Neujahrsgruß von Bischöfin Margot Käßmann

Neujahrsgruß von Bischöfin Margot Käßmann
Dass der Glaube eine Chance bekommt, wünscht die EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann sich in ihrem Neujahrsgruß für evangelisch.de. Sie greift dabei die Bibelworte der Jahreslosung der Herrnhuter Brüdergemeine auf: "Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!"

Ein neues Jahr!
Manche sagen: Es liegt uns zu Füßen.
Manche meinen: Es breitet sich vor uns aus.
Andere vielleicht: Es grüßt uns.

Selig sind die, die so in die Zukunft gehen können. Sie haben Glück, sie sind beschenkt mit Zuversicht und Lebensfreude.

Doch es gibt auch andere Töne und Farben, die der Gedanke an das neue Jahr auslösen kann.
Manche denken an einen steilen Berg, den sie erklimmen müssen.
Manche sehen all die Hindernisse und Hürden, die das Neue ihnen beschert.
Anderen macht der Schritt über die Schwelle in ein neues Jahr richtig Angst.

Für mich ist da immer beides: Die Lust auf das Neue verdeckt den Gedanken an viel Arbeit und Belastung nicht. Die Chancen und Herausforderungen des neuen Jahres, auf die ich motiviert zugehe, machen nicht vergessen, dass es auch Schwieriges zu bewältigen geben wird. So leben wir immer mit beidem: mit dem, was vor uns steht, das Neue, der Anfang und Aufbruch und mit dem, was wir mitbringen an Erfahrungen, an Gelungenem und Belastendem. Wir wissen es: Das neue Jahr liegt nicht nur vor uns wie der weiße, unberührte Schnee am Morgen, den Kinder mit großer Ehrfurcht und Freude betreten.

In diese gemischten Gefühle am Beginn des neuen Jahres hinein spricht die Jahreslosung – der Bibelvers, den die Herrnhuter Brüdergemeine ausgelost hat für das Jahr 2010. Ein Wort der Bibel, das uns nun 365 Tage begleitet, und mit dem uns Jesus vor allem für die ersten Schritte ins neue Jahr sagt:

Euer Herz erschrecke nicht!
Glaubt an Gott und glaubt an mich!

Neues wagen und Neues in Angriff nehmen, Neues andenken und zulassen, das erfordert ein unerschrockenes Herz. Wer vor allem zurückschreckt, wessen Herz allzu oft einen riesen Schreck bekommt, dem werden neue Wege nicht behagen. Doch kann man das verordnen? Kann man sagen: Erschrick nicht! Meistens zuckt man doch gerade bei diesen Worten heftig zusammen. Erschrick nicht, das ist eine unmögliche Aufforderung. Wie sollte man dem Herzen Befehle erteilen?
Euer Herz erschrecke nicht! Das kann so nicht stehen bleiben.
Deshalb fährt Jesus fort: Glaubt an Gott und glaubt an mich!

Auch der Glaube lässt sich nicht befehlen, aber wenn Jesus selbst dazu auffordert, ist der Same schon gelegt. Glaubt an Gott und glaubt an mich, das ist mehr als eine Aufforderung, das ist mehr als eine Einladung. Das ist schon der Anfang einer neuen Startchance.

Ich wünsche allen Suchenden und Fragenden, allen Neugierigen und Erwartungsvollen, aber auch den Zaghaften und Verzagten, denen, die schwarz sehen und denen, die rot sehen, für das neue Jahr, dass dieser Ruf sie erreicht, dass der Glaube eine Chance bekommt, dass Gott mitgeht mit seinem guten Geist.

Ein gesegnetes Jahr 2010!