Krankenversicherten drohen noch höhere Zusatzbeiträge

Krankenversicherten drohen noch höhere Zusatzbeiträge
Den gesetzlich Krankenversicherten drohen teilweise höhere Zusatzbeiträge als von der Bundesregierung angenommen. "Es ist unvermeidbar, dass einzelne Kassen bereits im kommenden Jahr einen Zusatzbeitrag über acht Euro nehmen", sagte der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem der Deutschen Presse-Agentur dpa. Auch die künftige Vorsitzende der Barmer GEK, Birgit Fischer, schloss nicht aus, dass einige Kassen über acht Euro liegen werden. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Michael Sommer warnte die Bundesregierung vor weiteren Belastungen für die Arbeitnehmer.

Die Krankenkassen hatten wegen des erwarteten Defizits von rund vier Milliarden Euro 2010 vor flächendeckenden Zusatzbeiträgen gewarnt. Fischer, die nach der Fusion von Barmer und GEK am 1. Januar die künftig größte Kasse mit 8,6 Millionen Versicherten leiten wird, sagte im dpa-Interview: "Absehbar ist, dass alle Kassen Zusatzbeiträge erheben müssen." Nach Berechnungen der Bundesregierung übersteigen sie acht Euro in der Regel wohl nicht. Ab dieser Schwelle müssen Kassen die Einkommen prüfen. Der Obolus darf ein Prozent des Bruttoeinkommens des einzelnen Kassenmitglieds nicht überschreiten.

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DGB-Chef Sommer sagte der dpa, die Zusatzbeiträge seien nicht nur Gift für die Konjunktur, sondern auch Gift für die arbeitenden Menschen. "Für Menschen, die relativ wenig Rente bekommen oder wenig Geld verdienen, und die nicht wissen, wie sie morgen und übermorgen anständig leben sollen, ist auch ein Zusatzbeitrag von 8,50 Euro im Monat viel Geld."

Sommer wandte sich zudem gegen die Reformpläne der Koalition. Wenn Union und FDP zur Finanzierung der Gesundheitskosten eine "Kopfpauschale einführen und die paritätische Finanzierung weiter aushöhlen wollen, dann wird diese Entsolidarisierung auf unseren entschiedenen Widerstand stoßen."

Sozialausgleich aus Steuermitteln eine "Milchmädchenrechnung"

Aus Sicht der künftigen Kassen-Chefin Fischer verzettelt sich die Regierung in Scheingefechten um Pauschalen. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) warf sie vor, mit seiner Idee einer Gesundheitspauschale samt milliardenschwerem Sozialausgleich unrealistische Ziele zu verfolgen: "Das ist eine Milchmädchenrechnung." Käme dies so, würden nach ihren Berechnungen etwa 35 Milliarden Euro im Jahr aus Steuermitteln gebraucht.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft warf der schwarz-gelben Koalition vor, sie wolle Millionen Krankenversicherte zu "Bittstellern des Staates" machen. "Die von Union und FDP geplante einkommensunabhängige Kopfpauschale bewirkt eine gigantische Umverteilung der Beitragslasten von oben nach unten", sagte die nordrhein-westfälische SPD-Chefin der dpa. Wer sich die Krankenversicherung nicht leisten könne, müsse den Staat um Hilfe bitten. Ersten Berechnungen zufolge seien dies rund 36 Millionen Bundesbürger, 70 Prozent der gesetzlich Krankenversicherten.

Regierungskommission für Gesundheitsreform startet im Januar

Union und FDP haben im Koalitionsvertrag vom Einkommen unabhängige Pauschalbeiträge, einen Ausgleich aus Steuermitteln für Ärmere und ein Einfrieren des Arbeitgeberanteils vereinbart. Klarheit über Details der Krankenkassen-Reform soll es Mitte kommenden Jahres geben. Die neuen Regeln sollen dann ab 2011 greifen.

Ein Thema der zu Jahresbeginn startenden Regierungskommission für eine neue Gesundheitsreform sollen Preisverhandlungen zwischen Kassen und Herstellern über oft sehr teure neue Mittel sein. Die Pharmahersteller zeigten sich zu möglichen Rückerstattungen an die Krankenkassen bereit. "Beispielsweise kann ein Hersteller mit einer Krankenkasse vereinbaren, bei einem neuen Medikament zu einem bestimmten Preis ein Teil zurückzuzahlen, wenn die Therapie-Erfolge geringer ausfallen als erwartet", sagte Cornelia Yzer, Geschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen vfa.

dpa