestellt. Aissa Dione probiert Webstühle von 90 und später 140 Zentimetern Breite aus, arbeitet an neuen Farben und Mustern, entwickelt Motive und Streifen und bereichert die traditionelle Baumwolle mit Raphiabast, einer Faser aus Palmenblättern. Sie veredelt die Webware, gibt ihr Glanz und Glamour. Schnell sind ihre Stoffe im internationalen Textilgeschäft gefragt, und auch ihre Designermöbel werden in aller Welt ausgestellt, von Montreal über Johannesburg bis New York und Paris.

In ihrer Boutique in Dakar bestellen reiche Senegalesinnen, Japanerinnen und Europäerinnen Sessel, Sofas und Tische mit den schönen Stoffen. Der Laden ist gleichzeitig Galerie: Neben Schals, Handtaschen und handgeschneiderten Westen werden auch Werke junger senegalesischer Maler verkauft.

"Handarbeit und traditionelles Kunsthandwerk haben sich in Europa und in der westlichen Welt nur in der Luxusindustrie erhalten", sagt die Geschäftsfrau. "Auch diese senegalesische Kunst muss bewahrt werden. Man muss sie in die moderne Welt einbringen, damit dieses Können soviel wert ist wie das Know-how in den USA oder anderswo."

Weber: "Ich bin stolz, schöne Sachen zu machen"

Zu ihren Kunden gehörten bereits Modemacher wie Louis Féraud oder Paco Rabanne und Designer wie Andrée Putman, die für ihre Kollektionen oder für ihre privaten Häuser Bestellungen aufgaben. Rund 30 Menschen arbeiten für Aissa Dione in mehreren Werkstätten in Dakar.

"Klar bin ich stolz darauf, schöne Sachen zu machen" erklärt Augustin Mane, einer ihrer Mitarbeiter. "Madame Dione ist in der ganzen Welt berühmt dank der Sachen, die wir machen!" Der 47-jährige Weber, Vater von sechs Kindern, stammt aus der Casamence.

An den Handwebstühlen in der Werkstatt sitzen die Männer konzentriert bei der Arbeit, flink bewegen sie Hände und Füße. "Dieses Motiv heißt Nigeria, die Fäden sind braun, weiß, schwarz, Schokolade, Tabak und weiß", erklärt der 50-jährige François Bass. Auch er hat das Weben bei seinem Vater in der Casamence gelernt.

Unverwechselbar: Edles Tuch made in Africa

Ruhiger ist die Atmosphäre im Büro im ersten Stock, wo Aissa Dione ein paar Mitarbeiter zur wöchentlichen Besprechung versammelt hat. Derzeit hat die Unternehmerin finanzielle Sorgen. Die internationale Krise verbessert die Lage nicht.

"Wir sind ganz am Anfang", sagt sie. Im Senegal verkauft sie wenig. Die meisten Senegalesen kaufen heute Vorhänge, Bettüberzüge oder Tischdecken aus billigem, importierten Polyester. "Ich repräsentiere nichts, 0,005 Prozent des Konsums", erklärt Aissa Dione.

Dakar ist zurzeit eine einzige große Baustelle, überall werden Straßen, Autobahnen und Gebäude konstruiert. "Die Wirtschaft eines Landes kann nicht auf Immobilienspekulationen oder dem Bau von Hochhäusern und Villen beruhen, mit Geld, das womöglich von Auswanderern geschickt und außerhalb von Senegal verdient wird", ist Aissa Dione überzeugt. Sie beweist tagtäglich, dass in Afrika einzigartig Wertvolles hergestellt werden kann: Edles Tuch made in Africa - und nicht in Asien oder woanders in der Welt kopierbar.
 

epd