Lange Haftstrafen im Ehrenmord-Prozess

Lange Haftstrafen im Ehrenmord-Prozess
Zehn Monate nach dem sogenannten Ehrenmord an einer 20 Jahre alten Kurdin im niederrheinischen Rees ist ihr Vater zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er soll bei der Tat der Drahtzieher gewesen sein. Den Drillingsbruder des Opfers verurteilte das Landgericht Kleve am Dienstag zu einer Jugendhaftstrafe von neuneinhalb Jahren. Ein 37-jähriger Helfer muss für siebeneinhalb Jahre hinter Gitter.

"Gülsüm ist einem furchtbaren Verbrechen zum Opfer gefallen", sagte der Vorsitzende Richter Christian Henkel. "Es ist die Tat von Vater und Sohn." In dem Indizienprozess sah es das Gericht als erwiesen an, dass der Bruder und sein aserbaidschanischer Bekannter die junge Frau Anfang März in einen Hinterhalt gelockt, sie gewürgt und ihr mit Knüppeln das Gesicht bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert hatten. Damit sollte die Familienehre wieder hergestellt werden.

In dem 50-jährigen Vater sah das Gericht den Hauptverantwortlichen des Mordkomplotts. Vater und Sohn wurden wegen gemeinschaftlichen Mordes verurteilt, der dritte Angeklagte wegen Beihilfe zum Mord. Gülsüms Bruder hatte die Tat nach seiner Festnahme in einer Polizeivernehmung gestanden. Mit den Urteilen folgte das Gericht weitgehend der Forderung der Anklage. Die Verteidigung hatte für den Vater und den Bekannten Freisprüche verlangt sowie eine milde Jugendstrafe für den Bruder.

Westlicher Lebensstil passte der Familie nicht

Gülsüm, die eine Liebesbeziehung zu einem Albaner hatte, sollte gegen ihren Willen verheiratet werden. Als die Familie erfuhr, dass sie keine Jungfrau mehr war und heimlich eine Abtreibung hatte vornehmen lassen, beschlossen der Vater und ihr Bruder nach Überzeugung des Gerichts, sie umzubringen. Unter einem Vorwand lockte der Bruder die 20-Jährige auf einen einsamen Feldweg. Von hinten legte er seiner Schwester eine Wäscheleine um den Hals und drosselte sie bis zur Bewusstlosigkeit. Anschließend zertrümmerte er gemeinsam mit dem Bekannten das Gesicht Gülsüms mit Ästen.

Gülsüms westlicher Lebensstil war ihrer kurdischen Familie seit langem zuwider. Der Vater schlug und verprügelte sie nach Worten des Vorsitzenden Richters immer wieder, um einen Sinneswandel zu erzwingen.

Gülsüms Familie war mit zunächst sechs Kindern, unter ihnen die Drillinge, vor etwa 15 Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Gülsüms Mutter hatte sich kurz nach der Ankunft 1996 unter nie ganz geklärten Umständen das Leben genommen, nachdem bei ihr Krebs diagnostiziert worden war. 1999 heiratete der Vater erneut, aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor. Alle Kinder wurden nach den traditionellen Regeln der Kurden und des Korans erzogen. Nach Ansicht von Sachverständigen herrschen in der Familie archaisch-patriarchalische Vorstellungen - die Ehre sichere die Existenz.

dpa