China: 5.000 Verhaftungen wegen Online-Pornografie

China: 5.000 Verhaftungen wegen Online-Pornografie
Rund 5.000 Menschen sind im vergangenen Jahr in China wegen Internet-Pornografie verhaftet worden. Die Meldung löste bei Medien und Politik im Westen kaum Reaktionen hervor - vermutlich, weil es um ein eher schlüpfriges Thema geht. Unklar ist allerdings, welches Schicksal die Verhafteten erwartet. Zudem wird die Anti-Pornografie-Kampagne der Chinesen womöglich auch dazu genutzt, unliebsame Internetseiten mit politischen Inhalten zu sperren. 9.000 Webseiten wurden insgesamt lahmgelegt.
07.01.2010
Von Sebastian Pertsch

Die Meldung klingt trocken und nüchtern: "China nimmt Tausende Verdächtige fest", hieß es lapidar bei Spiegel Online. Ein großer Aufschrei, wie er sonst üblich ist, wenn in China etwa ein Blogger verhaftet wird, blieb aus. Vielleicht, weil das Thema ein wenig schlüpfrig ist. Bereits vor einem Jahr hatte China ein härteres Vorgehen gegen Pornografie im Internet angekündigt. Die groß angelegte Kampagne diene der "Säuberung des Internets von einer ordinären Strömung", hieß es damals.

Was zunächst beinahe sympathisch klingt, hat in China allerdings traurige Tradition. Denn das Regime "säubert" das Internet nicht nur vor "ordinären Strömungen", sondern von allem, was dem Regime gefährlich erscheint. Die Grenzen verschwimmen. Was offiziell eine Maßnahme gegen Pornografie ist, kann auch politische Hintergründe haben.

China ist das Land mit den weltweit meisten Internetbenutzern. Schätzungsweise könnten es bereits mehr als 400 Millionen registrierte Surfer im Reich der Mitte sein, und somit rund 100 Mio mehr als in der gesamten Europäischen Union. Seit einem halben Jahr sind jedoch einige Web2.0-Modeerscheinungen wie Facebook, YouTube, Flickr oder Twitter teilweise oder vollständig in China gesperrt. Also Dienste, die häufig von Bürgerrechtlern verwendet wurden.

Internet macht Zensur sichtbar

Die Verurteilung des prominenten Menschenrechtlers Liu Xiaobo machte zuletzt erneut deutlich: Meinungsfreiheit wird in China nicht geduldet, sondern hart bestraft. Der Schriftsteller Xiaobo wurde am Heiligen Abend 2009 zu elf Jahren Haft verurteilt, weil er ein Dokument für mehr Demokratie unterschrieb.

Was mit den genau 5.394 Menschen geschieht, die im Rahmen der Anti-Pornografie-Kampagne verhaftet wurden, ist unklar. Aber die Rechtssprechung im Land der Mitte lässt schlimmes befürchten. China ist das Land mit den meisten Todesstrafen. Die Öffentlichkeit hat sich daran gewöhnt. Einen größeren Aufschrei gab es erst wieder, als am 29. Dezember erstmals seit 50 Jahren ein Europäer hingerichtet wurde. Das Vorgehen gegen Akmal Shaikh löste internationale Proteste aus, schließlich litt der Brite unter einer Psychose mit Wahnvorstellungen. Für solch einen Fall sieht das chinesische Strafgesetzbuch eigentlich den Artikel 18 vor, in der ein "leichtere Strafe" vergeben werden kann.

Laut Amnesty International sind 2008 offiziell 1.718 Menschen in China exekutiert worden. Doch die Anzahl sei in der Volksrepublik China sogar "um ein Vielfaches höher", die Menschenrechtler schätzen bis zu 10.000 Fälle pro Jahr .

Welche Strafe?

Noch eines ist an der Anti-Pronografie-Kampagne bedenklich: Es wurde eine ganz neue Dimension der Online-Zensur aufgefahren. Die Regierung bediente sich ihrer eigenen Bürger. Wer als Erster eine Website mit pornografischen Inhalten den öffentlichen Stellen verriet, erhielt  umgerechnet rund 1.000 Euro. Eine ganze Stange Geld in einem Land, in dem laut einem UN-Menschenrechtsbericht zufolge 35 Prozent der Bevölkerung mit weniger als 2 US-Dollar pro Tag auskommen muss. Ein Testballon auch für das Vorgehen gegen Menschen- und Bürgerrechtler?

Die Strategie ging jedenfalls auf: 9000 Websites mit über 1,5 Millionen "unzüchtigen Inhalten" wurden  2009 gesperrt. Die "Strafverfahren haben sich vervierfacht", wie Peking stolz berichtet.

Lahmgelegt wurden dabei freilich auch Internetseiten, die sich der Sexualerziehung widmeten. Und so machten sich wohl nicht nur diejenigen strafbar, die die Aufklärungsseiten anboten, sondern auch jene, die sich lediglich informieren wollten.

In seinem Bericht kündigte das Ministerium für Öffentliche Sicherheit nun eine erneute "Verstärkung der Überwachung von Informationen" für das Jahr 2010 an. Für die Demokratiebewegung lässt dies nur böses erahnen.


Sebastian Pertsch ist freier Hörfunkjournalist. Als Berliner hat er sich jahrelang ehrenamtlich für die Kinder- und Jugendarbeit in der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) engagiert. Seine beruflichen Stationen als Journalist führten ihn später über Süd-Frankreich und dem Krisengebiet in Afghanistan nach Nordrhein-Westfalen. Sebastian Pertsch lebt in Düsseldorf und arbeitet sowohl in der Landeshauptstadt als auch in Köln und Aachen zumeist als Nachrichtensprecher.

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