Niebel contra Hilfswerke: Streit um Afghanistan

Niebel contra Hilfswerke: Streit um Afghanistan
Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) und Hilfsorganisationen streiten über eine stärkere Zusammenarbeit mit der Bundeswehr in Afghanistan. Die Deutsche Welthungerhilfe und der Verband Entwicklungspolitik (VENRO) lehnten die Forderung Niebels nach einer engeren Verzahnung am Dienstag ab. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen seien in der Vergangenheit in Afghanistan getötet worden, weil ihre Unabhängigkeit vom Militär möglicherweise nicht klar genug gewesen sei, sagte der VENRO-Vorsitzende Ulrich Post.

Entwicklungsminister Niebel hatte in einem Interview angekündigt, finanzielle Zusagen für Hilfsverbände in Afghanistan an ihre Bereitschaft zur Kooperation mit der Bundeswehr zu knüpfen. Bei Hilfsorganisationen stieß diese Ankündigung auf deutliche Ablehnung. Entwicklungshilfe dürfe kein militärisches Instrument werden, sagte der Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, Wolfgang Jamann, der "Berliner Zeitung".

Der Gründer der Hilfsorganisation "Grünhelme", Rupert Neudeck, sah in Niebels Äußerung eine Verschärfung des bisherigen Tons. Prinzipiell liege der Minister mit seiner Forderung ganz auf der Linie der Bundesregierung, die militärisches Engagement in Afghanistan stets mit ziviler Aufbauhilfe verknüpft habe. "Das mit einer Drohung zu verbinden, hatte sich bislang aber noch keiner getraut", sagte Neudeck.

Der Vorsitzende des Verbandes Entwicklungspolitik (VENRO), Ulrich Post, der 118 kirchliche und private Entwicklungsorganisationen vertritt, sagte: "Es ist lebensgefährlich, zu nah am Militär zu arbeiten, weil wir nicht mehr als unabhängig und unparteiisch wahrgenommen werden." Seriöse Hilfswerke würden sich nicht darauf einlassen, mit dem Militär zusammenzuarbeiten. Zumindest für die deutschen Organisationen könne er das garantieren. "Die Bundeswehr ist weiter als Herr Niebel", sagte Post. Die Militärs wüssten um die Wichtigkeit unabhängiger Hilfe. Es gebe bereits einen intensiven Dialog zwischen der Bundeswehr und den Entwicklungsorganisationen.

Niebel will Geld an die Kooperation mit der Bundeswehr knüpfen

Niebel wies die Kritik der Hilfsorganisationen zurück. Es gehe nur um eine bessere Verzahnung der Arbeit der Bundeswehr mit den Entwicklungsorganisationen vor Ort, nicht um eine Militarisierung der Entwicklungszusammenarbeit, sagte sein Sprecher Rolf Steltemeier. Das deutsche Engagement in Afghanistan solle von einem ganzheitlichen Ansatz geprägt sein. Die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Hilfsorganisationen könne noch verstärkt werden. Vor einer konkreten Ausgestaltung müsse allerdings die internationale Afghanistan-Konferenz im Januar abgewartet werden, erläuterte Steltemeier.

Niebel habe kein Verständnis für Organisationen, die sich bewusst von der Bundeswehr distanzierten und nur dort arbeiten wollten, wo die Bundeswehr nicht im Einsatz sei, so der Sprecher. Finanzielle Zusagen für Hilfswerke in Afghanistan sollen daher künftig an ihre Bereitschaft zur Kooperation mit der Bundeswehr geknüpft werden.

Diskussion um weitere Strategie in Afghanistan

Auf der Afghanistan-Konferenz im Januar wird auch die Truppenforderung der USA eine Rolle spielen. US-Präsident Obama schickt 30.000 weitere Soldaten nach Afghanistan, aber fordert auch von den NATO-Partnern Truppen ein. In Deutschland ist umstritten, ob und wie viele weitere deutsche Soldaten an den Hindukusch geschickt werden sollen. Unter anderem treffen am 14. Januar in der Talkshow "Tacheles" der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann und der Bundeswehr-Professor Michael Wolffsohn aufeinander.

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Wolffsohn sieht nur eine Chance für Sicherheit und Wiederaufbau in Afghanistan, wenn der Kampf gegen die Taliban auch mit zusätzlichen Truppen gewonnen wird."Allein durch die Bekämpfung der Armut mit ziviler Hilfe kann man den Terrorismus nicht bekämpfen", meint der Historiker in seinem Vorab-Statement.

Militärbischof Dutzmann ist anderer Meinung. Er sagt, das Militär sei dafür da, die zivile Hilfe abzusichern. Die brauche aber ebenso wie das Militär eine klare politische Vorgabe, die nicht zu hoch gesteckt sein darf: "Eine Demokratie nach westlichem Muster werden wir in Afghanistan nicht etablieren, und das ist auch nicht die Aufgabe. Aber wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wenn im Namen der Sharia Dieben die Hand abgehackt oder eine vermeintliche Ehebrecherin gesteinigt wird." Nur mit zivilem Wiederaufbau könne man "durch die Linderung der Armut die Gewalt an der Wurzel zu überwinden."

Wolffsohn und Dutzmann werden gemeinsam mit der Vorsitzenden des Afghanischen Frauenvereins, Nadia Nashir-Karim, und Oberstleutnant der Reserve Uwe Lampe, der selbst in Afghanistan stationiert war, am 14. Januar bei "Tacheles" darüber diskutieren. Die Sendung wird um 19 Uhr in der Marktkirche in Hannover aufgezeichnet und knapp eine Woche später auf Phoenix ausgestrahlt (am 24. Januar 2010 um 13 Uhr und um 22.30 Uhr).

epd/han